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VTE-EreignisThrombose bei Krebs – wie antikoagulieren?

Die Behandlung von krebsassoziierten venösen Thromboembolien ist komplex. Was empfehlen aktuelle Leitlinien?

Im Vergleich zu Menschen ohne Krebserkrankung haben Tumorpatienten ein etwa siebenfach erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (VTE). Ihr Risiko, im Verlauf der Tumorerkrankung ein VTE-Ereignis zu erleiden, kann in Abhängigkeit von der Tumorentität (s. Kasten) bis zu 30 Prozent betragen. [1]

Dabei treten die meisten VTE in den ersten sechs Monaten nach der Krebsdiagnose auf [2].

Eine VTE kann aber auch die Erstmanifestation einer bis dahin noch nicht diagnostizierten Tumorerkrankung darstellen. Die Behandlung von Krebspatienten mit VTE ist komplexer als die von Nicht-Krebspatienten; die Rezidiv- und Blutungsraten unter Antikoagulation sind höher.

DOAK als Alternative

In den letzten Jahren wurden mehrere Studien zur Therapie von krebsassoziierten VTE publiziert, die direkte Faktor-Xa-Inhibitoren mit der bisherigen Standardtherapie mit niedermolekularem Heparin (NMH) verglichen haben. Aktuelle Leitlinien haben diese Daten berücksichtigt und sind zu ähnlichen Empfehlungen gekommen.

So sollen Tumorpatienten mit venöser Thromboembolie laut den aktuellen deutschsprachigen Leitlinien [1] initial für drei bis sechs Monate mit NMH oder direkten Faktor-Xa-Inhibitoren behandelt werden, wobei Tumor-, Tumortherapie- und patientenspezifische Aspekte zu berücksichtigen sind (s. Abb. 2).

Der Wechsel zwischen direktem Faktor-Xa-Inhibitor und NMH ist wegen der vergleichbaren Pharmakokinetik einfach möglich. Die Art, Dauer und Dosierung der Antikoagulation zur Sekundärprophylaxe jenseits von drei bis sechs Monaten nach dem Initialereignis soll sich bei tumorassoziierter venöser Thromboembolie nach der Aktivität des Tumorleidens, dem Blutungsrisiko und der Patientenpräferenz richten.

Was raten andere Leitlinien?

Das Thrombose-Konsensusdokument der European Society of Cardiology (ESC) [3] empfiehlt NMH. Edoxaban oder Rivaroxaban kann bei Patienten ohne gastrointestinale oder urotheliale Tumoren als Alternative zu NMH für die initiale und nachfolgende Therapiephase erwogen werden. Für Apixaban wird diese Einschränkung nicht erwähnt, hier gibt es allerdings eine Einschränkung bezüglich primärer oder metastatischer Hirntumoren und akuter Leukämie.

In Hinblick auf mögliche Wechselwirkungen mahnen die Autoren bei den direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) zur Vorsicht. Sofern keine Kontraindikationen vorliegen, schlagen sie für die Behandlung nach sechs Monaten eine volle therapeutische Antikoagulation vor.

Bei instabilen Situationen wird NMH bevorzugt (zum Beispiel bei Thrombozytopenie, Übelkeit, Erbrechen, erwarteten Wechselwirkungen und Operationen, die den oberen Gastrointestinaltrakt betreffen). Bei der Wahl des Antikoagulans gilt es zudem Patientenpräferenz, Kosten, Applikationsweg und Monitoring-Optionen zu berücksichtigen. Sehr ähnliche Empfehlungen finden sich in den Leitlinien der European Society for Vascular Surgery (ESVS) [4]: Präferenz für NMH für die ersten drei bis sechs Monate; bei ausgewählten Patienten und ohne gastrointestinalen und urogenitalen Krebs kann ein zugelassenes DOAK auch für die verlängerte Therapie erwogen werden.

Daten nur für Faktor-Xa-Hemmer

Die Onkopedia-Leitlinien [5] weisen darauf hin, dass Daten nicht für DOAK allgemein, sondern nur für die drei Faktor-Xa-Inhibitoren vorliegen. Bei DOAK empfehlen sie, insbesondere bei gastrointestinalen oder urologischen Tumoren zurückhaltend vorzugehen und mögliche Blutungskomplikationen zu berücksichtigen, vor allem bei luminalem Tumor- oder Metastasennachweis. Bei der Entscheidung zu Applikationsart und Substanzwahl gilt es neben der Tumorentität und dem vermuteten Blutungsrisiko die klinische Situation, die Präferenz der Patienten und die Wechselwirkungen mit bestehender oder geplanter Medikation zu berücksichtigen.

Die International Initiative on Thrombosis and Cancer (ITAC) empfiehlt den Einsatz von NMH oder DOAK bei einer Kreatinin-Clearance (CrCl) ≥ 30 mL/min [6]. Wenn kein Risiko für gastrointestinale oder urogenitale Blutungen vorliegt, kann Rivaroxaban/Apixaban (erste zehn Tage) oder Edoxaban (nach ≥ fünf Tagen parenteraler Therapie) verwendet werden, sofern keine starken Wechselwirkungen oder Resorptionsstörungen vorliegen. Vorsicht ist bei gastrointestinalen Tumoren angezeigt (vor allem oberer Gastrointestinaltrakt!). Nach sechs Monaten sollte die weitere Therapie mit NMH, DOAK oder Vitamin-K-Antagonisten (VKA) individuell nach Nutzen/Risiko, Verträglichkeit, Verfügbarkeit, Präferenz und Tumoraktivität erfolgen.

