Diabetische NierenkrankheitPrognose für den Einzelnen schwierig

Wie gut lässt sich das Fortschreiten einer diabetischen Nephropathie bei Typ-2-Diabetes medikamentös begrenzen? Ein Problem ist bereits, jene Patienten zu identifizieren, die tatsächlich stark gefährdet sind. Zudem machen Experten auf eine teils eingeschränkte Studienlage aufmerksam.

Eine diabetische Nierenkrankheit (DKD – diabetic kidney disease) kann bereits zum Zeitpunkt der Diagnose eines Typ-2-Diabetes (T2D) bestehen. Wichtig: „Eine andere Ätiologie sollte unwahrscheinlich sein“, sagte Dr. Christian Gerdes vom Universitätsklinikum Jena beim „Internationalen Fortbildungskurs in praktisch-klinischer Diabetologie“ in Jena. Letztlich handle es sich um eine Ausschlussdiagnose.

Gekennzeichnet ist die DKD durch eine Albuminurie und/oder durch eine reduzierte eGFR (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) von <60 ml/min/1,73 m2 über drei Monate. Die Albuminurie (>30 mg/g Kreatinin oder >30 mg im 24-Stunden-Sammelurin) sollte mehr als einmal festgestellt worden sein, da es sich um eine störanfällige Messung handle, sagte Gerdes. „Man sollte dies zweimal innerhalb eines Quartals messen.“ Einer relevanten Albuminurie vor der Diabetesdiagnose (>300 mg/g Kreatinin) oder auffälligem Sediment sollte labordiagnostisch, per Bildgebung oder auch per Nierenbiopsie nachgegangen werden.

Individuelle Prognose schwierig

Behandlungsziel bei DKD ist es, das Fortschreiten der Nierenerkrankung und kardiovaskuläre Erkrankungen zu verhindern. Dafür schätzen Nephrologen gemäß ­KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes)-Standard ab, wie hoch das Risiko ist, ein Nierenversagen zu entwickeln. In der Praxis sei dies für den Einzelfall jedoch trotz Anwendung von Wahrscheinlichkeitsrechnern kaum seriös einzuschätzen, warnten Gerdes und PD Dr. Christof Kloos aus Jena. Auch mit neueren experimentellen Biomarkern gelinge es bislang nicht, sich der individuellen Prognose einer DKD anzunähern.

Das bedeutet: Alle DKD-Patienten erhalten mehr oder weniger die gleiche Therapie. Und dies wiederum heiße, so Gerdes, dass diese Behandlung möglichst nebenwirkungsarm und sicher sein sollte.

Neue Therapieansätze

Lange Zeit standen bei DKD Lebensstil­modifikationen (Diät, körperliche Aktivität, Raucherentwöhnung, Gewichtsreduktion), die glykämische und Blutdruck-Kontrolle sowie das Lipidmanagement im Mittelpunkt. Gerdes wies darauf hin, dass bei ­Diabetes mit arterieller Hypertonie und ­Albuminurie ACE-Inhibitoren oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker stets ausdosiert werden sollten, sofern dies toleriert wird. Allerdings persistiert selbst bei optimierter Glukosestoffwechseleinstellung und ­Blockade des RAS (Renin-Angiotensin-System) ein inflammatorisches und profibrotisches Milieu. Dieses wird versucht mit neuen Therapieansätzen zu modulieren.

So bewirken Inhibitoren von SGLT-2 (Na­trium-Glukose-Kotransporter 2) außer einer Glukoseexkretion und einer negativen Salz- und Wasserbilanz auch eine Reduktion der Fibrose. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Progression einer Niereninsuffizienz verlangsamt wird. Daher raten Fachgesellschaften bei T2D zur frühen Kombination mit einem SGLT-2-Inhibitor.

