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Serie "Ödeme"Differenzierte Kompressionstherapie – Entstauung unter Druck

In den ersten drei Beiträgen dieser Artikelreihe wurden Ödementstehung, -diagnostik und -therapie thematisiert. Teil 4 betrachtet die Kompressionstherapie als wesentliche Säule der konservativen Therapie von Menschen mit Ödemen und/oder Wunden an den unteren Extremitäten differenzierter.

Jedes Ödem an den unteren Extremitäten profitiert von Kompressionstherapie.

Phasengerechte Kompressionstherapie

Jedes Ödem an den unteren Extremitäten profitiert von Kompressionstherapie. Die sachgerechte Durchführung unterteilt sich bei Ödemen in Entstauungs- und Erhaltungsphase. Bei zusätzlich bestehenden Wunden kommt die Prävention hinzu [1]. Tabelle 1 gibt einen Überblick über Versorgungsoptionen in den jeweiligen Therapiephasen.

Bei sachgerecht ausgeführter Kompressionstherapie, die vom Patienten akzeptiert und getragen wird, sollte die Entstauungsphase nach drei bis vier Wochen abgeschlossen sein [2].

Nachfolgend werden die in Deutschland aktuell verfügbaren Materialien differenzierter betrachtet.

Kompressionsmaterialien und deren Einsatzmöglichkeiten

Der Einsatz der Therapieoptionen orientiert sich neben den Therapiephasen, auch an klinischen Symptomen, körperlichen Fähigkeiten sowie Bedürfnissen der Betroffenen. Grundsätzlich wird zwischen phlebologischen (PKV) und lymphologischen Kompressionsverbänden unterschieden.

Der PKV wurde ursprünglich zur Therapie phlebologischer Krankheitsbilder verwendet. Sein Einsatzbereich hat sich inzwischen auf diverse Indikationen, z. B. entzündliche Dermatosen oder Vaskulitiden, erweitert [3].

Der PKV kommt in der Entstauungsphase zum Einsatz, um Ödeme zu reduzieren. Er kann mit Binden verschiedener Art in Kombination mit Polster- und Hautschutzmaterialien, mit Mehrkomponentensystemen oder mit medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK) ausgeführt werden (s. Tab. 2 unten).

Zur Ödemreduktion können bereits Ruhedruckwerte um 20 mmHg ausreichend sein [4]. Bei Menschen mit Ulcus cruris venosum (UCV) sind Drücke von 40-60 mmHg erforderlich [5].

Ein PKV beginnt grundsätzlich am Großzehengrundgelenk und wird als Unter- oder Oberschenkelbandagierung unter Einschluss der Ferse angelegt. Für viele Indikationen, insbesondere das UCV, ist die Unterschenkelkompression ausreichend. Eine Oberschenkelkompression ist zum Beispiel bei proximal tiefer Beinvenenthrombose, Varikophlebitis im Oberschenkelbereich, nach Varizen-OP sowie Lymphödemen erforderlich.

Materialien und Methoden

Kompressionsbinden

Es gibt verschiedene Bindenarten, die für die Kompressionstherapie genutzt werden können (s. Tab. 2). In Deutschland werden in der Entstauungsphase am häufigsten Kurzzugbinden genutzt. Sie kommen bei mobilen Menschen zum Einsatz und erzeugen einen hohen Arbeits- und einen niedrigen Ruhedruck.

Um Hautirritationen, Einschnürungen und Druckspitzen zu vermeiden werden sie mit Polster- und Hautschutzmaterialien kombiniert (s. Tab. 2). Bei Zehödemen, die typisch für lymphatische Erkrankungen sind, werden zusätzlich schmale elastische Mullbinden in 4 cm Breite zur Bandagierung der Zehen benötigt (s. Abb. 1 unten).

Kurzzugbinden verlieren aufgrund von Bewegung innerhalb kurzer Zeit erheblich an Kompressionsdruck [6], die Binden beginnen aufeinander zu rutschen und der PKV verliert an Stabilität. Zudem zeigen sich in der Praxis bei Anwendern erhebliche Defizite bei der sachgerechten Erstellung eines PKV mit Kurzzugbinden [7] (s. Abb. 2 unten).

