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Aktuelle StudieDeutschland: Jeder Zehnte stirbt mechanisch beatmet

In deutschen Kliniken werden vergleichsweise viele Menschen beatmet, gleichzeitig ist die Krankenhaussterblichkeit dieser Patientinnen und Patienten sehr hoch. Warum ist das so - und lässt sich daran etwas ändern?

Ein Patient wird in einer Klinik mechanisch beatmet.

Köln. Mehr als jeder zehnte Mensch in Deutschland stirbt einer Studie zufolge mechanisch beatmet im Krankenhaus. Das berichtet ein Forschungsteam um den Intensivmediziner Professor Christian Karagiannidis von der Lungenklinik Köln-Merheim im Fachblatt “The Lancet Regional Health – Europe”.

Das Forschungsteam wertete Daten von mehr als einer Million Erwachsenen aus, die zwischen 2019 und 2022 in 1.395 deutschen Kliniken beatmet wurden – also auch während der Covid-19-Pandemie. Mehr als 43 Prozent der Beatmeten starben im Krankenhaus.

Dabei zeigte sich ein Anstieg der Krankenhausmortalität mit dem Alter: Sie lag bei 27,6 Prozent bei den 18- bis 59-Jährigen und 59,0 Prozent bei den über 80-Jährigen. Zudem zeigten sich Unterschiede bei Menschen mit und ohne Covid-19: Die Krankenhausmortalität lag hier bei 53,7 versus 42,6 Prozent.

Den Anteil dieser Toten an der Gesamtzahl der Verstorbenen im Studienzeitraum berechnete das Team anhand von Daten des Statistischen Bundesamts: Zwischen 2019 und 2022 starben in Deutschland pro Jahr jeweils rund eine Million Menschen. Rund elf Prozent von ihnen starben den Berechnungen des Teams zufolge, während sie mechanisch beatmet wurden.

Häufigste Ursachen für die Beatmungen waren Herzerkrankungen, virale und bakterielle Pneumonien, Bronchitis, COPD, Asthma und zerebrovaskuläre Erkrankungen wie etwa Schlaganfälle. Die Zahlen seien auch nach der Pandemie stabil geblieben, sagte Mitautor Professor Wolfram Windisch, ebenfalls von der Lungenklinik Köln-Merheim, der Deutschen Presse-Agentur.

“Mechanische Beatmung war vor, während und nach der Covid-19-Pandemie in Deutschland weit verbreitet”,  heißt es in der Publikation. Laut Windisch wurde im Untersuchungszeitraum in der Altersgruppe über 80 Jahren pro Jahr weit mehr als 1.000 Menschen pro 100.000 Einwohner beatmet. Dennoch sei die Sterblichkeit in dieser Gruppe mit 59 Prozent sehr hoch und übertreffe die bisher bekannten Daten bei weitem.

Zum Vergleich: In England werden in der gleichen Altersgruppe der Studie zufolge etwa 200 Menschen pro 100.000 Einwohner beatmet, in Kanada 700.  “Wir haben zusammen mit den USA die größte Neigung dazu, am Lebensende und bei hochaltrigen Patienten sehr viel Beatmungstherapie durchzuführen”, sagte Karagiannidis.

Windisch, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) ist, betonte in einer DGP-Mitteilung: “Friedlich zuhause sterben ist für viele Menschen nicht mehr die Realität – sie liegen oftmals in den Kliniken.”

Werden also insbesondere alte Menschen in Deutschland übertherapiert? “Diese Frage kann die Studie nicht beantworten”, so Windisch. Mögliche Faktoren könnten auch sein, dass es in Deutschland besonders viele Menschen mit chronischen Krankheiten gebe, etwa wegen des hohen Tabakkonsums.

Klar ist laut Windisch: Patienten zu beatmen, bringt in Deutschland Geld in die Kliniken. Deswegen könnten auch ökonomische Gründe durchaus eine Rolle spielen. “Wir haben ein System, in dem jede Klinik alles machen kann”, sagte er. “Unsere Studie soll einen gesellschaftlichen Diskurs dazu anstoßen – auch mit Blick auf die Krankenhausreform.”

dpa/red

 

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