Ökologische Probleme beeinflussen die Psyche
Der Klimawandel, die zunehmende Urbanisierung, der Artenverlust, die Wetterextreme – diese Entwicklungen und die daraus resultierenden komplexen Beziehungen haben tiefgreifende Folgen für die Psyche, ja sie prägen die psychische Gesundheit maßgeblich. “Die Auswirkungen von extremen Wetterereignissen auf die Psyche sind gut belegt”, so Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Mannheim.
Nach dem verheerenden Hurricane Katrina in den USA litt 30 Tage nach dem Ereignis etwa die Hälfte der Bewohner von New Orleans an einer Depression oder Angststörung, viele berichteten auch über Suizidgedanken. Drei Jahre später wies fast jeder Dritte Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung auf.
Auch ein Zusammenhang zwischen Hitze und psychischen Symptomen ist nachweisbar. “Wenn wir die Folgen des Klimawandels erfolgreich reduzieren, hilft das nicht nur dem Klima sondern auch der Psyche”, so Meyer-Lindenberg.
Städtischer Stress macht krank
Auch das Umfeld, in dem wir uns täglich bewegen, hat einen starken Einfluss auf unser Wohlbefinden. “Bei Menschen, die in einer Stadt wohnen, ist das Risiko, eine Angsterkrankung oder Depression zu entwickeln, um 20 bis 40 Prozent höher”, so Prof. Dr. Heike Tost, Mannheim.
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Grünflächen und Artenvielfalt einen günstigen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden entfalten. Ursächlich wird diskutiert, dass der mit dem Stadtleben assoziierte Stress zu einer starken Aktivierung der Amygdala führt.
Ein stressreiches Leben während der Kindheit schwächt die Entwicklung derjenigen biologischen Systeme im Gehirn, die mit der Bewältigung von Stress betraut sind. Infolgedessen kann das Gehirn im späteren Leben weniger gut mit akut auftretendem Stress umgehen.
Der städtische Stress in der Kindheit hinterlässt also eine Spur im Gehirn, die im Erwachsenenalter anfälliger macht, bei erneut auftretendem starkem Stress ungünstig zu reagieren und eine psychische Erkrankung wie eine Schizophrenie zu entwickeln.
Psychedelika in der Depressions-Therapie
Was früher nur etwas für Hippies und selbsternannte Gurus war, ist heute in der psychiatrischen Therapie angekommen. Die Rede ist von bewusstseinserweiternden Drogen, die als Psychedelika bezeichnet werden. “Die Therapie mit Psychedelika stellt womöglich einen Paradigmenwechsel in der medikamentösen Behandlung psychischer Erkrankungen dar”, so Prof. Dr. Gerhard Gründer, Mannheim.
Während klassische Psychopharmaka molekulare Fehlfunktionen und Ungleichgewichte im Gehirn korrigieren, können Psychedelika Gesundungsprozesse aktivieren, indem sie Ressourcen aktivieren und somit die Resilienz fördern. Dies wird als Salutogenese bezeichnet. Dabei greifen vielfältige biologische und psychologische Prozesse ineinander. Dadurch wird die synaptische Plastizität gefördert, was auch Lernprozesse erleichtert.
Psychedelika werden zurzeit im Rahmen klinischer Studien bei der Depression geprüft. Erste Daten sind vielversprechend. Alles deutet darauf hin, dass Psilocybin oder LSD als ein Baustein eines psychotherapeutischen Prozesses wirksam sein könnten und zwar bei der Depression und womöglich auch bei anderen psychischen Erkrankungen. “Psychedelika wirken auch bei einer therapieresistenten Depression”, so Gründer.
ADHS bei Erwachsenen unterdiagnostiziert
Lange Zeit dachte man, ADHS sei eine Kinderkrankheit, die sich früher oder später auswachse. Doch bei etwa 60 Prozent der Betroffenen halten die Symptome bis ins Erwachsenenalter an. Auch gibt es immer mehr Personen, bei denen erst als Erwachsene die Diagnose gestellt wird.
“ADHS ist auch bei Erwachsenen eine psychiatrische Erkrankung”, so Prof. Dr. Andreas Reif, Frankfurt a.M. Es sei keine Erkrankung, die man bekomme, weil man zu viel am Computer spielt und es sei auch keine Erkrankung der Moderne.
Charakterisiert ist die Erkrankung durch Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite, impulsives Verhalten und Stimmungsschwankungen. “Die Erkrankung wird bei Erwachsenen häufig nicht diagnostiziert”, so Reif. Die Häufigkeit von ADHS liege im Erwachsenenalter bei zwei bis drei Prozent.
Ein unbehandeltes ADHS kann zu massiven Schwierigkeiten im Alltag führen, vor allem in sozialen Beziehungen. Impulsives Verhalten kann zudem weitere schädliche Verhaltensweisen mit sich bringen. So haben Betroffene eine höhere Neigung zu Unfällen und Süchten. Unbehandelte leiden auch oft an anderen psychischen Störungen. Jeder zweite Erwachsene mit einem ADHS erfüllt die Kriterien einer Depression.
Cannabis-Legalisierung birgt Risiken
“Die bevorstehende Teil-Legalisierung von Cannabis wird aus Sicht der Psychiater problematische Folgen haben”, so Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Köln. Notwendig seien die Anhebung des Mindestalters und eine Absenkung der freigegebenen Menge.
Die Entkriminalisierung werde zu einem vermehrten Konsum führen und somit auch zu mehr Abhängigkeiten mit all ihren sozialen Folgen, mehr kognitiven Beeinträchtigungen und auch mehr Psychosen. Wird Cannabis bereits im Jugendalter konsumiert, kann dies die Hirnentwicklung tiefgreifend beeinträchtigen.
KI in der Psychiatrie: Ein Meilenstein
Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert die Welt und mir ihr auch die Psychiatrie. “Die fortschreitende Integration, vor allem Deep Learning und Machine Learning, markieren einen Meilenstein”, so Prof. Dr. Kerstin Ritter, Berlin. Die KI ermögliche Auswertungen und Vorhersagen, die zuvor von keinem PC und keinem User geleistet werden konnten. Sie habe das Potenzial, die Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen nachhaltig zu verbessern.
Die Einsatzgebiete von KI in der Psychiatrie sind vielfältig. Die Fähigkeit von KI, Muster zu erkennen, die für die menschliche Beobachtung schwer zugänglich sind, eröffnet neue Perspektiven für die Früherkennung von psychischen Erkrankungen. So kann frühzeitig interveniert werden, um die Progression einer Erkrankung zu verzögern oder sogar zu verhindern.
Auch unterstützt KI bei der personalisierten Medizin, indem sie individuelle Reaktionen auf bestimmte Behandlungsansätze vorhersagt. Das kann dazu beitragen, effektivere und stärker zielgerichtete Therapien anbieten zu können.
Mit Hilfe der KI hofft man Antworten zu finden auf Fragen wie: Wer wird eine Demenz entwickeln? Welche Jugendlichen sind besonders anfällig für eine Alkohol-Sucht? Wer profitiert am ehesten von welchen psychotherapeutischen Behandlungsansätzen? Dabei geht es auch darum, Ressourcen maximal nutzbringend einzusetzen.