Mehrkomponentensysteme

Diese konfektionierten Sets (Anm.d.Red.: Verordnung als Set oder der einzelnen Komponenten möglich, letzteres ist i.d.R. preisgünstiger) zur einmaligen Anwendung enthalten 1-4 Binden, die die Eigenschaften mehrerer Komponenten haben, z. B. Polsterung, Kompression und Fixierung (s. Tab. 2). Im Gegensatz zu PKV-Kurzzugbinden sind für ihre Anwendung keine speziellen Kenntnisse zu komplexen Bandagierungstechniken erforderlich und ihre Anlage ist weniger zeitintensiv [8].

Mehrkomponentensysteme sind darauf ausgelegt einen Kompressionsdruck von 40 mmHg zu erzeugen und über mehrere Tage (bis zu sieben) zu halten. Zudem gibt es “Lite-Systeme”, die einen reduzierten Druck von 20 mmHg erzeugen, zur Anwendung z. B. bei noch moderater peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK).

Einige Systeme verfügen über spezielle Dehnungstechniken oder visuelle Markierungen, die das Erzielen des benötigten Kompressionsdrucks erleichtern (s. Abb. 3 unten).

Bei sachgerechter Nutzung können diese Systeme kostengünstiger als tägliche PKV mit Kurzzugbinden sein [9]. Zudem tragen sie deutlich weniger auf, die Betroffenen haben weniger Schuhprobleme (s. Abb. 4 unten) und sind beweglicher im Sprunggelenk, was sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt.

Medizinische adaptive Kompressionssysteme (MAK)

Es handelt sich um Manschetten, die zum Teil mit (Kompressions-)Strümpfen kombiniert werden, und je nach Ausprägung der Ödeme, um eine Fuß-, Knie-, Oberschenkelmanschette ergänzt werden können (s. Tab. 2). Sie werden durch Klett-/Hakensysteme fixiert und sind – im Gegensatz zu Bindenbandagierungen – jederzeit einfach (adaptiv) nachjustierbar (s. Abb. 5 unten).

MAK erzielen, je nach System, Druckwerte von 20-60 mmHg, die über Markierungen oder Dehnungstechniken einstellbar sind.

Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS)

MKS sind in verschiedenen Farben, Musterungen, Längen, Komponenten und Strickungen (s. Tab. 2) erhältlich. Bei Letzteren wird in Rund- und Flachstrick unterschieden (s. Abb. 6 unten).

Flachgestrickte MKS kommen bei größeren Beinumfängen, z. B. bei lymphatischen Erkrankungen, zum Einsatz. Anstelle einer Strumpfhose, ist zum einfacheren An- und Ausziehen, die Verordnung einzelner Komponenten, wie Vorfußkappe, Unterschenkelstrumpf (ggf. mit Reißverschluss) sowie Caprihose möglich (s. Tab. 2) (s. Abb. 7 unten) [10].

Ulkus-Strumpfsysteme sind eine spezielle Form der MKS. Sie kommen zum Einsatz bei Menschen mit UCV und bereits entstautem Ödem. Diese Systeme bestehen aus einem Unterziehstrumpf, der Tag und Nacht verbleibt und die Wundauflage fixiert.

Tagsüber wird ein zweiter Strumpf darüber gezogen, der den erforderlichen Kompressionsdruck erzeugt (s. Tab. 2) (s. Abb. 8 unten) [10].

An- und Ausziehhilfen erleichtern den selbstständigen Umgang mit MKS, schonen zudem das Strumpfmaterial und erhöhen somit deren Lebensdauer (s. Tab. 2) (s. Abb. 9 unten) [10].

Intermittierende Pneumatische Kompression (IPK)

Bei der IPK baut ein elektronisch gesteuertes System innerhalb einer Manschette von distal nach proximal sequenziell einen vordefinierten und zeitlich befristeten intermittierenden Druck auf, der auf das zu behandelnde Körperteil einwirkt (s. Tab. 2).

