MFA-Serie Teil 2Pluspunkt Ausbildung

Selbst auszubilden ist in Zeiten des Fachkräftemangels wichtiger denn je und wird zum Schlüssel für die Zukunftssicherung des eigenen Betriebs. Praktisches Wissen für ausbildungswillige Hausärztinnen und Hausärzte.

Auszubildende: Um ausbildungswillige Bewerberinnen konkurrieren Niedergelassene mittlerweile auch mit Kliniken.

Berufsanfängerinnen können sich heute aussuchen, in welcher Praxis sie arbeiten möchten. Um ausbildungswillige Bewerberinnen konkurrieren Niedergelassene mittlerweile auch mit Kliniken. Das macht sich bei den Bewerberzahlen bemerkbar. Und noch etwas ist anders als früher: “Heute müssen Hausärzte viel häufiger Absolventinnen mit niedrigem Bildungsabschluss einstellen, weil Mädchen mit besserem Abschluss sich oft anderweitig orientieren”, beobachtet Sybille Wackerle.

Die Oberstudienrätin begleitet als Fachbetreuerin für Medizinische Fachangestellte an der Berufsschule 2 in Rosenheim seit 15 Jahren Auszubildende und ausbildende Ärztinnen und Ärzte. “Eine Auszubildende kann für beide Seiten ein großer Gewinn sein”, sagt die Oberstudienrätin, die selbst zu Beginn ihrer Berufslaufbahn eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und Jahre in diesem Beruf gearbeitet hat. “Wenn Ausbilder über wichtige Rahmenbedingungen Bescheid wissen und Bewerberinnen mit Bedacht auswählen, läuft die Ausbildung oft völlig reibungslos.”

Worauf müssen ausbildungswillige Hausärzte achten?

Check 1: Gesetzliche Rahmenbedingungen

Herausforderung: “Ich stelle immer wieder fest, dass ausbildende Ärzte das Berufsbildungssystem nicht so gut kennen wie die akademische Laufbahn, die ihnen auf Grund ihres eigenen Werdegangs vertrauter ist”, sagt Sybille Wackerle.

Wichtig zu wissen: Beim Thema Ausbildung haben Hausärzte mit mehreren Anlaufstellen zu tun.

  • Wichtigste gesetzliche Grundlage ist das Berufsbildungsgesetz
  • Ansprechpartner für alle vertraglichen und prüfungsrelevanten Fragen sind die Landesärztekammern: Wann beginnt und endet der Vertrag, wann findet die Prüfung statt, unter welchen Voraussetzungen kann die Ausbildung verkürzt werden?
  • Ansprechpartner für den Lehrplan: Berufsschule
  • Ansprechpartner für praktische Inhalte: Landesärztekammer

Tipp: Rechtzeitig vor Ausbildungsstart um die Schultage kümmern. Bei manchen Berufsschulen können Wünsche angegeben werden. Informationen und Ansprechpartner stehen in der Regel auf der Homepage der Berufsschulen.

Während der Ausbildung müssen

  • Ausbilder dafür Sorge tragen, dass Auszubildende ihr Berichtsheft führen. Dieses muss verpflichtend am Ende der Ausbildung bei der Landesärztekammer vorgelegt werden sowie von Zeit zu Zeit im Betrieb. Das Berufsbildungsgesetz sieht vor, dass der Ausbildungsbetrieb der Auszubildenden ermöglicht, die Berichte während der Arbeitszeit in der Praxis zu verfassen. “Dafür muss der Arbeitgeber der Auszubildenden die Gelegenheit geben”, erläutert Sybille Wackerle.

Check 2: Passende Bewerberin finden

“Eine unserer Ausbilderinnen hat einmal ein Mädchen mit schwachen schulischen Leistungen eingestellt”, berichtet Sybille Wackerle. Grund: Das Mädchen habe sich nach einem heruntergefallenen Stift gebückt und diesen der Ärztin zurückgegeben. “Das hatte die Ausbilderin so selten erlebt, dass sie die Bewerberin eingestellt hat.”

Das Mädchen sei später übernommen worden, arbeite bis heute in der Praxis und sei bei den Patienten äußerst beliebt, sagt Sybille Wackerle. “Viele Auszubildende durchlaufen eine erstaunliche Metamorphose. Beim Ausbildungsbeginn sind sie noch halbe Kinder und entwickeln sich in der Zeit zu tollen Persönlichkeiten, die gerne in den Betrieb übernommen werden.”

Darauf sollten einstellungswillige Hausärzte achten

Nicht allein auf die Noten schauen. “Diese halte ich für gar nicht so entscheidend”, sagt Sybille Wackerle. “Es gibt Mädchen gerade an den Mittelschulen, die einfach nicht gern zur Schule gehen. Das spiegelt sich in den Noten wider. Manche blühen in einer Ausbildung regelrecht auf und fangen an zu lernen, wenn sie sich für die Inhalte wirklich interessieren. Sie erzielen Ergebnisse, die man von den Schulnoten her nicht erwartet hätte.”

