Serie "Familienfreundliche Praxis"Familienfreundliche Praxis – so klappt’s

In der eigenen Praxis haben Eltern den Vorteil, den Alltag in weiten Teilen nach den eigenen Anforderungen gestalten zu können. Wo Freiheiten sind – und wo Grenzen zu beachten sind.

Die Freiberuflichkeit ermöglicht es Hausärztinnen mit Säuglingen, Arbeit und Stillen zu verbinden.

Hausärztinnen und Hausärzte, die Eltern sind oder werden, haben im Gegensatz zu Klinikangestellten einen großen Vorteil: Sie können ihre Tätigkeit in der Praxis in weiten Teilen selbst und damit möglichst familienfreundlich gestalten. Das gilt unter anderem für die Sprechstundenzeiten, Arbeitsentlastung und Flexibilität bei Verwaltungsaufgaben.

Sprechzeiten frei planen

“Grundsätzlich sind niedergelassene Ärzte frei in der Wahl ihrer Sprechstundenzeiten”, sagt Lorenz Hartl von der Praxisführungsberatung des Beratungscenters München der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Vorgegeben ist nur die Mindestanzahl der Sprechstunden: Wer einen vollen Vertragsarztsitz hat, muss mindestens 25 Stunden in der Woche anbieten.

“Es gibt aber keine Vorgaben, zum Beispiel hinsichtlich der Uhrzeit, wann die Sprechstunden stattfinden müssen”, sagt er. “Uns erreichen beispielsweise Anfragen, ob die Sprechstunde um 9 Uhr beginnen darf, damit die Ärztin ihr Kind in die Kita bringen kann.”

Das sei kein Problem – ebenso wenig wie eine Anfangszeit von 10 oder gar 16 Uhr. “Hausärzte sollten aber beachten, dass Patienten in dringenden Fällen zu Zeiten, in denen kein ärztlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet ist, ihren Arzt oder dessen Vertreter erreichen können”, betont Hartl.

Die Öffnungstage ihrer Praxis können Hausärztinnen und Hausärzte ebenfalls flexibel gestalten. Eltern berichten von guten Erfahrungen mit der Bündelung ihrer Sprechstunden an bestimmten Tagen, sodass sie bestimmte Nachmittage oder einen Tag für die Familie zur Verfügung haben.

Stillfreundliche Praxis einrichten

Die Freiberuflichkeit ermöglicht Hausärztinnen mit Säuglingen, die Arbeit in der Praxis und das Stillen zu verbinden, etwa wenn ihnen der Vater oder eine andere Betreuungsperson das Kind bringt.

Dafür empfiehlt es sich, für das Stillen ein Refugium in der Praxis zu schaffen, wie eine bequeme Sitzgelegenheit in einem separaten Raum. Auch eine kurzfristige Kinderbetreuung ist mit dem Praxisbetrieb vereinbar, etwa wenn die Kita ungeplant schließt.

Urlaube an eigene Familie anpassen

Urlaubszeiten können Praxischefs an die Bedürfnisse ihrer Kinder anpassen, etwa an Schulferien oder Kita-Schließungen. “Bis zu drei Monate ist eine Vertretung während der Abwesenheit genehmigungsfrei”, erklärt Hartl.

Stehen Arzt oder Ärztin nicht zur Verfügung, müssen sie jedoch ab dem ersten Tag eine Vertretung benennen. Der KV gemeldet werden muss eine Abwesenheit allerdings erst ab dem siebten Tag.

Bereitschaftsdienst ruhen lassen

Den Bereitschaftsdienst müssen Medizinerinnen und Mediziner mit Kleinkindern nicht erbringen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) können sich Ärztinnen in der Schwangerschaft und nach der Geburt bis zu 36 Monate befreien lassen, Ärzte bis zu 36 Monate nach der Geburt.

Müssen beide Elternteile Bereitschaftsdienst leisten, liegt die Befreiung bei insgesamt 36 Monaten. Beide Elternteile können die Zeit frei untereinander aufteilen.

Netzwerk schenkt Freiräume

Ein gutes Netzwerk hilft vor allem, wenn die Kinder klein sind und immer wieder unvorhergesehene Anforderungen auf Eltern zukommen. Können die Kollegin oder der Kollege in der Praxis um die Ecke schnell und unkompliziert einspringen, haben Eltern einen größeren Freiraum.

Das gilt erst recht, wenn die Zusammenarbeit institutionalisiert ist. “Gerade wenn es darum geht, die Praxis familienfreundlich zu gestalten, ist es sinnvoll, über Kooperationen nachzudenken”, sagt Hartl. Denn Teamarbeit auf Dauer, zum Beispiel in einer Gemeinschaftspraxis, eröffnet die Möglichkeit für eine auch kurzfristige kollegiale Vertretung.

Auch Medizinische Fachangestellte (MFA) können einen Beitrag leisten, um Eltern zu entlasten – nicht nur, wenn der Nachwuchs in der Praxis kurzfristig im Auge behalten werden muss.

An ihre MFA können Hausärztinnen und Hausärzte Tätigkeiten delegieren, die viel Zeit kosten. Das allerdings ist nicht spontan möglich, denn die Mitarbeiterinnen müssen dafür eine Fortbildung absolvieren, etwa zur Versorgungsassistenz in der Hausarztpraxis (VERAH®).

Welche Leistungen delegiert werden können, hängt von der Qualifikation der MFA ab. Es können zum Beispiel Hausbesuche oder Verwaltungsaufgaben sein. Erforderlich dafür ist eine Abrechnungsgenehmigung der KV.

Homeoffice für “Papierkram” nutzen

Eine gute Möglichkeit für Eltern, sich mehr Spielraum zu verschaffen, ist das Homeoffice. Damit können Arbeiten zumindest zeitlich und räumlich verlagert werden.

Zwar sind alle Tätigkeiten der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung bis auf Hausbesuche an die Praxis geknüpft. Eine Videosprechstunde etwa darf deshalb – zumindest vorerst – nicht aus dem Homeoffice abgehalten werden. Aber Verwaltungsaufgaben oder die Personalführung fallen nicht darunter.

“Alles, was im Hintergrund läuft, ist nicht an die Praxis gebunden”, sagt Hartl. “Wichtig ist, dass unabhängig vom Vertragsarztrecht immer auf die Einhaltung des Datenschutzes geachtet wird.” Hausärzte müssen also dafür sorgen, dass niemand anderes Einblick in die Daten nimmt.

Doch auch bei einer familienfreundlichen Praxisorganisation kann die Zahl der vorgegebenen Sprechstunden eine sehr hohe Belastung sein. “Gerade in der Hausarztpraxis bleibt es nicht bei 25 Sprechstunden in der Woche, bei Einzelpraxen sind 50 oder 60 Stunden keine Seltenheit”, weiß Hartl.

Eine weitere Option für Mütter und Väter ist deshalb die Reduzierung der Arbeitszeit. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, von der Teilzulassung über Job-Sharing bis zur Anstellung eines Sicherstellungsassistenten (Teil 3 der Serie).

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