Je nach Ausprägung und Art des Ödems gibt es Manschetten für Fuß, Unter-, Oberschenkel, ganzes Bein mit/ohne Fußteil, Hosen inkl. Hüfte und Bauch oder Ganzkörper (s. Abb. 10 unten).

Die IPK ist stationär und ambulant einsetzbar. Insbesondere bei teil- oder immobilen Patienten, bei denen eine Kompressionstherapie mit MKS oder PKV aufgrund der kaum vorhandenen Eigenbewegung nicht adäquat wirken kann, ist die IPK eine wichtige Unterstützung für die (passive) Aktivierung bzw. Kompensation der Venenpumpen [11].

Fazit

Die Vielzahl der Versorgungsoptionen in der Kompressionstherapie ermöglicht eine individuelle Therapie nach Wünschen und Bedürfnissen sowie Fähigkeiten der Patienten. Hierbei gilt: Jede Kompression, die sachgerecht angelegt worden ist und getragen wird, ist besser als keine. Zu Gunsten der Adhärenz sind Kompromisse betreffend der Druckwerte möglich.

Literatur:

  1. Protz K, Eder S, Läuchli S et al. Einteilung und Nomenklatur der aktuellen Materialien zur Kompressionstherapie. Dermatologie 2023; 74: 270-281.
  2. Stücker M, Altmeyer P, Reich-Schupke S. Therapie des Ulcus cruris venosum. Neues und Bewährtes. Hautarzt 2011; 62: 504-508.
  3. Dissemond J, Protz K, Reich-Schupke S et al. Kompressionstherapie des Ulcus cruris. Hautarzt 2016; 67: 311–323.
  4. Partsch H, Stücker M, Vanscheidt W et al. Bedeutung des adäquaten Drucks in der Kompressionstherapie. Basis der erfolgreichen Behandlung. Hautarzt 2019; 70: 707-714.
  5. Partsch H, Clark M, Mosti G et al. Classification of compression bandages: practical aspects. Dermatol Surg 2008; 34: 600-609.
  6. Protz K, Heyer K, Verheyen-Cronau I et al. Loss of interface pressure in various compression bandage systems over seven days. Dermatology 2014; 229(4): 343-352.
  7. Heyer K, Protz K, Augustin M: Compression therapy – Cross-sectional observational survey about knowledge and practical treatment of specialized and non-specialized nurses and therapists. Int Wound J 2017; 14(6): 1148-1153.
  8. Protz K, Reich-Schupke S, Klose K et al. Kompressionsmittel für die Entstauungstherapie. Vergleichende Erhebung im Querschnitt zu Handhabung, Anpressdruck und Tragegefühl. Hautarzt 2018; 69: 232-241.
  9. Dissemond J, Protz K, Moelleken M et al. Kompressionstherapie bei Patienten mit Ulcus cruris – welche Kosten entstehen wirklich? Dtsch Med Wochenschr 2019; 144(16): 94-101.
  10. Rabe E, Földi E, Gerlach H et al. Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK). S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP) in Kooperation mit folgenden Fachgesellschaften: DDG, DGA, DGG, GDL, BVP. Hautarzt 2021; 72: 137-152.
  11. Verfahrensstandard: Intermittierende pneumatische Kompression (WZ-VS-021 V01) vom Wundzentrum Hamburg e. V. (letzter Zugriff 19.06.2024).

Interessenskonflikte:

Kerstin Protz: Bauerfeind, Curea, Juzo, medi, Lohmann & Rauscher, Hartmann und Urgo.

Prof. Dr. Joachim Dissemond: 3M, Curea, medi, Juzo, Lohmann & Rauscher, Smith & Nephew, Thuasne und Urgo.

Dr. Stephan Eder: Hartmann und Urgo.

Dr. Jürg Traber: PIOMIC und Urgo.

PD Dr. Severin Läuchli: Kerecis und Urgo.

Prof. Dr. Markus Stücker: Bauerfeind, Juzo, Viatris, Mölnlycke, medi, Huntleigh Healthcare Ltd., Rheacell und Urgo.

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