© Dr. Tanja Goldbrunner Nach Jahren des Bangens hat sich für Dr. Tanja Goldbrunner und Meike Tissen eine neue, moderne Praxis gefunden.
Für Goldbrunner und Tissen hat sich eine langfristige Lösung gefunden – ein echter “Glücksfall” gar. Nach einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung [1] hatte sich ein Vermieter bei ihnen gemeldet, der ganze 260 Quadratmeter nach ihren Wünschen als Praxis umbauen und renovieren ließ. In der nun gefundenen Lösung zahlen die Hausärztinnen 18 Euro pro Quadratmeter.
Geholfen hat schließlich also ein privater Vermieter, weder Stadt noch KV, kritisiert Goldbrunner.
Denn München gilt – wie die meisten Großstädte – als überversorgt. Die Situation in den einzelnen Stadtteilen ist dabei irrelevant, wie mehrere KVen bestätigen. Somit könne es durchaus zu punktueller Unterversorgung kommen.
Mietvertrag als Knackpunkt
Fördermöglichkeiten für Niederlassungen beziehen sich bis dato vor allem auf den ländlichen Raum – hier ist es bereits in vielen Kommunen und KV-Regionen üblich, Niederlassungswillige mit Praxisräumen oder Bauplätzen zu unterstützen. In Ballungsgebieten hingegen bestehen solche Programme aufgrund der offiziellen “Überversorgung” nicht.
Zudem sehen sich die Städte nicht in der Pflicht, da bei Gewerbemietverträgen keine Mietpreisbremse oder ähnliche gesetzliche Regularien existieren. Umso wichtiger wird der Mietvertrag (s. Praxistipps im Kasten unten). Es sei “dringend zu empfehlen”, bei der Erstellung einen Anwalt für Mietrecht hinzuzuziehen, rät der Frankfurter Rechtsanwalt Alexander Zehe.
Praxistipps
Mietvertrag juristisch prüfen lassen
Das Gewerbemietrecht kennt im Gegensatz zum Wohnraummietrecht keine gesetzlichen Bestimmungen (“Mietpreisbremse”). Das heißt, die Höhe der Miete und die Möglichkeiten einer Mieterhöhung richten sich ausschließlich nach dem individuellen Mietvertrag.
Aufgrund dieser Vertragsfreiheit ist eine Mieterhöhung im bestehenden Mietverhältnis nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, etwa wenn im Vertrag explizite Mietanpassungsklauseln vereinbart sind.
Daher ist es in jedem Fall ratsam, sich im Fall einer geforderten Mieterhöhung – bei unbefristeten Mietverträgen oftmals vorgesehen in Form einer sogenannten Änderungskündigung – juristisch beraten zu lassen. Unverzichtbar ist dies beim Abschluss eines neuen Mietvertrages!
Mieterschutz ist nicht gleich Mieterschutz
Entgegen landläufiger Meinung gibt es keine bundesweit agierende, übergeordnete Institution zum Mieterschutz. Vielmehr gibt es eine Vielzahl entsprechender Vereine mit teils sehr unterschiedlichem Angebot.
So bietet der Mieterschutzbund explizit eine Mitgliedschaft für Gewerbemieter (120 Euro / Jahr), der Deutsche Mieterbund hingegen berät nicht zu Gewerbemietfragen. Beim Beitritt in einen Mieterverein daher das Angebot explizit prüfen; dann kann sich eine Mitgliedschaft jedoch lohnen.
Gewerbemietspiegel dient nur als Orientierung
Einzelne Gemeinden, die Industrie- und Handelskammern (IHK) oder große, auf Gewerbeimmobilien spezialisierte Immobilienmakler veröffentlichen vereinzelt Gewerbemietspiegel. Diese sind rechtlich aber nicht verbindlich! Sie können lediglich eine Orientierungshilfe für Mieter und Vermieter sein.
Ökonomischer Druck steigt
Dass die Mietkosten steigen, beobachtet der Deutsche Mieterbund flächendeckend, am stärksten jedoch in Ballungsgebieten. So sind die Mieten für Gewerbeimmobilien seit 2010 kontinuierlich gestiegen, am stärksten in München, Frankfurt und Berlin. [4] Beim Wohnraum führte die Hauptstadt mit einem Plus von 18,4 Prozent zuletzt die Liste der Top-Städte an. [5]
Davon seien Arztpraxen zwar nicht per se stärker betroffen als andere gewerbliche Mieter, teilt eine Sprecherin des Deutschen Mieterbundes auf Anfrage mit. Doch könnten Hausärzte ihre Preise nicht analog zu Gastronomie oder Einzelhandel erhöhen, gibt sie zu bedenken. Allein 2017 bis 2020 waren die Kosten für Praxen um 13,2 Prozent gestiegen – bedingt auch durch große Steigerungen bei den Mieten. [6]
Dass dieser steigende ökonomische Druck verheerende Folgen für die Versorgung hat, sieht auch Goldbrunner. “Je höher die Mietkosten sind, desto weniger gibt es zu verteilen”, bringt es die Hausärztin auf den Punkt. “Davon können dann etwa auch MFA-Löhne betroffen sein.”
Wozu steigende Mietkosten im schlimmsten Fall führen können, zeigt ein weiteres Beispiel aus Goldbrunners Kündigungswelle: Ein Kollege, dessen Praxis ebenfalls vom Abriss betroffen war, hat entschlossen, sich aus der Versorgung zu verabschieden – zwei Jahre vor dem geplanten Ruhestand.
Fazit
Steigende Mietkosten setzen auch Praxen unter Druck. Vor allem Umbrüche wie Praxisübernahmen oder auslaufende Verträge werden zunehmend für drastische Mieterhöhungen genutzt. Das Gewerbemietrecht kennt keine gesetzlichen Bestimmungen, entscheidend ist der individuelle Mietvertrag (s. Praxistipps).
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband fordert mehr Unterstützung für betroffene Praxen durch Kommunen und KVen.
Quellen:
„Kränkelnder Stadtrand“, Süddeutsche Zeitung , 7.8.2020, zuletzt aufgerufen am 12.7.2024
„Kiezpraxis muss bleiben!“, Open Petition , zuletzt aufgerufen am 12.7.2024
„Hausärzte sind keine beliebten Mieter“, MieterMagazin 5/2024, S. 24
Bau- und Immobilienpreisindex des Statistischen Bundesamtes
„Bis zu 18,4 Prozent mehr in 2023“, FOCUS online , 4.4.2024, zuletzt aufgerufen am 12.7.2024
Zi-Praxis-Panel (ZiPP) des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), 2023