Entscheidend ist die Früherkennung
Die Demenz und der Morbus Parkinson sind die häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Beide Krankheitsbilder verbindet, dass die Prävalenzen steigen und zwar stärker als allein die demografische Entwicklung es erklären könnte.
Bis zum Jahr 2050 wird eine Verdopplung der Betroffenen vorausgesagt. Beide Erkrankungen beginnen Jahre bis Jahrzehnte bevor die ersten Symptome auftreten. “Das, was man allgemein unter der Krankheit Demenz versteht, ist bereits das Endstadium eines langsamen aber stetigen Abbauprozesses von Nervenzellen” so Prof. Dr. Michael Heneka, Luxemburg. Die Alzheimer-Erkrankung sei also keine Alterserkrankung.
Dies erklärt die Tatsache, dass Therapien nicht mehr greifen, wenn bereits Symptome vorliegen und der Zustand des Patienten sich zunehmend verschlechtert. “Denn je früher die Therapie und die Sekundärprävention beginnen, desto erfolgversprechender sind sie”, so Heneka.
Doch die Crux sei, dass bisher verlässliche Früherkennungstests für neurodegenerative Erkrankungen nicht zu Verfügung stünden, so dass die Diagnose erst anhand der klinischen Symptome und damit im höheren Alter erfolgt.
Doch hier zeichnen sich ganz neue Möglichkeiten ab. In der Entwicklung sind derzeit Bluttests, mit denen eine Früherkennung sowohl beim M. Alzheimer als auch beim M. Parkinson möglich wird und die in wenigen Jahren Eingang in die klinische Routine finden werden.
“Damit hat man die Möglichkeit, diese Erkrankungen bereits in frühen Stadien zu diagnostizieren und früher in die Erkrankungskaskade einzugreifen und somit effektiver zu bekämpfen” so Prof. Dr. Daniela Berg, Kiel. Diese neuen Möglichkeiten der Frühdia-gnostik und Therapie werfen aber gesellschaftliche Fragen auf: Sollte man auf neurodegenerative Erkrankungen screenen und wenn ja, ab welchem Alter?
Neue Therapien in Sicht
Die Erforschung neuer Therapieoptionen verläuft rasant. “Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung therapeutischer monoklonaler Antikörper zur Bekämpfung pathologischer Proteinaggregate im Gehirn”, erläuterte Prof. Dr. Günter Höglinger, München. Zwei dieser Substanzen – Lecanemab und Donamemab – stehen vor der Zulassung.
Vielversprechend sind auch Therapeutika, die an molekulargenetischen Prozessen bzw. genetischen Faktoren angreifen, was Möglichkeiten für eine personalisierte Therapie eröffnet. Therapieziele dabei sind die mRNA von an den jeweiligen Erkrankungen beteiligten Genen. So kann die Expression pathologischer Protein-Isoformen unterdrückt werden.
Die sogenannten Translationsinhibitoren greifen direkt in die Biosynthese der aggregierenden Proteine ein und verhindern deren Produktion. “Angesichts dieser Forschungsaktivitäten ist zu hoffen, dass Alzheimer und Parkinson in den nächsten zehn Jahren, wenn auch nicht heilbar, zumindest aber beherrschbar werden”, so Höglinger.
M. Parkinson: Welche Rolle spielt die Umwelt?
Seit Jahren mehren sich die Hinweise dafür, dass bei der Entstehung der Parkinson-Krankheit auch Umweltfaktoren, insbesondere Schadstoffe und Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Dass Partikelschadstoffe aus der Luft und andere Umwelttoxine sich auf das Nervensystem auswirken, ist unumstritten.
Die Folgen bei akuten Vergiftungen zeigen sich oft direkt, wohingegen langfristige Folgeschäden sich nur schwer auf eine bestimmte Ursache zurückführen lassen. Dennoch wurden bereits viele kausale Zusammenhänge zwischen jahrzehntelangen, z.B. berufsbedingten Schadstoffexpositionen und entsprechenden Spätfolgen identifiziert und anerkannt.
Seit längerer Zeit wird die Rolle des industriellen Lösungsmittels Trichlorethylen (TCE) bei der Entstehung des Morbus Parkinson diskutiert. In einer großen Kohortenstudie fand sich ein um 70 Prozent erhöhtes Parkinson-Risiko bei Personen, die einer TCE-Verunreinigung des Trinkwassers ausgesetzt waren (Goldmann SM et al., JAMA Neurol 2023 May 15).
Auch Pestizide stehen in dem Verdacht, das Erkrankungsrisiko zu erhöhen. Gleiches gilt für Glyphosat, welches zu Veränderungen der Neuromitter-Konzentrationen im Nervensystem führt und zu einem zellschädlichen Milieu beiträgt. “All diese Studien geben Hinweise, dass Umwelttoxine die Parkinson-Inzidenz erhöhen können, was eine Erklärung für den überproportionalen Anstieg sein kann”, so Prof. Dr. Daniela Berg, Kiel.
Prävention: Was ist gesichert?
Beim M. Parkinson sind Effekte der präventiven Maßnahmen in allen Erkrankungsphasen (asymptomatische, prodromale, manifeste Phase) nachweisbar. “Eine beeindruckende Datenlage gibt es zu den Aspekten Ernährung, Schlaf sowie körperliche Aktivität”, so Dr. Eva Schäffer, Kiel.
Vor allem für körperliche Aktivität konnten positive Auswirkungen auf das Risiko und die Symptome nachgewiesen werden. Dazu gehören Laufen, Tanzen, traditionelle chinesische Kampfsportarten, Yoga und Krafttraining.
Die körperliche Aktivität verbesserte insgesamt die motorische Leistungsfähigkeit einschließlich Kraft, Gleichgewicht und Flexibilität. Auch wurden positive Effekte auf die nicht-motorischen Symptome wie autonome Dysfunktion und Depression gezeigt.
Doch auf welchen pathophysiologischen Mechanismen beruht die präventive Wirkung von Sport? “Die günstigen Wirkungen werden durch verschiedene Mechanismen vermittelt und sind teilweise abhängig von der Intensität der Aktivitäten”, so Schäffer. So kann bereits eine leichte körperliche Aktivität die Inflammation und den oxidativen Stress reduzieren und die Funktion der Mitochondrien verbessern.
Solche positiven Effekte sind vor allem in der Muskulatur, dem Herzen und im Blut nachweisbar. So nimmt die Konzentration inflammatorischer Zytokine ab und der Blutfluss wird gesteigert. Darüberhinaus kommt es auch zu einer besseren Regulation autonomer Funktionen und einer besseren Schlafqualität. “Das Zusammenspiel von sympathischem und parasympathischem Nervensystem wird positiv beeinflusst”, so Schäffer.
Auch bei dementiellen Erkrankungen spielt die Prävention eine große Rolle. Insgesamt könnten 35 Prozent aller Demenzen durch einen gesunden Lebensstil und die Korrektur der verschiedenen Risikofaktoren verhindert werden. Als Risikofaktoren gelten zu wenig Bewegung, schlechte Ernährung, Abnahme der Hörfähigkeit, Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen, Diabetes mellitus und geringer sozialer Kontakt.
Bezüglich der Ernährung wird eine salz- und fettarme Kost in Form einer MIND-Diät, einer Kombination aus mediterraner Ernährung und der DASH-Diät, propagiert. “Da sowohl der M. Parkinson als auch die Demenz bereits viele Jahre bevor die klinischen Symptome auftreten beginnt, sollte die wertvolle Zeit für Präventionsmaßnahmen genutzt werden”, so Schäffer.