"Rauchende Köpfe"Das Rezept mit der 7: Ein Buch mit sieben Siegeln?

Bei Hilfsmitteln werden oft konkrete Produktwünsche an Hausärztinnen und Hausärzte herangetragen. Die "Rauchenden Köpfe" erklären, warum Sie diese nicht blind erfüllen sollten und was auf jeden Fall aufs Rezept gehört.

Können Sie beurteilen, ob diese eine Prothese erforderlich ist?

“Frau Doktor, Sie müssen mal eben das Rezept hier korrigieren.” Wie oft hören Sie diese Wünsche bei ausgestellten Hilfsmittel-Rezepten? Und ehrlich: Welche Hausärztin oder Hausarzt kennt sich wirklich in den Details der Hilfsmittel-Versorgung aus? Schnell unterschreibt man dann doch mal die Änderungswünsche der Leistungserbringer, etwa des Sanitätshauses, in der Annahme, die wissen schon was sie tun… Aber Vorsicht!

Das Unterschreiben im Glauben daran, dass die Leistungserbringer es schon richtig machen werden, sollten Sie sich lieber schnell abgewöhnen. Zwar gibt es bei Hilfsmitteln keine Richtgrößen, Budgets und Regresse.

Trotzdem kann eine Hilfsmittel-Verordnung als unwirtschaftlich gelten – das verursacht nicht nur Ärger mit der Krankenkasse, sondern unter Umständen auch erhebliche Kosten für die Solidargemeinschaft. Da jeder Euro im Gesundheitswesen nur einmal ausgegeben werden kann – fehlt er dann an anderer Stelle.

Prothese für 40.000 Euro?

So dramatisch kann es ja nicht sein, meinen Sie? Sehen wir uns ein konkretes Beispiel an. Eine Patientin bekam von ihrem Sanitätshaus folgenden Brief:

“Sehr geehrte Frau XY, wir schlagen Ihnen vor, sich von Ihrem Arzt eine Verordnung ausstellen zu lassen über: TF-Definitivprothese in Linertechnik mit flexiblem Innenschaft, 3C60 Kenevo Kniegelenk u. 1C30 Trias Fuß. Im beigefügten Rückumschlag können Sie uns die Verordnung zusenden.”

Können Sie beurteilen, ob diese Prothese bei der Patientin erforderlich ist? Offen gestanden, wir können es nicht. Nach unseren Recherchen kostet die genannte Prothese etwa 40.000 Euro, wohingegen das “Basis-Modell” um die 6.500 bis ca. 8.500 Euro liegt.

Wenn in diesem Fall die Krankenkasse nachfragt, wo der Mehrwert für die Patientin liegt und warum genau dieses Produkt verordnet wurde, ist dies gut nachvollziehbar. Gut begründen könnten wir von den “Rauchenden Köpfen” diese Verschreibung jedenfalls nicht. Das heißt nicht, dass die Versorgung mit diesem Produkt nicht sinnvoll wäre – wir können es nur schlicht nicht beurteilen!

Das ist beim Rezept anzugeben

Die Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (www.hausarzt.link/3fLGr) hilft zu klären, wie überhaupt verordnet werden soll. Dort steht, das Hilfsmittel soll “so eindeutig wie möglich” bezeichnet werden (Paragraf 7 Abs. 2). Das Hilfsmittelverzeichnis listet die Hilfsmittel auf. Hierzu dient ein zehnstelliger Code, beispielsweise18. 46. 03. 0.XXX. Das bedeutet im einzelnen:

  • 18. Produktgruppe (Kranken-/Behindertenfahrzeuge)
  • 46. Anwendungsort (Innenraum)
  • 03. Untergruppe (Duschrollstühle)
  • 0. Produktart (Duschrollstühle mit Greifreifen)
  • XXX Einzelprodukt mit Produktnamen und Herstellerangabe

Wichtig: Es reicht laut Hilfmittel-Richtlinie aus, wenn Ärztinnen und Ärzte siebenstellig kodieren, also sozusagen die Überschrift angeben: die Produktart.

Wenn Sie aus bestimmten Gründen ein konkretes Einzelprodukt auswählen möchten, dürfen Sie das. Dann sollten Sie aber auch wissen, warum Sie genau dieses Produkt verordnen und das inhaltlich begründen können. Vereinfacht gesagt: Warum muss es unbedingt Nutella® sein und nicht irgendeine Nussnougatcreme?

Produkt mit Kasse abstimmen

Wenn Sie auch die siebenstellige Auswahl mangels Fachkenntnis nicht treffen können (zum Beispiel bei Prothesen), sollte es in der Regel ausreichen, wenn Sie beispielsweise schreiben: “Oberschenkelprothese rechts, erforderlich nach Oberschenkelamputation”.

Wichtig: Diese Vorgehensweise findet sich so explizit zwar nicht in der Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Aus Erfahrung bestätigt dies aber unser Co-Autor Jens Etzold, der als Orthopädietechniker bei einer großen Krankenkasse in der Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung für Hilfsmittel beschäftigt ist.

Der Leistungserbringer untersucht dann den Patienten und stellt einen Kostenvoranschlag mit einer sinnvollen Versorgung zusammen. Dieser geht zusammen mit dem ärztlichen Rezept an die Krankenkasse. Diese prüft dann, ob die vorgeschlagene Versorgung zur Diagnose passt – aber auch zum Beispiel zum Mobilitätsgrad (siehe Kasten unten)!

Eine nahezu immobile Seniorin, die nach Amputation eine Prothese benötigt, um stabil sitzen und noch wenige Schritte in der Wohnung gehen zu können, benötigt natürlich ein anderes Produkt als die 25-jährige, sportlich ambitionierte Studentin, deren Prothese ganz andere Belastungen ermöglichen soll.

Rezeptieren, was beurteilbar ist

Die “Rauchenden Köpfe” empfehlen also für die Verordnung von Prothesen: Lassen Sie sich nicht nötigen, etwas zu unterschreiben, was Sie nicht beurteilen können!

Erstellen Sie die Verordnung so genau, wie Sie es können – zum Beispiel: “Eine Oberschenkel-Prothese, erforderlich bei Z.n. Oberschenkel-Amputation rechts, Mobilitätsgrad 2 (eingeschränkter Außenbereichsgeher), zur Wiederherstellung der Stehfähigkeit und eingeschränkten Gehfähigkeit”. Kreuz bei der “7” und fertig.

Alle weiteren Details soll der Leistungserbringer, der sich hiermit meist wesentlich besser auskennt als Ärztinnen und Ärzte, ausarbeiten und bei der Krankenkasse beantragen.

Hilfsmittelliste wird aktualisiert

Interessant zu wissen ist übrigens auch, dass das Hilfsmittelverzeichnis veraltet ist. Es wird fortwährend aktualisiert (“Fortschreibung”). Hier entstehen neue Untergruppen, es werden Produkte gestrichen und neue aufgenommen – allein im Bereich der Prothesen wurden rund 600 Seiten überarbeitet! Damit kennen Sie sich sicherlich detailliert aus als engagierte Hausärztin oder Hausarzt, oder? Falls ja: Chapeau!

Wir von den “Rauchenden Köpfen” jedenfalls nicht. Falls es Ihre Zeit zulässt, können Sie hier im Hilfsmittelverzeichnis nachschlagen: https://hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de/home.

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