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Kosten für PraxisräumeSteigende Mieten: Wenn Praxen “obdachlos” werden

Drastische Mieterhöhungen im Zuge einer Praxisübergabe, langsam schleichende Kostensteigerungen oder gar Mietverträge, die nach Jahrzehnten plötzlich nicht verlängert werden: Immer öfter müssen Hausärztinnen und Hausärzte um ihre Praxisräume bangen – mit fatalen Folgen für die Versorgung.

Dass die Mietkosten steigen, beobachtet der Deutsche Mieterbund flächendeckend, am stärksten jedoch in Ballungsgebieten.

Dass sie als Hausärztin einmal Probleme haben würde, Praxisräumlichkeiten zu finden, hätte Dr. Tanja Goldbrunner nie geglaubt. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Meike Tissen hatte sie 2017 eine bestehende Praxis in München übernommen – wohl wissend, dass das Ladenzentrum, in dem diese angesiedelt war, fünf Jahre später abgerissen werden sollte.

Doch damals glaubten die Allgemeinmedizinerinnen noch fest daran, in der nahen Umgebung problemlos eine Alternative zu bekommen, zumal ein neu entstehender Stadtteil nur 200 Meter entfernt lag. “Da hätte man doch großes Interesse haben müssen, uns als Grundversorger zu halten”, dachte sie.

Doch sämtliche Gespräche – sowohl mit der Stadt als auch mit deren Wohnbaugesellschaften, diversen Bauträgern und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) – seien erfolglos gewesen. So drohte Goldbrunner und Tissen kurzerhand die “Obdachlosigkeit”.

Ab 2025 hätten sie in den Neubau an der Stelle ihrer bestehenden Praxis gekonnt – doch nicht nur, dass eine Lösung für den Übergang fehlte, auch hätte der Quadratmeter dann 26 Euro statt zuvor 12 Euro Miete gekostet.

Vertragsende wird zum Risiko

Immer öfter nutzen Vermieter Momente des Umbruchs – etwa auslaufende Mietverträge, eine Sanierung oder eine Praxisübergabe –, um am bestehenden Mietverhältnis zu rütteln. Denn gerade in Ballungsgebieten lockt die Möglichkeit, die Mieteinnahmen in einem solchen Moment deutlich zu steigern.

So musste zeitgleich mit Goldbrunner und Tissen nur wenige Meter entfernt ein weiterer Hausarzt seine Räume verlassen – nach 40 Jahren im Stadtteil. Der Grund: Sein Mietvertrag wurde nicht verlängert. [1] “Diese Kolleginnen und Kollegen – und ihre Patientinnen und Patienten! – stehen dann komplett allein da”, kritisiert Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.

Versorgung im Kiez in Gefahr

Ein besonders dramatischer Fall ist die Gemeinschaftspraxis Schlesisches Tor im Berliner Bezirk Kreuzberg: Der Eigentümer, eine Luxemburger Kapitalgesellschaft, wollte den bestehenden Mietvertrag zum Ende 2023 nicht verlängern. Die Praxis, die seit rund 40 Jahren im Kiez angesiedelt ist, ist seither “unmittelbar von der Schließung bedroht”, heißt es in einer entsprechenden Petition. [2]

Ohne die Kiezpraxis sei jedoch die medizinische Versorgung Tausender Patienten, darunter 130 in Substitutionstherapie, in Gefahr, so Hausarzt Dr. Volker Westerbarkey. Seit Herbst vergangenen Jahres hat er gemeinsam mit seinen beiden Kollegen Verbände, Politik und Bezirksverordnetenvesammlung mobil gemacht.

Der Mietvertrag wurde daraufhin zwar bis Ende Juni verlängert. Ob der medienstarke Protest aber auch langfristig Erfolg bringt, war bei Redaktionsschluss noch offen. Man befinde sich “weiterhin in einer unklaren Situation mit dem Vermieter”, sagte Westerbarkey gegenüber “Der Hausarzt”. Zuletzt hatte der Vermieter deutlich gemacht, dass er eine Weitervermietung an eine Substitutionspraxis ablehne. [3]

Gerade unter gewinnorientierten Eigentümern gelten Hausarzt- und insbesondere Substitutionspraxen als wenig beliebt – wegen ihrer Klientel, aber auch, weil andere Gewerbetreibende mitunter eher bereit sind, höhere Mieten zu zahlen.

