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Serie "Seltene Erkrankungen"Seltene im Fokus: Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) ist eine Erbkrankheit, bei der die Leberzellen das Enzym Alpha-1-Antitrypsin fehlerhaft oder in zu geringer Menge bilden oder freisetzen. Unbehandelt kann sich die Erkrankung je nach Ausprägung früher oder später an Lunge und Leber – selten auch auf der Haut und weiteren Organen – manifestieren.

AATM kann bei Betroffenen mit Leberfunktionsstörungen und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung einhergehen.

Definition

Der Alpha-1-Antitrypsinmangel (AATM, OPRHA: 60) kann bei Betroffenen mit Leberfunktionsstörungen und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung einhergehen und ist durch erniedrigte Spiegel des Alpha-1-Anti-trypsin (AAT) gekennzeichnet.

Trotz seiner Prävalenz als eine der häufigsten genetischen Erkrankungen in der europäischen Bevölkerung zählt der AATM zu den seltenen Krankheitsbildern und manifestiert sich bei lediglich einer bis fünf von 10.000 Personen [1, 2].

Symptome

Der Schweregrad und die Ausprägung des AATM variieren in Abhängigkeit von der Art der vorliegenden genetischen Veränderung (Varianten, Genotyp). Vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter kann der AATM durch Leber- und Lungenerkrankungen auffallen.

Die häufigste klinische Manifestation bei Erwachsenen ist die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Klinisch ist der AATM schwierig von seinen häufigeren Differenzialdiagnosen zu unterscheiden, da die auftretenden Symptome jenen von anderen COPD-Patientinnen und Patienten entsprechen (u.a. Husten, Dyspnoe und Auswurf), das Erkrankungsalter jedoch meist jünger ist.

Zusätzlich können Bronchiektasen nachgewiesen werden. Auch bei Säuglingen mit neonataler Cholestase und Kindern mit persistierender Transaminasenerhöhung muss an einen AATM gedacht werden, da sich die schwere Verlaufsform des AATM im Kindesalter zumeist mit einer Lebersymptomatik manifestiert und eine Lungenbeteiligung bei den Kindern erst im Verlauf auftritt. Doch selbst ohne Symptomatik im Kindesalter können Patientinnen und Patienten im Erwachsenenalter eine Leberzirrhose oder -fibrose entwickeln [2].

Ursache

Während einer Entzündungssituation produzieren neutrophile Granulozyten proteolytische Enzyme wie die Elastase, die das empfindliche Bindegewebe der Lunge schädigen können. Diese Enzyme können jedoch effektiv durch AAT neutralisiert werden.

AAT wird von den Hepatozyten produziert und anschließend sezerniert. Durch die Neutralisation und damit Regulation der Elastase schützt AAT die Lunge vor deren schädlichen Auswirkungen und trägt somit zur Integrität des Lungengewebes bei.

Krankheitsursächliche (pathogene und wahrscheinlich pathogene) Varianten im Gen SERPINA1 führen zum AATM. Da es sich beim AATM um eine autosomal-rezessive Erkrankung handelt, müssen auf beiden in der Zelle vorhandenen Genkopien krankheitsursächliche Varianten vorliegen.

Diese Varianten in SERPINA1 führen zu einer abnormen Faltung des AAT-Proteins. Aufgrund dieser veränderten Proteinstruktur sind die Hepatozyten nicht in der Lage, AAT regelgerecht auszuschütten.

Die fehlgefalteten Proteine, welche nicht sezerniert werden können, lagern sich im endoplasmatischen Retikulum der Hepatozyten ab und bilden sogenannte Inklusionskörperchen. Dies führt zum Absterben der Hepatozyten und zu Leberentzündungen sowie schließlich zur Entwicklung einer Leberzirrhose.

Denken wir nun zurück an die eigentliche Aufgabe des AAT, Proteasen zu hemmen. Ist die Plasmakonzentration niedrig, weil das Protein die Hepatozyten nicht verlassen kann, fällt auch die Hemmung der Elastase um ein Vielfaches geringer aus.

Dies führt zu einer übermäßigen Aktivität der Elastase, insbesondere in der Lunge, einem besonders sensiblen Organ. Die Elastase greift das elastische Gewebe der Lunge an und zerstört es, was zu einem Lungenemphysem führen kann, einer Form der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung [3].

Untersuchungen und Diagnose

Die Diagnose eines AATM erfordert eine hohe Aufmerksamkeit der behandelnden Ärztin/des behandelnden Arztes. Es wird angenommen, dass der AATM relevant unterdiagnostiziert ist, und selbst in den Fällen, in denen eine Diagnose gestellt wird, kann die Diagnosefindung Jahre dauern.

Es ist demnach von hoher Relevanz, ein Bewusstsein für diese Erkrankung zu schaffen [4]. Ein AATM sollte immer bei pulmonaler Obstruktion sowie unklarer Transaminasenerhöhung differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden. Seltener äußert sich die Erkrankung durch eine Pannikulitis oder Vaskulitis [2].

