DeutschesArztPortalLieferengpässe: Apotheke und Praxis als Team

Lieferengpässe von Arzneimitteln sind für alle Beteiligten ein Ärgernis im Alltag. Welche Möglichkeiten für Apotheken bestehen, wann eine Arztrücksprache nötig wird und was Hausärztinnen und Hausärzte bei der Verordnung vorsorglich beachten sollten: ein Überblick.

Zum Problem wird, wenn aus einer kurzen Nichtverfügbarkeit ein längerer Lieferengpass wird - ohne Alternativen.

Lieferengpässe sind im Praxisalltag von Hausärztinnen und Hausärzten ein häufig anzutreffendes Ärgernis. Das hat bereits 2022 eine Umfrage des DeutschenArztPortals ergeben [1]. Und eine aktuelle Umfrage (n = 329) zeigt, dass sich die Situation in der Zwischenzeit nicht verbessert hat (siehe Abbildung unten) [2].

Ein Lieferengpass ist laut des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) definiert als “eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann” [3].

Ist ein bestimmtes Arzneimittel kurzfristig nicht lieferbar, so stellt dies meist kein größeres Problem dar. In vielen Fällen kann die Apotheke eine wirkstoffgleiche Alternative für das verordnete Arzneimittel finden.

Problematisch wird es, wenn aus einer kurzfristigen Nichtverfügbarkeit ein länger andauernder Lieferengpass wird und es zudem keine wirkstoffgleichen Alternativen gibt. Dann kann aus einem Lieferengpass schnell ein Versorgungsmangel entstehen.

Lieferengpässe können unterschiedliche Gründe haben (“Der Hausarzt” 15/22 oder www.hausarzt.link/nk18f). Das BfArM nennt als einen häufigen Auslöser Produktionsprobleme, zum Beispiel wenn Herstellungsprozesse aufgrund von Qualitätsproblemen umgestellt werden, Ware nicht freigegeben werden kann oder wegen einer gestiegenen Nachfrage die Kapazitäten erhöht werden müssen.

Besonders bei Wirkstoffen, bei denen es nur wenige Hersteller gibt, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich ein Lieferengpass zu einem Versorgungsmangel entwickeln kann [3].

Welche Möglichkeiten hat die Apotheke bei Lieferengpässen?

Wird ein Rezept in der Apotheke eingereicht, erfährt diese spätestens beim Bestellvorgang, wenn das benötigte Arzneimittel nicht lieferbar ist. In vielen Fällen kann die Apotheke dann ohne Arztrücksprache eine aut-idem-konforme Alternative suchen und abgeben. Doch es gibt auch Fälle, in denen vor der Arzneimittelabgabe eine Rücksprache oder sogar ein neues Rezept erforderlich ist.

Wichtig: Eine aut-idem-konforme Alternative muss nach den vertraglichen Vorgaben folgende Voraussetzungen erfüllen [4]:

  • gleicher Wirkstoff
  • identische Wirkstärke
  • identische Packungsgröße
  • gleiche oder austauschbare Darreichungsform
  • Zulassung für ein gleiches Anwendungsgebiet

Wie geht die Apotheke dabei vor? Nach wie vor muss sich die Apotheke bei der Auswahl des abzugebenden Arzneimittels an eine vertraglich vorgegebene Abgaberangfolge halten. Wichtigste Regel dabei ist: Arzneimittel mit Rabattvertrag sind vorrangig abzugeben. Gibt es keinen Rabattvertrag oder sind die Rabattarzneimittel nicht verfügbar, muss – sofern Generika im Markt sind – nach preisgünstigen Alternativen gesucht werden.

Das abgegebene Präparat darf dabei nicht teurer sein als das verordnete. Kann sich die Apotheke nicht an diese “Grundregeln” halten, weil kein entsprechendes Arzneimittel lieferbar ist, muss dies auf dem Rezept dokumentiert werden.

Während der Corona-Pandemie wurden für Apotheken einige Abgabeerleichterungen vereinbart, die zu einer möglichst zeitnahen und kontaktarmen Arzneimittelversorgung beitragen sollten. Die entsprechende Rechtsverordnung ist inzwischen zwar ausgelaufen, einige der Erleichterungen wurden aber dauerhaft in das SGB V übernommen, um die Versorgung auch bei Lieferengpässen bestmöglich zu gewährleisten.

Demnach kann die Apotheke auch ohne Arztrücksprache eine andere Packungsgröße abgeben, die Packungsanzahl ändern, Teilmengen aus einer größeren Packung abgeben oder von der Wirkstärke abweichen, wenn das abzugebende Arzneimittel nicht lieferbar ist.

Die Gesamtmenge des verordneten Wirkstoffes darf dabei nicht überschritten werden. [5] Es muss zudem in einem Beratungsgespräch sichergestellt werden, dass die Patientin oder der Patient verstanden hat, was es mit dem ggf. von seiner bekannten Medikation abweichenden Arzneimittel auf sich hat und wie es korrekt eingenommen wird.

Beispiel aus dem Alltag: Die Apotheke kann ohne Rücksprache anstelle einer 100er-Packung zwei 50er-Packungen oder anstelle von 50 Tabletten zu 20 mg Wirkstoff 100 Tabletten mit 10 mg abgeben.

Wann ist ein neues Rezept erforderlich?

Während der Pandemie bestand für Apotheken zudem die Möglichkeit, nach ärztlicher Rücksprache ein Aut-simile-Präparat, also ein pharmakologisch-therapeutisch gleichwertiges Arzneimittel mit einem anderen Wirkstoff, abzugeben, ohne dass ein neues Rezept erforderlich war.

