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Serie ÖdemÖdem – wo kommt es her?

Es ist wichtig, die Ursache von Ödemen zu klären, um eine kausale Therapie durchzuführen. Erfreulich ist, dass die meisten Ödeme durch eine adäquate Kompressionsbehandlung günstig beeinflusst werden können.

Ödeme können auf bestimmte Körperteile begrenzt oder über den ganzen Körper verteilt sein.

Definition

Als Ödem bezeichnet man eine manifeste Schwellung durch vermehrte Flüssigkeitseinlagerung im interstitiellen und/oder intrazellulären Raum. Dabei handelt es sich im klinischen Alltag um mehr oder weniger diffuse, sichtbare Ansammlungen von Flüssigkeit im Körpergewebe.

Davon abzugrenzen sind “latente Ödeme”, also Wassereinlagerungen, welche klinisch (noch) nicht in Erscheinung treten, aber unter Umständen bereits zu typischen Beschwerdeschilderungen (Schweregefühl, Gefühl der Prallheit) führen können.

Ödeme können auf bestimmte Körperteile begrenzt (z.B. Unterschenkel oder Knöchelbereich) oder über den ganzen Körper verteilt sein. Sie können einseitig oder beidseitig auftreten. Ein besonderes Augenmerk gilt dem seitengleichen oder asymmetrischen Auftreten.

Ödeme sind nicht immer Ausdruck einer pathologischen Veränderung. Demzufolge können sie auch bei gesunden Menschen auftreten und betreffen Frauen etwas häufiger als Männer.

Zyklusabhängige Schwellungen bei der Frau oder Schwellungen an den abhängigen Gliedmaßen (geschwollene Unterschenkel/Füße an Hitzetagen oder nach langem Sitzen oder Stehen,) sind Beispiele solcher “physiologischer” Schwellungszustände. “Physiologische” Ödeme bilden sich von alleine wieder zurück, wenn die verursachenden Umstände wegfallen.

Neben den sichtbaren Ödemen der Weichteile gibt es ödematöse Zustände an Organen, welche auf spezifische Krankheitsbilder hinweisen (Lungenödem, Hirnödem). Vom Ödem abgegrenzt wird der Erguss, bei dem sich die Flüssigkeit in einem bestehenden Hohlraum ansammelt (Pleuraerguss, Aszites, Perikarderguss, Gelenkserguss).

Pathophysiologische Betrachtungen

Der Ödembildung liegt eine gestörte Balance von Flüssigkeitsverschiebungen im Gewebe zugrunde. Dabei spielen folgende Phänomene eine entscheidende Rolle:

  1. Hydrostatischer Druck (auch hämostatischer oder hämodynamischer Druck): Mit dem Herzen/Zwerchfell als Druckreferenzpunkt (Nullpunkt oder Indifferenzebene) muss das Blut auf seinem Weg vom Fuß zum Herz eine Drucksäule von ungefähr 100 mmHg überwinden. Mit anderen Worten: In den Venen des ruhenden Beines bei einem stehenden Menschen herrscht in Bodennähe ein Druck von ca. 100 mmHg. Daraus resultiert eine Flüssigkeitsfiltration, also ein Durchdringen von “Wasser” durch die Gefäßwand in die Gewebe.
  2. Onkotischer Druck (auch kolloidosmotischer Druck): Gelöste kolloidale Teilchen (10-5 bis 10-7mm) in Flüssigkeiten wirken stark adsorbierend für Wasser. Dabei streben zwei Flüssigkeiten, durch eine semipermeable Membran getrennt, die gleiche Konzentration solcher Teilchen auf beiden Seiten der Membran an. Weil die Teilchen die Membran nicht passieren können, verschiebt sich Wasser auf die Seite höherer Teilchenkonzentration.
  3. Lymphabfluss/Lymphdrainage: Freie und hygroskopisch gebundene Flüssigkeit im Interstitium (ca. 19 Prozent der gesamten Körperflüssigkeit liegt im Interstitium) wird durch ein Netz initialer Lymphgefäße abgeführt (Wasserlast). Aus den initialen Netzwerken bilden sich Präkollektoren und schließlich Kollektoren. Der gerichtete Lymphabtransport wird durch Peristaltik und parietale Klappen gewährleistet. Physiologischerweise resultiert aus den beschriebenen Kräften ein «Nullsummenspiel»: der Wassergehalt im Gewebe (Interstitium) wird mehr oder weniger konstant gehalten.

