Serie "Manuelle Medizin"Zündschlüsselgriff mildert Nackenschmerz

Auch bei Verspannungen im Nackenbereich kann Manuelle Medizin helfen. Leiten Sie die Patienten dabei zu Eigenübungen an.

Herr Weber hat sich vor zehn Tagen wegen Ellbogenschmerzen in Ihrer Praxis vorgestellt (s. Teil 4). Sie hatten ein Verkettungssyndrom mit C5+re lo, CTG1+insp, Th3+re ky und Triggerpunkten der Hals-, Schulter- und Unterarmmuskulatur festgestellt. Bei der heutigen Verlaufskontrolle möchten Sie Ihren Fokus auf die Verspannungen im Nackenbereich legen.

Herr Weber hat die drei von Ihnen empfohlenen Übungen – Triggerpunkt-Technik des M. supinator, Dehnung der Scaleni und Stärkung der tiefen Halsbeuger – an acht von zehn Tagen durchgeführt und bemerkt, dass vor allem nach der Triggerpunktbehandlung des M. supinator die Intensität des Ellbogenschmerzes deutlich abnimmt. Auch die Nackenschmerzen seien weniger geworden. Gerne möchte er weitere Eigenübungen erlernen.

Sie untersuchen Ihren Patienten und notieren: HWS Rotation links/rechts unverändert 50°/0°/60°, Seitneigung gebessert mit links/rechts 40°/0°/30°. C5+ re lo, Th 3+ re ky.

Der Triggerpunkt des M. levator scapulae knapp oberhalb des Angulus superior der rechten Schulter löst den bekannten Nackenschmerz aus mit Hauptausstrahlung Richtung rechtes Ohr.

Auf die Kopfpositionierung achten

Bereits beim letzten Termin ist Ihnen aufgefallen, dass der Kopf Ihres Patienten in Translation steht. Bei einem solchen Befund sollten Sie sich folgende Fragen stellen:

  • Sind beide Mm. sternocleidomastoidei verkürzt und bieten myofasziale Triggerpunkte?
  • Liegt ein oberes gekreuztes Syndrom vor?

Der M. sternocleidomastoideus hat seinen Ursprung am Manubrium sterni und dem medialen Klavikuladrittel; er setzt am Processus mastoideus und der Linea nuchalis superior an. Einseitig aktiviert dreht er Kopf und HWS zur Gegenseite und neigt Kopf und HWS zur gleichen Seite. Beidseitig aktiviert ist er beteiligt an Flexion, Extension und an der Translation des Kopfes nach ventral. Myofasziale Triggerpunkte sind häufig und können als Schmerzen an der Stirn, um Augen und Ohren auftreten. Auch bei Herrn Weber hatten Sie hier Triggerpunkte entdeckt (s. Teil 4).

Das obere gekreuzte Syndrom (s. Abb.) zählt zu den Muskel-Imbalance-Syndromen. Betrachten Sie Herrn Weber von der Seite, würde ein imaginär gefälltes Lot vom Porus acusticus externus vor der Vorderkante seines siebten Halswirbelkörpers landen. Dies kann auf ein oberes gekreuztes Syndrom hinweisen. Betroffene klagen zudem häufig über Kopfschmerzen.

Eigenübungen zeigen

Da die Nackenbeschwerden seit über drei Monaten bestehen und es keinen Hinweis auf eine ernste Ursache gibt, handelt es sich laut Handlungsempfehlung der DEGAM [9] um nicht-spezifische, chronische Nackenschmerzen. Als Therapiemaßnahmen nennt die DEGAM-Empfehlung unter anderem Krankengymnastik, Mobilisation/Manipulation und das Erlernen eines Entspannungsverfahrens.

Krankengymnastik würde Herr Weber aktuell gerne zurückstellen, da es ihm insgesamt besser geht und er die Eigenübungen im Büro, zuhause und auf seinen Geschäftsreisen gut anwenden kann.

Sie entscheiden sich, Ihren Patienten mit einer Triggerpunktbehandlung des M. levator scapulae im Sitzen zu behandeln (s. Fotos im PDF und Video 1), gefolgt vom Subokzipitalen Release, einer detonisierenden Technik in Rückenlage (s. Foto).

Anleitung zur Eigenübung “Zündschlüsselgriff”

Als Eigenübung zeigen Sie ihm, wie er zwischendurch den “Zündschlüsselgriff” frei nach Roland Gautschi anwenden kann (s. Foto im PDF und Video 2).

Mit Daumen, Zeige- und ggf. Mittelfinger seiner linken Hand fasst ihr Patient seinen rechten M. sternocleidomastoideus. Eine initiale Kopfdrehung nach links ist hierbei hilfreich. Nach einer Verwringung des M. sternocleidomastoideus – Prinzip “Umdrehen des Zündschlüssels” – soll er nun seinen Kopf fünfmal nach rechts drehen. Im Anschluss führt er die Dehnübung für den linken M. sternocleidomastoideus durch.

Entspannungsverfahren empfehlen

Auf Ihre Nachfrage erklärt Herr Weber, sich unter Entspannungsverfahren ein “Entspannen auf der Couch” vorzustellen. Daher geben Sie ihm noch eine Liste mit, die verschiedene Entspannungsverfahren aufführt, etwa progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, autogenes Training, Qi Gong, Tai Chi, Meditation oder Yoga. Er will Ihrer Empfehlung folgen, sich ein Verfahren auszusuchen und in seinen Alltag zu integrieren.

Nach Ihrer Behandlung fühlt sich die HWS-Rotation für Herrn Weber deutlich freier an, was sich mit Ihrer Untersuchung deckt: links/rechts 60°/0°/60°. Gerade wollen Sie noch nach der thorakalen Blockierung Th3+re ky sehen, als Sie von Ihrer MFA zu einem Notfall gerufen werden. Sie verabschieden sich von Herrn Weber und vereinbaren mit ihm, dass er Ihnen in ein paar Tagen nochmal Rückmeldung gibt (mehr dazu in “Der Hausarzt” 18/20).

Fragen und Anmerkungen gerne an:

mjschroen@posteo.de

Literatur:

  1. Greenman P. Lehrbuch der Osteopathischen Medizin. Karl F. Haug Verlag Heidelberg 1998.
  2. Gautschi R. Manuelle Triggerpunkt-Therapie. Thieme, Baden 2016.
  3. Bischoff HP, Moll H. Lehrbuch der Manuellen Medizin. Spitta, Balingen 2018.
  4. Böhni U, Lauper M, Locher H. Manuelle Medizin 2. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2020.
  5. Myers T. Anatomy Trains Myofasziale Leitbahnen. Urban& Fischer, Maine 2014.
  6. Schünke M, Schulte E, Schuhmacher U. Prometheus LernAtlas der Anatomie. Georg Thieme Verlag Stuttgart New York 2004.
  7. Smolenski UC, Buchmann J, Beyer L. Janda Manuelle Muskelfunktionsdiagnostik. Urban & Fischer, München 2016.
  8. Stahlhofer H, Stahlhofer T. Ganzheitliche manuelle Behandlung. Kiener, München 2018.
  9. DEGAM S1 Handlungsempfehlung Nackenschmerzen. www.hausarzt.link/LwLfu, zuletzt abgerufen am 16.08.2020.

Interessenskonflikte: Die Autorin hat ihre manualmedizinische Ausbildung beim Bayerischen Ärzteseminar für Manuelle Medizin gemacht und ist aktiv in manualmedizinischer Fort-und Weiterbildung.

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