Diese Möglichkeit besteht nach den Vorgaben des SGB V aktuell nicht mehr. Kann die Apotheke unter Berücksichtigung der beschriebenen Möglichkeiten keine lieferbare wirkstoffgleiche Alternative zur Patientenversorgung finden, so muss eine Arztrücksprache gehalten und ein neues Rezept über ein anderes Arzneimittel ausgestellt werden.*

Wichtig in der Praxis: In diesem Fall ist eine Dokumentation der Verordnungsentscheidung in der Patientenakte empfehlenswert.

Auch ein gesetztes Aut-idem-Kreuz bei Lieferschwierigkeiten des verordneten Mittels kann dazu führen, dass ein neues Rezept erforderlich wird. Mit dem Ankreuzen des Aut-idem-Feldes wird deutlich gemacht, dass ausschließlich das konkret verordnete Arzneimittel abgegeben werden darf. Ist dieses dann nicht lieferbar, so hat die Apotheke keine Möglichkeit der alternativen Patientenversorgung.* Die Ausstellung eines neuen Rezeptes ist dann notwendig.

Gleiches gilt für Verordnungen von Wirkstoffen der Substitutionsausschlussliste, denn auch hier ist der Apotheke ein Austausch des konkret verordneten Arzneimittels gegen eine wirkstoffgleiche Alternative grundsätzlich nicht erlaubt.

Ausnahmen gibt es für Apotheken lediglich bei Kinderarzneimitteln, die auf der Dringlichkeitsliste des BfArM stehen. Sind diese nicht lieferbar, hat die Apotheke erweiterte Austauschmöglichkeiten – auch ohne ärztliche Rücksprache und ohne neues Rezept. [6]

Regresse: Lieferengpässe sollen das Risiko nicht erhöhen

Lieferengpässe können sich auf das Verordnungsverhalten einer Arztpraxis und die Patientenversorgung auswirken. Sie können auch dazu führen, dass die Verordnungskosten einer Praxis steigen und vereinbarte Wirtschaftlichkeitsziele nicht eingehalten werden können.

Bereits im April 2023 haben sich der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) darauf geeinigt, dass die Auswirkungen von Lieferengpässen bei Arzneimitteln in Wirtschaftlichkeitsprüfungen gesondert berücksichtigt werden sollen.

Dies betrifft allerdings ausschließlich Arzneimittel, die auf der Lieferengpass-Liste des BfArM stehen (s. Kasten). [7] Ähnliche Regelungen sind auch für bestimmte nicht lieferbare Kinderarzneimittel geplant [6].

Darüber hinaus gibt es in einigen KV-Regionen Zusagen, dass erhöhte Verordnungskosten im Zusammenhang mit Lieferengpässen beobachtet werden sollen. In Baden-Württemberg gilt dies zum Beispiel auch für Arzneimittel außerhalb der BfArM-Liste.

Hier soll engmaschig kontrolliert werden, ob die Lieferengpässe und damit verbundene höhere Arzneimittelkosten zu einem Anpassungsbedarf innerhalb der Richtwertsystematik führen. [8]

Besondere Lage: Versorgungsmangel

Wird ein offizieller Versorgungsmangel festgestellt, regelt das Arzneimittelgesetz, dass weitergehende Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung von den Behörden eingeleitet werden können. So kann zum Beispiel das befristete Inverkehrbringen von Arzneimitteln aus dem Ausland durch die zuständigen Behörden gestattet werden.

Diese Arzneimittel haben dann unter Umständen eine Kennzeichnung in einer anderen als der deutschen Sprache. [9]

Fazit

  • Im Fall eines Lieferengpasses haben Apotheken Spielraum, eigenständig eine Alternative zum verordneten Arzneimittel abzugeben.
  • Ist dies nicht möglich, wird die Rücksprache mit der Arztpraxis und ein neues Rezept nötig. In diesem Fall ist eine Dokumentation der Verordnungsentscheidung in der Patientenakte empfehlenswert.
  • Wird aus dem Lieferengpass auch ein Versorgungsmangel, werden seitens der Behörden weitere Maßnahmen ergriffen.
  • Verschiedene gesetzliche Maßnahmen sollten Lieferengpässen zuletzt den Kampf ansagen. Ob sich die Situation dadurch kurzfristig verbessern wird, bleibt aber fraglich.

* Ausnahmen in Regionallieferverträgen sind möglich!

Quellen:

  1. Arztumfrage im Praxis-Newsletter des DeutschenArztPortals vom 22.11.2022 bis 27.11.2022
  2. Arztumfrage im Praxis-Newsletter des DeutschenArztPortals vom 28.11.2023 bis 03.12.2023
  3. Informationen des BfArM unter https://www.bfarm.de/DE/Aktuelles/Schwerpunktthemen/Lieferengpaesse/_node.html, zuletzt aufgerufen am 14.02.2024
  4. § 9 Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V
  5. § 129 Abs. 2a SGB V  
  6. Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG), https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/pflegestudiumstaerkungsgesetz-pflstudstg.html, zuletzt aufgerufen am 14.02.2024
  7. Meldung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 06.04.2023 (abrufbar unter https://www.kbv.de/html/1150_63123.php)
  8. Meldung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 20.06.2023 (abrufbar unter https://www.kvbawue.de/kvbw/aktuelles/news-artikel/lieferengpaesse-bei-medikamenten-erweiterte-austauschregeln
  9. Informationen des BfArM unter https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Lieferengpaesse/Massnahmen-des-BfArM/_node.html, zuletzt aufgerufen am 14.02.2024
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