Bei der Ödembildung sind die physiologischen Mechanismen der Filtration vs. Resorption/lymphatischer Abtransport aus dem Gleichgewicht geraten. Dabei handelt es sich um eine sehr überschaubare logische Kausalität:

1. Vermehrte Filtration von Flüssigkeit ins Gewebe (gesteigerte Kapillardurchlässigkeit, erhöhter hydrostatischer Druck)

  • Entzündung
  • Erhöhter venöser Abflusswiderstand (Varikose, postthrombotischer Zustand, Rechtsherzinsuffizienz)
  • Ungenügende Bewegung (Ausfall der Muskelvenenpumpe)

2. Verminderte Rückresorption aus dem Gewebe

  • Verminderter intravasaler kolloidosmotischer Druck (Mangelernährung, Proteinverlust, Elektrolytstörungen)

3. Verminderter lymphatischer Abtransport

  • Lymphabflussstörung (postoperativ, Bestrahlung, Parasiten)

4. Mischformen vermehrter Filtration und ungenügender Rückresorption / verminderten lymphatischen Abtransportes

Differenzialdiagnose

Ein Ödem kann durch physikalische Maßnahmen in den meisten Fällen reduziert werden. Das entbindet allerdings nicht von der Ursachenklärung. In Tabelle 1 sind wichtige Ursachen von Ödemen in zufälliger Folge ohne Bezug zu deren Lokalisation, Auftreten und klinischem Verlauf aufgelistet.

Ein erster richtungsweisender Hinweis ergibt sich aus der klinisch manifesten Schwellung. Insbesondere die Frage nach Symmetrie respektive generalisiertem Auftreten im Gegensatz zu lokalisierten, asymmetrisch auftretenden Ödemen ist hilfreich.

Etwas salopp lässt sich behaupten, dass ein asymmetrisch auftretendes oder einseitiges Ödem nicht auf dem Boden einer systemischen Ursache auftritt. Der umgekehrte Schluss ist indessen nicht zulässig. Eine Veneninsuffizienz nach beidseits durchgemachter tiefer Venenthrombose, führt zu einem beidseitigen Ödem ohne systemische Ursache.

Im klinischen Alltag lohnt es sich, Ödeme nicht nur anhand ihrer Entstehungsmöglichkeiten, sondern auch nach der Häufigkeit ihres Auftretens zu betrachten. Dadurch verschafft man sich etwas Luft bei der Ursachenforschung.

Tabelle 2 zeigt eine Übersicht von in unseren Breitengraden häufigen Ödem-Ursachen an den unteren Extremitäten mit den zusätzlichen Charakteristika der Lokalisation und des zeitlichen Verlaufs.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die medikamentös induzierten Ödeme. Sie sind relativ häufig und die Palette an Medikamenten, welche Ödeme verursachen oder bestehende Ödeme verstärken können, ist breit. Zu den bekanntesten Medikamenten gehören die Kalziumantagonisten. Aber auch spezifisch bei Ödemen eingesetzte Medikamente haben das Potenzial einer Ödem-Verstärkung.

Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Medikamente, an die bei peripheren Ödemen gedacht werden sollte. Nach Absetzen der Medikation sind die medikamenteninduzierten Ödeme meistens komplett regredient.

Die klinischen Befunde können als zusätzliches Instrument zur differenzialdiagnostischen Einteilung der Ödeme beitragen. An den Extremitäten sind chronische Ödeme als schmerzlose Schwellungen vorhanden. Die störende Umfangsvermehrung des betroffenen Bereichs, wird von einem unangenehmen Spannungsgefühl begleitet.

Neben der objektivierbaren, oft tageszeitabhängigen Umfangsvermehrung können auch die Farbe der Haut, Temperatur, Dellbarkeit (eher proteinarm), Hinweise auf Verletzungen, Insektenstiche, Applikation von Essenzen, Strangulationen, auf die Ödem-Ursache hinweisen.

Fazit

Die Ursache von Ödemen zu klären, ist für die Durchführung einer kausalen Therapie wichtig, auch wenn die meisten Ödeme durch eine adäquate Kompressionsbehandlung günstig beeinflusst werden können.

Vor dem Hintergrund der pathophysiologischen Mechanismen sind Zustände erhöhter Kapillarpermeabilität von Krankheitsbildern mit verminderter Rückresorption/lymphatischem Abtransport von Gewebewasser in Betracht zu ziehen.

Wichtige differenzialdiagnostische Merkmale sind die Lokalisation, die symmetrische Verteilung und der zeitliche Verlauf. Besonderes Augenmerk verdienen die medikamentös induzierten Ödeme.

Die Beeinflussung der Ödem-Ursache ist neben der nicht kausalen Ödem-Therapie mittels adäquater Kompression entscheidend für die Reduktion von Ödem-Flüssigkeit und den damit einhergehenden Beschwerden.

Mögliche Interessenskonflikte:

Prof. Dr. Joachim Dissemond: 3M, Curea, medi, Juzo, Lohmann & Rauscher, Smith & Nephew, Thuasne und Urgo.

Dr. Stephan Eder: Urgo und Hartmann.

Dr. Jürg Traber: Urgo; PIOMIC

Kerstin Protz: Bauerfeind, Curea, Juzo, medi, Lohmann & Rauscher, Hartmann und Urgo.

PD Dr. Severin Läuchli: Kerecis und Urgo.

Prof. Dr. Markus Stücker: Bauerfeind, Juzo, Viatris, Mölnlycke, medi, Huntleigh Healthcare Ltd., Rheacell und Urgo.

Literatur:

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