Schlecht heilende Wunden kommen in nahezu jeder hausärztlichen Praxis vor und werden mitunter als Spagat zwischen Wünschen von Patienten und beteiligten Fachkräften, medizinisch Sinnvollem und Wirtschaftlichkeitsgebot empfunden. Wie kann einerseits die Therapie und andererseits eine wirtschaftliche Verordnung gelingen?
Bei der Versorgung chronischer oder schlecht heilender Wunden sehen sich Praxen meist mit mehreren Herausforderungen konfrontiert: So ist die Behandlung oft zeitaufwendig und kostenintensiv. Regressanträge der Krankenkassen mit schnell fünf- bis teils sechsstelligen Summen pro Praxis kommen vor. Diese können da ein erhebliches finanzielles Risiko für die Verordnenden bedeuten.
Undurchsichtiger Markt
Mehrere Umstände erschweren die Versorgung und tragen damit zu Unsicherheit und einem höheren Regressrisiko bei:
- Der Markt an Verbandmitteln und Wundbehandlungsprodukten ist für Ärztinnen und Ärzte nicht mehr überschaubar. Die Hersteller bewerben selbstverständlich ihre Produkte als innovativ und “schneller wundheilend”. Vergleichende Studien der Wundauflagen werden zwar seit langem gefordert, sind bisher aber kaum existent. Merke: Laut der im September 2023 erschienen S3-Leitlinie zur “Lokaltherapie chronischer / schwer heilender Wunde” wird die Wirkung der Wundauflagen deutlich überschätzt.
- Ein weiteres Problem entsteht beim Entlassmanagement: Denn Kliniken kaufen Wundauflagen direkt beim Hersteller zu von ihnen verhandelten Preisen – und nicht zu den Apotheken-Einkaufspreisen. Diese preiswerteren Wundauflagen werden den Versicherten dann häufig bei der Entlassung rezeptiert oder mitgegeben. Mit der Folge, dass die Versicherten oft diese Wundauflage ambulant weiter verordnet bekommen möchten.
- Ähnlich herausfordernd kann die Beteiligung von “Wundmanagern” und Co. im Praxisalltag sein. Diese lernen in ihrer Ausbildung die Wundversorgung kennen – je nach Ausbildungsanbieter findet diese mehr oder weniger produktspezifisch statt. Die Ausbildung befähigt aber nur zur Beratung. Merke: Die Therapieentscheidung und -verantwortung liegt in ärztlicher Hand. Man ist an die “Empfehlung” der Wundmanager also nicht gebunden – sollte aber auf deren Groll gewappnet sein, wenn man nicht die gewünschte Wundauflage rezeptiert. Denn diese können ihre Beratung nicht abrechnen: Ihr Verdienst ergibt sich aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis des Produkts. Wichtig: Klären Sie Ihre Patientinnen und Patienten darüber auf, dass die Therapie Ihnen obliegt.
- Punkt drei ist besonders vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots relevant, denn Paragraf 12 SGB V gilt natürlich auch für Produkte der Wundversorgung. Leider sind deren Preise oft für Ärztinnen und Ärzte intransparent: Sind die Preise doch nicht in jeder Praxissoftware (PVS) hinterlegt oder mitunter einfach mit 0,00 Euro angegeben. Hinzu kommen intransparente kassenspezifische Rabattverträge, sodass Produkte bei der einen Kasse wirtschaftlich sein können und bei der anderen unwirtschaftlich. Das kann für Ärztinnen und Ärzte besonders dann zu einer unwirtschaftlichen Verordnung verleiten, wenn nicht produktneutrale “Wundmanager” beispielsweise aus einem Sanitätshaus, einem Homecare-Unternehmen oder Pflegedienst ins Spiel kommen.
Wie kann man diesen erschwerenden Konstellationen im Praxisalltag also Herr werden und die Patientinnen und Patienten bestmöglich versorgen?