Ein entscheidender Schritt in der Diagnostik des AATM ist das initiale Screening bei symptomatischen Patientinnen und Patienten. Hierfür bietet sich die Bestimmung des Serumwerts der AAT an. Es ist dabei wichtig zu beachten, die Blutentnahme im infektfreien Intervall vorzunehmen, da AAT ein Akute-Phase-Protein ist und somit falsch positive Befunde auftreten können.

Zur Detektion (wahrscheinlich) pathogener biallelischer Varianten in SERPINA1 können verschiedene molekulargenetische Ansätze verfolgt werden. Darunter zählt eine gezielte Diagnostik auf Varianten in SERPINA1 oder eine genomweite Sequenzierung (zum Beispiel im Rahmen einer Exom-Sequenzierung) [2].

Behandlung

Die Therapie des AATM muss lebenslang erfolgen. Die COPD wird gemäß Leitlinien behandelt. Patientinnen und Patienten mit Lungenemphysem profitieren von einer Substitutionstherapie mit humanem AAT. Eine Lungentransplantation kann bei stark verminderter Lungenfunktion die Lebensdauer verlängern.

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Leber-Transplantation. Dadurch verringern sich die Komplikationen der Leberzirrhose (u.a. Blutungen, Aszites, Enzephalopathie) und die transplantierte Leber kann AAT bilden, wodurch ebenfalls die weitere Schädigung der Lunge gestoppt wird [5, 6].

Krankheitsverlauf und Prognose

Hervorzuheben ist, dass der Verlauf des AATM maßgeblich von individuellen Faktoren abhängt. Nicht alle Patientinnen und Patienten mit AATM entwickeln die gleichen Symptome oder den gleichen Schweregrad der Erkrankung.

Prävention

In der Prävention des AATM spielen mehrere entscheidende Aspekte eine Rolle. An einer der wichtigsten Positionen steht sicherlich die frühzeitige Diagnose der Erkrankung, auf deren Grundlage eine adäquate Therapie und präventive Maßnahmen ermöglicht werden.

Die Vermeidung des Rauchens als bedeutendstem Risikofaktor stellt einen essenziellen Schritt dar. Lebensstiländerungen, darunter regelmäßige körperliche Aktivität und eine gesunde Ernährung, tragen zur Förderung des Wohlbefindens der Patientinnen und Patienten bei.

Die multidisziplinäre Betreuung der Betroffenen schließt zudem eine humangenetische Anbindung ein. Im Rahmen einer genetischen Beratung werden Patientinnen und Patienten sowie ihre Familienangehörigen umfassend über die Erkrankung informiert. Es besteht die Möglichkeit, bei Familienmitgliedern Anlageträgerschaften zu testen sowie prädiktive Testungen durchzuführen, wodurch individuelle Risiken besser eingeschätzt werden können.

Auf der Basis der genetischen Beratung können Betroffene dann fundierte Entscheidungen über ihre weitere Familienplanung treffen. Dieser ganzheitliche Ansatz der Betreuung unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden und interdisziplinären Herangehensweise bei der Prävention des AATM [7].

Die Autorinnen haben keine Interessenkonflikte deklariert.

Quellen:

1. Janciauskiene S, Ferrarotti I, Laenger F, Jonigk D, Luisetti M. Clinical utility gene card for: alpha-1-antitrypsin deficiency. Eur J Hum Genet. May 2011;19(5); doi: 10.1038/ejhg.2010.246

2. Stoller JK, Hupertz V, Aboussouan LS. Alpha-1 Antitrypsin Deficiency. In: Adam MP, Feldman J, Mirzaa GM, et al, eds. GeneReviews((R)). 1993.

3. Torres-Duran M, Lopez-Campos JL, Barrecheguren M, et al. Alpha-1 antitrypsin deficiency: outstanding questions and future directions. Orphanet J Rare Dis. Jul 11 2018;13(1):114. doi: 10.1186/s13023-018-0856-9

4. Brantly M, Campos M, Davis AM, et al. Detection of alpha-1 antitrypsin deficiency: the past, present and future. Orphanet J Rare Dis. Apr 19 2020;15(1):96. doi: 10.1186/s13023-020-01352-5

5. Tzakis A. Early recognition of alpha-1 antitrypsin deficiency and considerations for liver transplantation. Gastroenterol Hepatol (N Y). Feb 2013;9(2):110-2.

6. Vogelmeier C, Buhl R, Burghuber O, et al. [Guideline for the Diagnosis and Treatment of COPD Patients – Issued by the German Respiratory Society and the German Atemwegsliga in Cooperation with the Austrian Society of Pneumology]. Pneumologie. Apr 2018;72(4):253-308. Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). doi: 10.1055/s-0043-125031

7. Miravitlles M, Dirksen A, Ferrarotti I, et al. European Respiratory Society statement: diagnosis and treatment of pulmonary disease in alpha(1)-antitrypsin deficiency. Eur Respir J. Nov 2017;50(5); doi: 10.1183/13993003.00610-2017

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