Die Entscheidung nicht alleine treffen, sondern gemeinsam mit den Angestellten. Wichtig ist die Frage: Wie gut passt die Auszubildende ins Team?

  • Nicht nur die Auszubildende, sondern auch deren Elternhaus im Blick haben. Die meisten Mädchen, die in eine Ausbildung starten, sind minderjährig und auf eine gewisse Unterstützung seitens der Eltern angewiesen. “Wenn diese Unterstützung nicht gegeben ist, wird der Ausbilder oder die Ausbilderin oft zum zweiten Elternhaus”, sagt Sybille Wackerle. “Das muss ihm oder ihr klar sein.”
  • Motivation der Bewerberin prüfen. Will sie den Beruf wirklich lernen oder hat sie sich nur beworben, weil sich ihre Freundinnen für diesen Beruf entschieden haben?
  • Sozialverhalten der Bewerberin beobachten. “Sagt sie bitte, sagt sie danke? Das sind Benimmregeln, die gut zeigen, wie sich das Mädchen insgesamt im Leben stellt”, gibt Sybille Wackerle zu bedenken.
  • Auf das eigene Bauchgefühl achten: Teilt sie die Einstellung zur Arbeit? Kann ich mich auf sie verlassen? Integriert sie sich gut ins Team oder gibt es zwischenmenschliche Probleme mit den Kolleginnen?

Wichtig zu wissen: Grundsätzlich kann das ganze Jahr über eingestellt werden. Die Berufsschule muss jeden Auszubildenden aufnehmen, der einen Ausbildungsvertrag hat, egal zu welchem Zeitpunkt dieser seine Lehre beginnt. Für die Prüfung gibt es Stichtage. Diese sind bei den Landesärztekammern zu erfragen.

Check 3: Probezeit

“Wir hatten schon Ausbildende, bei denen ich in der Berufsschule ein ungutes Gefühl hatte”, erinnert sich Sybille Wackerle. “Kurz nach Ablauf der Probezeit meldete sich der Ausbilder und teilte mir mit, dass man sich von der Auszubildenden trennen wolle. Dies ist fast unmöglich.”

Wichtig zu wissen: Das Ausbildungsverhältnis kann nur in der Probezeit einfach gekündigt werden. Nach Ablauf der Probezeit ist eine Kündigung nur noch wegen gravierendem Fehlverhalten möglich. “Eine Auszubildende ist quasi unkündbar”, sagt Sybille Wackerle.

Tipp: Auszubildende während der Probezeit genau beobachten.

  • Erscheint sie pünktlich, erledigt sie Arbeitsaufträge gewissenhaft?
  • Pflegt sie einen höflichen Umgang mit den Patienten?
  • Passt sie wirklich ins Team?
  • Engagiert sie sich schulisch? “Hier dürfen Arbeitgeber gerne in der Berufsschule anrufen und nachfragen”, empfiehlt Sybille Wackerle.

Check 4: Abschlussprüfung

In der Regel nach drei Jahren absolvieren die Auszubildenden die Abschlussprüfung zur Medizinischen Fachangestellten. Bei Nichtbestehen darf diese zwei Mal wiederholt werden. Wie können Ausbilder die Ausbildungszeit sinnvoll begleiten?

  • Grundsätzlich Interesse an der Schulzeit signalisieren
  • Regelmäßig fragen, welche Inhalte in der Schule aktuell sind
  • Notenbild zeigen lassen, gegebenenfalls Lernunterstützung, zum Beispiel im MFA-Team, organisieren

Wichtig zu wissen: Auszubildende, die durchfallen, dürfen nicht gekündigt werden. Der Prüfling muss zwar nach Nichtbestehen einen Antrag auf Weiterbeschäftigung stellen. Diesem Antrag muss der Arbeit-geber aber stattgeben, er darf ihn nicht ablehnen. Die Prüfung darf zwei Mal wiederholt werden, der Vertrag verlängert sich also nach Antrag seitens der Auszubildenden automatisch um ein halbes Jahr.

Check 5: Sprachkompetenz

“Es ist toll, wenn sich Hausärzte engagieren und Auszubildende mit mangelnden Deutschkenntnissen einstellen”, betont Sybille Wackerle. “Es ist aber wichtig, dass die Ausbilder sich anschließend mit darum kümmern, dass die Deutschkenntnisse erworben werden.”

Was können Hausärzte tun?

  • Förderangebote für die Auszubildenden eruieren. Oft gibt es ehrenamtliche Initiativen vor Ort, die Menschen mit Migrationshintergrund mit Sprach- Partnern zusammenbringen.
  • Auszubildende für Aufgaben einteilen, bei denen sie Deutsch sprechen müssen.
  • Mit der Berufsschule in Kontakt treten, um Unterstützung zu eruieren.

Fazit

Ausbildung ist immer eine Investition in die Zukunft. Mit ausreichend Hintergrundwissen lassen sich Herausforderungen gut meistern. Mit der Zeit wächst die Erfahrung. “Wir haben Praxen, die seit Jahren nur hervorragende Auszubildende haben. Engagement zahlt sich aus”, sagt Sybille Wackerle.

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