Berlin. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat den Gesetzgeber dazu aufgerufen, das aus dem Jahr 1990 stammende Embryonenschutzgesetz an die aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen.
Ein vom wissenschaftlichen Beirat der BÄK erarbeitetes und am Mittwoch (02.09.) vorgestelltes Memorandum befasst sich dabei vor allem mit den Punkten Dreierregel, Eizellspende und Embryonenspende. Damit greife die BÄK gezielt die wichtigsten Probleme aus der reproduktionsmedizinischen Behandlungspraxis auf, erläuterte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats Prof. Peter C. Scriba.
Dreierregel aufheben
Die BÄK spricht sich in dem Papier für die Aufhebung der sogenannten Dreierregel aus, die den Transfer von bis zu drei Embryonen erlaubt und damit Mehrlingsschwangerschaften begünstigt. Stattdessen sollte die Zahl der zu übertragenden pränidativen Embryonen auf maximal zwei pro Transfer begrenzt werden.
Nach Möglichkeit solle die Methode des Single Embryo Transfer zur Anwendung kommen. Dabei wird nur der Embryo in die Gebärmutter eingesetzt, bei dem durch Kultivierung und Beobachtung bis zum Blastozystenstadium ein höheres Entwicklungspotential identifiziert wurde.
Durch die verlängerte Kultur und die Beobachtung der Entwicklung der pränidativen Embryonen lasse sich eine sehr viel differenziertere Einschätzung hinsichtlich der Frage treffen, ob ein Embryo potenziell entwicklungsfähig ist oder nicht, erklärte Prof. Jan-Steffen Krüssel, Federführender des Arbeitskreises „Offene Fragen der Reproduktionsmedizin“ des Wissenschaftlichen Beirats.
So könne die Übertragung von nicht als entwicklungsfähig erkannten pränidativen Embryonen vermieden werden. Dadurch ließen sich frustrane Behandlungszyklen vermeiden und die damit verbundene physische und psychische Belastung des Paares deutlich senken.
ESET bisher verboten
Der Elective-Single-Embryo-Transfer (ESET), bei dem aus einer größeren Zahl von Embryonen nur derjenige mit der größten Entwicklungsfähigkeit ausgewählt und der Frau übertragen wird – völlig unabhängig von seiner genetischen Ausstattung -, ist momentan bei Strafe untersagt. Grund dafür ist, dass eine Selektion von Embryonen befürchtet wurde.
Krüssel betonte, dass die Rate von höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften nach Kinderwunschbehandlung in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern etwa fünfmal höher sei. Dadurch steige die Rate an Frühgeburten, die mit hohen Risiken für Mütter und Kinder verbunden sei.
Eizellspende erlauben
Zudem plädiert die BÄK für die Zulassung der nicht kommerziellen Eizellspende in engen Grenzen. Derzeit ist die Eizellspende in Deutschland verboten, viele Paare gehen dafür ins Ausland. Dort werde oft lediglich eine anonyme Eizellspende praktiziert, wodurch dem Kind das Recht auf Kenntnis seiner Abstammung versagt bleibe, erklärte Krüssel.
Das Verbot der Eizellspende sei hauptsächlich zur Vermeidung einer gespaltenen Mutterschaft ausgesprochen worden. Mittlerweile hätten Studien jedoch gezeigt, dass die sozio-emotionale Entwicklung der betroffenen Kinder normal und die Eltern-Kind-Beziehung im Wesentlichen unauffällig sei. Dabei werde eine frühzeitige Aufklärung der Kinder über ihre Zeugungsart durch die Eltern empfohlen.
Auch die Risiken für die Eizellspenderin durch hormonelle Stimulation und Eizellentnahme seien nach heutigem Wissensstand entweder nicht existent oder minimal, so Krüssel. Eine spätere Fertilitätseinschränkung lasse sich bei den Spenderinnen ebenfalls nicht nachweisen.
Wesentlich ist laut BÄK der Ausschluss einer Kommerzialisierung; dies ließe sich aber verhindern, indem man sich an den derzeitigen Regelungen der hierzulande erlaubten heterologen Samenspende orientiert.
Embryonenspende genauer regeln
Zurzeit in Deutschland erlaubt ist die Embryonenspende, wenn überzählige pränidative Embryonen unbeabsichtigt bei Kinderwunschbehandlungen entstehen. Die BÄK bemängelt jedoch, dass in Zusammenhang mit der Embryonenspende mehrere Punkte unbefriedigend geregelt seien. Etwa bestünden offene Fragen zu den Voraussetzungen, dem Verfahren und den Rechtsfolgen.
BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt forderte den Gesetzgeber dazu auf, die in dem Memorandum enthaltenen Regelungsvorschläge zur Grundlage für eine Überarbeitung des Embryonenschutzgesetzes spätestens in der nächsten Legislaturperiode zu machen. Nur durch eine Anpassung des Gesetzes ließen sich unnötige seelische Belastungen von Menschen mit Kinderwunsch vermeiden und gesundheitliche Risiken für werdende Mütter und ihre Kinder minimieren.
Quellen: 1. Online-Pressekonferenz der BÄK vom 02.09.2020; 2. Pressemitteilung der BÄK vom 02.09.2020; 3. Richter-Kuhlmann E. Reproduktionsmedizin – Junges Fachgebiet, alte Gesetze (Begleitartikel “Dreierregel, Eizellspende und Embryospende im Fokus – Memorandum für eine Reform des Embryonenschutzgesetzes”).