Erstmals Präferenz für DOAK

Die Leitlinien der American Society of Hematology (ASH) [7] empfehlen für die Initialtherapie DOAK (Apixaban oder Rivaroxaban) oder NMH. Für die nachfolgende Therapiephase schlagen sie erstmals vor, ein DOAK (Apixaban, Edoxaban oder Rivaroxaban) gegenüber NMH vorzuziehen. DOAK sollten bei Patienten mit gastrointestinalem Krebs mit Vorsicht eingesetzt werden.

Auch die Chest-Leitlinien [8] empfehlen Faktor-Xa-Inhibitoren (Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban) bevorzugt vor NMH für die initiale Phase und die Behandlungsphase (starke Empfehlung, mäßiger Evidenzgrad). Dabei weisen sie darauf hin, dass Edoxaban und Rivaroxaban im Vergleich zu NMH ein höheres Risiko für gastrointestinale Blutungen bei luminalen gastrointestinalen Tumoren aufzuweisen scheinen, während dies bei Apixaban nicht der Fall ist. Apixaban und NMH könnten daher bevorzugte Optionen bei Patienten mit luminalen gastroinestinalen Tumoren darstellen.

Rezidiv unter Antikoagulation

Für Rezidive, die unter Antikoagulation bei krebsassoziierter Thrombose auftreten, nennt die ITAC-Leitlinie [6] drei Optionen: 1. Bei NMH-Therapie Dosiserhöhung um 20 bis 25 Prozent oder Umstellen auf DOAK. 2. Bei DOAK-Therapie Umstellen auf NMH. 3. Unter VKA Umstellen auf NMH oder DOAK. Andere Leitlinien geben ähnliche Empfehlungen ab. Nicht vergessen werden sollte dabei die Abklärung von möglichen Ursachen für das Versagen der Antikoagulation bei diesen komplexen Patienten.

Fazit

Die aktualisierten ASH- und CHEST-Leitlinien sprechen erstmals eine Präferenz für DOAK im Vergleich zu NMH zur Therapie von krebsassozierten VTE aus. Bei gastrointestinalen Läsionen rufen sie allerdings zur Vorsicht auf, vor allem bei Edoxaban und Rivaroxaban.

Die anderen Leitlinien nennen als Therapiestandard für die initiale Therapie und die Erhaltungstherapie zwar weiterhin NMH, weisen aber DOAK (spezifisch den Faktor-Xa-Inhibitoren) eine klare, evidenzbasierte Rolle in der Therapie der krebsassoziierten VTE zu, vor allem für Personen ohne erhöhtes Blutungsrisiko, ohne gastrointestinale und urotheliale Tumoren und ohne erwartete Arzneimittelinteraktionen.

Potenzielle Interessenkonflikte: Forschungsunterstützung: AFNET, FADOI, Viatris, Bay.StMGP; Vortrags- und Beratertätigkeit: Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA, LEO Pharma, Pfizer, Viatris. Der Autor erklärt, dass er sich bei der Erstellung des Beitrages nicht von wirtschaftlichen Interessen leiten ließ.

Literatur:

  1. Linnemann B, Blank W, Doenst T, Erbel C, Isfort P, Janssens U et al. Diagnostik und Therapie der tiefen Venenthrombose und Lungenembolie – AWMF-S2k-Leitlinie 2023.
  2. Thrombose-Risiko bei Krebs im Blick haben. Deutsches Krebsforschungszentrum. https://www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise/nachrichten/2023/fk09-thrombose-lungenembolie-krebs-corona.php; zuletzt abgerufen: 11/2023
  3. Mazzolai L, Ageno W, Alatri A, Bauersachs R, Becattini C, Brodmann M et al. Second consensus document on diagnosis and management of acute deep vein thrombosis: updated document elaborated by the ESC Working Group on aorta and peripheral vascular diseases and the ESC Working Group on pulmonary circulation and right ventricular function. Eur J Prev Cardiol. 2022;29(8):1248–1263.
  4. Kakkos SK, Gohel M, Baekgaard N, Bauersachs R, Bellmunt-Montoya S, Black SA et al. Editor‘s Choice – European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2021 Clinical Practice Guidelines on the Management of Venous Thrombosis. Eur J Vasc Endovasc Surg. 2021;61(1):9–82.
  5. Riess H, Angelillo-Scherrer A, Alt-Epping B, Langer F, Wörmann B, Pabinger-Fasching I. Onkopedia-Leitlinie Venöse Thrombembolien (VTE) bei Tumorpatienten. DGHO 2020. 2020:1–29.
  6. Farge D, Frere C, Connors JM, Khorana AA, Kakkar A, Ay C et al. 2022 international clinical practice guidelines for the treatment and prophylaxis of venous thromboembolism in patients with cancer, including patients with COVID-19. Lancet Oncol. 2022;23(7):e334–e47.
  7. Lyman GH, Carrier M, Ay C, Di Nisio M, Hicks LK, Khorana AA et al. American Society of Hematology 2021 guidelines for management of venous thromboembolism: prevention and treatment in patients with cancer. Blood Adv. 2021;5(4):927–74.
  8. Stevens SM,Woller SC, Baumann Kreuziger L, Bounameaux H, Doerschug K, Geersing GJ et al. Antithrombotic Therapy for VTE Disease: Second Update of the CHEST Guideline and Expert Panel Report. Chest. 2021;160(6):e545–e608.
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