Ziel dieser Forderung ist es, Missbrauch und Gewalt insbesondere gegenüber vulnerablen Patientengruppen, wie beispielsweise Kindern und Jugendlichen oder hilfsbedürftigen Personen, vorzubeugen, zu erkennen, adäquat darauf zu reagieren und auch innerhalb der Einrichtung zu verhindern [1].
Ein hochsensibles, wichtiges Thema und leider auch ein fortwährend aktuelles Thema. Einem im Juni 2024 veröffentlichten Bericht des Bundesinnenministeriums und des Bundeskriminalamtes zufolge ist die häusliche Gewalt im Jahr 2023 um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, und damit erneut gestiegen.
Dies betraf über 256.000 Personen, davon sind 70 Prozent weiblich. Da es sich hierbei um aktenkundige Fälle handelt, ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer höher liegt [2].
Praxen gehören zu den ersten Anlaufstellen und sollten daher Auffälligkeiten bei Patientinnen und Patienten besonders beachten. Zunehmend geht es dabei leider auch um ältere, pflegebedürftige Patientinnen und Patienten.
Präventive Maßnahmen festlegen
Je nach Größe der Praxis, Leistungsspektrum und Patientenklientel ist zu entscheiden, welche präventiven und interventionellen Maßnahmen für entsprechende Situationen geeignet sind. Konkret bedeutet dies, sich auf das Auftreten von derartigen Fällen vorzubereiten und ein Schutzkonzept zu erstellen.
Die Mitarbeitenden der Praxis sind hinsichtlich des Themas zu sensibilisieren. Zunächst sollte aber der rechtliche Rahmen betrachtet und im Ernstfall auch zwingend eingehalten werden. Einige KVen und auch viele Hilfsorganisationen bieten dazu Fortbildungen und Beratungen an (Adressen siehe Kasten unten).
Die interne Abstimmung im Praxisteam ist notwendig, denn die Mitarbeitenden müssen wissen, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung oder Gefährdung hilfsbedürftiger Personen zu erkennen meinen. Daher sollten die typischen Formen von Gewalt und potenzielle Hinweise darauf besprochen werden.
Im Rahmen des Qualitätsmanagements sind die gemeinsam festgelegten Handlungsschritte und Maßnahmen schriftlich festzuhalten. Eine Checkliste mit Telefonnummern der (örtlichen) Beratungshotlines sollte das Dokument ergänzen.
Die Regelungen sollten den praxisindividuellen Verhaltenskodex inklusive der Gesprächsstrategie für entsprechende Fälle enthalten. Idealerweise werden die Angaben im zeitlichen Verlauf regelmäßig überprüft und Änderungen in den Teambesprechungen bekannt gegeben.
Rat holen und Austausch pflegen
Bei einem vermuteten Gewaltereignis ist die spezifische medizinische Anamnese und die gerichtsfeste Dokumentation bei Anhaltspunkten bzw. Verdachtsmomenten von hoher Priorität, denn sie kann im späteren Verlauf eine zentrale Rolle einnehmen.
Des Weiteren ist das Zeitfenster für weiterführende Interventionen zu bedenken: denn im Ernstfall muss schnell, aber bedacht gehandelt werden. Bei Unsicherheiten können zunächst selbst verschiedene telefonische Beratungsstellen kontaktiert werden.
Vorsorglich Netzwerk aufbauen
Besser ist es jedoch, sich bereits vorsorglich ein Netzwerk aufgebaut zu haben. Schon allein, um im Bedarfsfall ein gemeinsames Fallmanagement zum Fall bzw. ein gemeinsames Verständnis für die schwierige Situation zu pflegen.
Es ist wichtig, persönliche Kontakte und/oder Kooperationen zu sozialen Diensten, Jugend- und Gesundheitsämtern, Beratungsstellen öffentlicher und freier Träger, spezialisierten Krankenhausabteilungen, Gewaltambulanz einer nahen Uniklinik und weiteren Einrichtungen, die sich mit dem Problem der Gewalt gegen hilfsbedürftige Personen befassen, aufzubauen. Auch um später ggf. ein Feedback zu erhalten und mit dem aufgetreten Fall abschließen zu können.
Als weitere Maßnahmen könnten in der Praxis (z. B. im Wartezimmer) Flyer, Informationsmaterialien und Kontaktnummern von Beratungsstellen für betroffene Personen und Angehörige ausgelegt werden. Es gibt viele Organisationen und Institutionen, die Hilfe anbieten.
Quellen:
- https://www.g-ba.de/downloads/62-492-3427/QM-RL_2024-01-18_iK-2024-04-20.pdf
- https://www.bka.de/haeuslichegewalt