Berlin. Vor allem auf die Anbieter von Praxissoftware und Diensten der Telematikinfrastruktur wird der Druck erhöht. Denn viele Maßnahmen im Entwurf für das Digitalagenturgesetz zielen darauf digitale Anwendungen in den Praxen zu erleichtern. Im Grundsatz begrüßt daher der Hausärztinnen- und Hausärzteverband auch diese Pläne, wie er in seiner Stellungnahme vom Freitag (7.6.) verdeutlicht.
„Die PVS-Hersteller müssen endlich stärker an die Kandare genommen werden. Viele der Systeme sind inzwischen schlichtweg Digitalisierungsverhinderer, die mit veralteter Technik und Knebelverträgen dafür sorgen, dass es Hausärztinnen und Hausärzten de facto unmöglich gemacht wird, sinnvolle Digitalisierungstools in ihren Praxen zu nutzen“, sagte Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier gegenüber „Der Hausarzt“.
Strafe, wenn PVS-Wechsel Zusatzkosten verursacht
Laut Gesetzentwurf soll ein Wechsel der Praxisverwaltungssoftware (PVS) für Ärztinnen und Ärzte künftig reibungslos möglich werden. Bislang schrecken viele vor einer solchen Veränderung zurück, weil dies in der Regel sehr aufwändig ist und nicht immer die Datenübertragung gewährleistet wird, weil etwa die Daten nicht interoperabel zur Verfügung gestellt werden.
Hier will Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) mehr Druck aufbauen: Klappt der Wechsel nicht bzw. entstehen Praxen dadurch Kosten, sollen die IT-Anbieter den Ärztinnen und Ärzten dafür Schadenersatz zahlen müssen. Erstattet werden sollen dann die tatsächlichen Kosten zum Beispiel für externe Dienstleister zur Datenmigration, -archivierung oder Übertragung in eine Cloud.
Der Verband begrüßt das. Beier weist aber darauf hin, dass es darauf ankommt, wie dies am Ende praktisch gelebt wird. „Erfahrungsgemäß sind viele Hersteller sehr gut darin, sich aus der Verantwortung zu winden. Die Kolleginnen und Kollegen können aber im dicht getackerten Praxisalltag nicht auch noch den Herstellern hinterherrennen, um beispielweise die Entschädigungszahlungen einzufordern. Hier braucht es klar definierte und praxistaugliche Prozesse, wie das organisiert wird“, betont der Bundesvorsitzende.
Zudem sollte der Gesetzentwurf regeln, dass es künftig auch Schadenersatz gibt, wenn Ärztinnen und Ärzte infolge von TI-Störungen Zusatzkosten entstehen, fordert der Verband.
Nutzerfreundlichkeit von PVS wird zertifiziert
Darüber hinaus sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen die Praxisteams hinsichtlich eines PVS-Wechsels beraten können. Und es soll Vergleiche geben können, beispielsweise die Nutzerfreundlichkeit oder Kosten der Systeme betreffend. Die Gematik soll zudem die Nutzerfreundlichkeit der PVS zertifizieren.
Ein wichtiger Punkt sollte im Gesetzesverfahren noch eingearbeitet werden, macht der Verband deutlich. „Bisher ist es leider häufig so, dass Innovationen an der Weigerung großer Hersteller scheitern, ihre Schnittstellen für externe Anbieter zu öffnen. Die Folge ist, dass viele sinnvolle Anwendungen nicht den Weg in die Praxen finden können“, erklärt Beier. „Hier braucht es klare gesetzliche Regeln. Dieser Punkt fehlt im Gesetz bisher komplett.“
Sanktionen auch für TI-Anbieter
Ebenso soll die Leine für Anbieter von Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) kürzer werden, wenn diese Vorgaben der Gematik nicht umsetzen. Dies soll die Gematik künftig mit Bußgeldern ahnden können. Bislang blieb ihr als einzige Option, die Zulassung zu entziehen, was sich in der Realität als nicht praktikabel herausgestellt hat, weil ein Entzug der Zulassung Praxisteams meist auch nicht hilft, erklärte Dr. Florian Hartge, Interims-Geschäftsführer der Gematik, kürzlich gegenüber „Der Hausarzt“.
Die dafür vorgesehene Obergrenze von 25.000 Euro hält der Hausärztinnen- und Hausärzteverband allerdings für zu gering. Diese sollte eher auf bis zu 50.000 Euro verdoppelt werden, schlägt er vor. Außerdem sollten die Sanktionen für Ärztinnen und Ärzte endlich gestrichen werden.
TI-Anwendungen sollen stabiler laufen
Mit dem Gesetz soll die Gematik zu einer Digitalagentur weiterentwickelt werden. Sie soll an vielen Stellen mehr Kompetenzen erhalten, etwa bei der Kontrolle der Interoperabilität und anderer Eigenschaften, die sie dann als verpflichtend für die Dienste definiert. Dies soll dazu führen, dass die verschiedenen Systeme nicht nur technisch miteinander kommunizieren können, „sondern auch bestimmungsgemäß in der Praxis von Anwendern nutzbar sind“.
Vereinfacht gesagt: Praxen sollen nur noch Systeme angeboten bekommen können, die so leistungsstark sind, dass TI-Anwendungen stabil laufen. Für Praxen sollen diese Eigenschaften anhand eines Zertifikats transparent werden, das dann online bei der Gematik einzusehen ist.
Dienste, die zentral und nur einmal nötig sind für die TI, soll die Gematik künftig sogar selbst entwickeln und betreiben können. Sie kann dafür aber auch nach dem „kontrollierten Marktmodell“ an Drittanbieter ausschreiben. Dieser Schritt soll die Stabilität der TI insgesamt steigern und die Komplexität senken, heißt es im Entwurf. Bei einer zentralen Vergabe muss die Gematik aber die Zustimmung des Bundesgesundheitsministerium einholen. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband hofft, dass dies die Anwendungen positiv beeinflusst. Er weist aber darauf hin, dass das neue Vergabemodell nicht dazu führen darf, dass sich Prozesse verzögern oder bürokratische Hürden für Hausarztpraxen aufgebaut werden.
Angesichts der zunehmenden Kompetenzen für die Gematik betont der Verband, sei es wichtig, dass die ärztlichen Leistungserbringer unter den Gematik-Gesellschaftern angemessen berücksichtigt werden. Schließlich bleibe das Ministerium Mehrheitsgesellschafter.
E-PA und Co werden weiterentwickelt
Auch weiterentwickeln soll die Gematik das Konzept der elektronischen Patientenakte (E-PA). Bis 1. Juli 2026 soll dazu der Plan hin zu einem persönlichen Gesundheitsdatenraum vorliegen.
Der GKV-Spitzenverband soll mit dem Bundesarbeitsministerium einen Vorschlag erarbeiten, ob und wie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung samt des Arbeitgebernachweises komplett elektronisch in der E-PA abgebildet werden kann. Hierzu sollten auch ärztliche Spitzenorganisationen Stellung nehmen können, betont der Hausärztinnen- und Hausärzteverband.
Schnittstelle für Abrechnungsdaten
Darüber hinaus soll die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Stammdaten der Gebührenordnung und andere Abrechnungsverträge per einheitlicher Schnittstelle bereitstellen. Bisher ist dies eine Webplattform, was mitunter die Einbindung erschwere, heißt es.