Keine Hilfe von KV oder Stadt

Für Goldbrunner und Tissen hat sich eine langfristige Lösung gefunden – ein echter “Glücksfall” gar. Nach einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung [1] hatte sich ein Vermieter bei ihnen gemeldet, der ganze 260 Quadratmeter nach ihren Wünschen als Praxis umbauen und renovieren ließ. In der nun gefundenen Lösung zahlen die Hausärztinnen 18 Euro pro Quadratmeter.

Geholfen hat schließlich also ein privater Vermieter, weder Stadt noch KV, kritisiert Goldbrunner.

Denn München gilt – wie die meisten Großstädte – als überversorgt. Die Situation in den einzelnen Stadtteilen ist dabei irrelevant, wie mehrere KVen bestätigen. Somit könne es durchaus zu punktueller Unterversorgung kommen.

Mietvertrag als Knackpunkt

Fördermöglichkeiten für Niederlassungen beziehen sich bis dato vor allem auf den ländlichen Raum – hier ist es bereits in vielen Kommunen und KV-Regionen üblich, Niederlassungswillige mit Praxisräumen oder Bauplätzen zu unterstützen. In Ballungsgebieten hingegen bestehen solche Programme aufgrund der offiziellen “Überversorgung” nicht.

Zudem sehen sich die Städte nicht in der Pflicht, da bei Gewerbemietverträgen keine Mietpreisbremse oder ähnliche gesetzliche Regularien existieren. Umso wichtiger wird der Mietvertrag (s. Praxistipps im Kasten unten). Es sei “dringend zu empfehlen”, bei der Erstellung einen Anwalt für Mietrecht hinzuzuziehen, rät der Frankfurter Rechtsanwalt Alexander Zehe.

Ökonomischer Druck steigt

Dass die Mietkosten steigen, beobachtet der Deutsche Mieterbund flächendeckend, am stärksten jedoch in Ballungsgebieten. So sind die Mieten für Gewerbeimmobilien seit 2010 kontinuierlich gestiegen, am stärksten in München, Frankfurt und Berlin. [4] Beim Wohnraum führte die Hauptstadt mit einem Plus von 18,4 Prozent zuletzt die Liste der Top-Städte an. [5]

Davon seien Arztpraxen zwar nicht per se stärker betroffen als andere gewerbliche Mieter, teilt eine Sprecherin des Deutschen Mieterbundes auf Anfrage mit. Doch könnten Hausärzte ihre Preise nicht analog zu Gastronomie oder Einzelhandel erhöhen, gibt sie zu bedenken. Allein 2017 bis 2020 waren die Kosten für Praxen um 13,2 Prozent gestiegen – bedingt auch durch große Steigerungen bei den Mieten. [6]

Dass dieser steigende ökonomische Druck verheerende Folgen für die Versorgung hat, sieht auch Goldbrunner. “Je höher die Mietkosten sind, desto weniger gibt es zu verteilen”, bringt es die Hausärztin auf den Punkt. “Davon können dann etwa auch MFA-Löhne betroffen sein.”

Wozu steigende Mietkosten im schlimmsten Fall führen können, zeigt ein weiteres Beispiel aus Goldbrunners Kündigungswelle: Ein Kollege, dessen Praxis ebenfalls vom Abriss betroffen war, hat entschlossen, sich aus der Versorgung zu verabschieden – zwei Jahre vor dem geplanten Ruhestand.

Fazit

  • Steigende Mietkosten setzen auch Praxen unter Druck. Vor allem Umbrüche wie Praxisübernahmen oder auslaufende Verträge werden zunehmend für drastische Mieterhöhungen genutzt. Das Gewerbemietrecht kennt keine gesetzlichen Bestimmungen, entscheidend ist der individuelle Mietvertrag (s. Praxistipps).
  • Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband fordert mehr Unterstützung für betroffene Praxen durch Kommunen und KVen.

Quellen:

  1. Kränkelnder Stadtrand“, Süddeutsche Zeitung, 7.8.2020, zuletzt aufgerufen am 12.7.2024
  2. Kiezpraxis muss bleiben!“, Open Petition, zuletzt aufgerufen am 12.7.2024
  3. „Hausärzte sind keine beliebten Mieter“, MieterMagazin 5/2024, S. 24
  4. Bau- und Immobilienpreisindex des Statistischen Bundesamtes
  5. Bis zu 18,4 Prozent mehr in 2023“, FOCUS online, 4.4.2024, zuletzt aufgerufen am 12.7.2024
  6. Zi-Praxis-Panel (ZiPP) des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), 2023
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