Berlin. Gutscheine für Check-up in Apotheken, Check-up bereit ab 25 und Erweiterung der Diagnostik, Vergütung geknüpft an DMP-Qualitätsziele, die Einführung einer Früherkennung auf Fettstoffwechselstörung bei Kindern und Jugendlichen – der Präventions- und Früherkennungs-Strauß, den Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) in seinem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz) gebunden hat, ist ziemlich dick und auch nicht billig.
“Bei der Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen und ihrer Folgen hat unser Gesundheitssystem dringend Nachholbedarf – es herrscht kein Zweifel daran, dass hier mehr getan werden kann und muss. Daher begrüßen wir die Bemühungen von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach zwar, wie dieses Ziel im Gesundes-Herz-Gesetz allerdings konkret erreicht werden soll, ist aus unserer Sicht der falsche Weg”, erklären die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier am Dienstag (18.6.).
Weiter meinen Buhlinger-Göpfarth und Beier zum bekannt gewordenen Referentenentwurf eines Gesundes-Herz-Gesetzes: “Immer mehr Tests und eine Medikamentenvergabe per Gießkannenprinzip lehnen wir ganz klar ab.” Das im Gesetzentwurf angewandte Prinzip “Viel hilft viel” sei aus medizinischer Sicht mehr als zweifelhaft – auch weil die Evidenzlage sehr dünn sei. Gerade bei den Allerkleinsten sollten flächendeckende Screenings, die in Folge lebenslange Medikamenteneinahmen bedeuten könnten, mit äußerster Vorsicht und immer nur evidenzbasiert eingesetzt werden, warnen die beiden Bundesvorsitzenden.
Im Einzelnen sieht das geplante Gesetz folgendes vor:
- Schon bei Kindern und Jugendlichen soll eine Früherkennung von Fettstoffwechselerkrankungen mit Fokus auf familiäre Hypercholesterinämie eingeführt werden. Die Krankenkassen sollen die Kinder- und Jugendlichen ab 12 Jahren zu dieser Untersuchung einladen.
- Der “Check-up” bei Erwachsenen soll im Bereich Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiterentwickelt werden, heißt es im Gesetzentwurf. Auch hier sollen die Krankenkassen zu den Check-ups im Alter von 25, 35 und 50 Jahren einladen. Mit den Einladungen sollen Gutscheine verschickt werden, die zu Beratungen sowie Messungen zu Risikofaktoren (z.B. Diabetes) in Apotheken berechtigen. Der Anspruch auf die Leistungen besteht unabhängig davon, heißt es im neuen Paragrafen 25 c, ob der Gemeinsame Bundesausschuss sich mit den erweiterten Leistungen befasst hat oder nicht.
- Apotheken sollen auch zusätzlich – neben dem Check-up – verstärkt in die Beratung zur Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingebunden werden. Auf die „niedrigschwelligen Beratungsangebote“ sollen Versicherte einmal im Jahr Anspruch haben.
- Der bisherige Leistungsumfang der Gesundheitsuntersuchung bzw. des Check-ups soll als Basis beibehalten und unter anderem mit ergänzenden Laboruntersuchungen erweitert werden. Die medizinischen Fachgesellschaften sollen an der Leistungserweiterung einbezogen werden.
- Beim Check-up 25 soll der Schwerpunkt auf der Erfassung von familiären Risiken und lebensstilbezogenen Risikofaktoren liegen (Nikotin, Alkohol, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel etc. ). Beim Check-up 35 soll der Schwerpunkt auf Erfassung lebensstilbezogener Risikofaktoren und die Früherkennung kardiometabolischer Risikoerkrankungen gelegt werden. Beim Check-up 50 kommt zusätzlich die Erkennung von Frühstadien von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinzu.
Honorar für Erreichen von Qualitätszielen
- Außerdem sollen die Disease-Management-Programme (DMP) gestärkt werden. Krankenkassen sollen verpflichtet werden, mit Leistungserbringern Verträge über DMP für ihre Versicherten zu schließen. Die Zulassung durch das Bundesamt für Soziale Sicherung ist nicht mehr nötig. Dabei sollen bei den strukturierten Behandlungsprogrammen für Diabetes mellitus Typ 1, Diabetes mellitus Typ 2 und koronare Herzkrankheit „Vergütungsbestandteile für die teilnehmenden Leistungserbringer vorzusehen, deren Auszahlung oder Höhe von dem Erreichen der vom Gemeinsamen Bundesausschuss“ (G-BA) festgelegten Qualitätsziele abhängig sind. Mindestens drei Qualitätsziele soll der G-BA pro oben genannter Erkrankung bestimmen. Auch soll sich der G-BA um Anforderungen an ein neues DMP für Versicherte mit einem hohen Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung kümmern.
- Auch sollen Statine leichter verordnet werden können. Dies hängt von Alter und der Höhe des festgestellten Risikos eines kardiovaskulären Ereignisses ab.
- Die bisherigen gesetzlichen Regelungen zur medikamentösen Therapie zur Reduzierung des Nikotinkonsums sollen ausgeweitet werden. Ein Anspruch auf die Versorgung mit Medikamenten haben GKV-Versicherte künftig nicht mehr nur bei einer „schweren Tabakabhängigkeit“, auch wird die Therapie häufiger und nicht nur alle drei Jahre finanziert.
Evidenzbasierte Medizin kein Kriterium
Den jährlichen Aufwand beziffert das BMG auf rund 7,4 Millionen Euro. Der einmalige Aufwand soll gut 5 Millionen Euro betragen.
Mit dem Gesetz räumt sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gleich auch mehr Rechte ein.
Im Paragrafen 25 c, Absatz 4 heißt es, das BMG wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Gesundheitsuntersuchungen zu bestimmen. Der Nutzen muss auch nicht nach evidenzbasierter Medizin belegt sein. Die WANZ-Kriterien (wirtschaftlich, ausreichend, notwendig, zweckmäßig) spielen ebenfalls keine Rolle.
Auch kann das BMG abweichend von Richtlinien und Entscheidungen sowie “sonstigen Einschätzungen des Gemeinsamen Bundesausschusses abweichen”. Im Absatz 5 heißt es sogar, dass das BMG Vorgaben für die ärztliche Vergütung regeln kann.
Der Entwurf des “Gesundheits-Herz-Gesetz – GHG” datiert vom 14. Juni. Spätestens zum 1. Januar 2026 soll es in Kraft treten.
Für den Hausärztinnen- und Hausärzteverband klammert der Gesetzentwurf dabei etwas sehr wichtiges aus, nämlich eine gezielte, strukturierte Versorgung. Aus vielen Studien sei nämlich bekannt, dass die Prävention im Wesentlichen von einer gut koordinierten Versorgung und einer engen Zusammenarbeit zwischen Hausarztpraxis und Facharztpraxis abhänge – so wie sie in den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung gelebt werde. Stattdessen setze der Entwurf auf “flächendeckende und anlasslose En-masse-Therapie. “So funktioniert Versorgung nicht und schon gar nicht Prävention”, erklären die Verbandsvorsitzenden.