In den KDIGO-Empfehlungen von 2022 neu hinzugekommen sind die Therapie mit Glucagon-like Peptide-1-Rezeptor-­Agonisten (GLP-1-RA) sowie nichtsteroidalen Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (ns-MRA). GLP-1-RA sind demnach bei T2D zu bevorzugen, wenn Metformin und SGLT-2-Inhibitoren nicht ausreichen, um die glykämischen Ziele zu erreichen oder wenn deren Einnahme nicht möglich ist [1].

Welche Rolle spielt Finerenon?

Ein ns-MRA kommt ergänzend dann infrage, wenn ein „hohes Restrisiko für das Fortschreiten der Nierenerkrankung und kardiovaskuläre Ereignisse“ besteht, heißt es in der Leitlinie. Dies ist bei persistierender Albuminurie (>30 mg/g Kreatinin) der Fall. Einzige zugelassene Substanz ist bislang Finerenon. Auf die Zulassungsstudien für dieses Präparat gingen Gerdes und Kloos kritisch ein.

Bekannt ist, dass die Antagonisierung von MR-Rezeptoren selbst bei bestehender RAS-Blockade eine zusätzliche Reduktion der Proteinurie bewirkt. Bislang spielten klassische MRA (Spirinolacton, Eplerenon) bei DKD keine Rolle, weil sie vermehrt mit Hyperkaliämie einhergehen und weil für sie keine Phase-III-Studien bei chronischer Niereninsuffizienz mit und ohne Diabetes vorliegen.

Die Besonderheit des nichtsteroidalen Finerenons im Vergleich zu den steroidalen MRA ist die selektive Wirkung am Rezeptor. Finerenon hat keine Affinität zu Glukokortikoid- oder Androgenrezeptoren. In den Zulassungsstudien FIDELIO und ­FIGARO bei T2D-Patienten war über alle DKD-Stadien hinweg eine Senkung des ­kardiovaskulären Risikos und eine verlangsamte Progression der Nephropathie nach­gewiesen worden, verbunden mit verminderter Albuminurie.

Adäquate Vergleichstherapie fehlt

Die Frage sei, welche Menschen tatsächlich für das Medikament infrage kommen. Gerdes wies auf die hohe Ausschlussquote von fast 60 Prozent beim Screening für die Studien hin. So durfte der Kalium-Wert bei maximal 4,8 mmol/l liegen, keine Herzinsuffizienz (NYHA II-IV), keine Leberzirrhose oder Nierenarterienstenose bestehen. Und: Zum Zeitpunkt des Studiendesigns waren SGLT-2-Inhibitoren noch kein Standard, nur wenige Studienteilnehmer nahmen einen solchen Wirkstoff ein – insofern fehle aus heutiger Sicht die ­adäquate Vergleichstherapie, so Gerdes und Kloos.

In FIDELIO profitierten von Finerenon nach Angaben der Internisten hinsichtlich des primären Endpunktes (eGFR-Abfall ≥40 Prozent oder renaler Tod oder Nierenversagen) lediglich Patienten mit einem Body Mass Index <30 kg/m2 sowie mit bereits bestehenden kardiovaskulären Vorerkrankungen. Trotz der Einschlusskriterien und obwohl Kaliumbinder erlaubt waren, traten Hyperkaliämien (>5,5 mmol/l) signifikant häufiger auf als unter Placebo (ca. 22 Prozent vs. 12 Prozent). Leider sei nicht über das Hyperkaliämie-Risiko in Abhängigkeit von der Ausgangs-eGFR berichtet worden, kritisierte Gerdes.

Weiterhin habe der systolische Blutdruck im Mittel bei 138 mmHg gelegen und ­damit deutlich oberhalb der KDIGO-Empfehlung von <120 mmHg. Beim Vergleich der Gruppen ergebe sich in der Finerenon-Gruppe ein über die Zeit konsistent niedrigerer Blutdruck von knapp 3 mmHg im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Die Internisten wiesen außerdem darauf hin, dass mit dem ns-MRA kein dialysepflichtiges Nierenversagen verhindert werden konnte – bei allerdings relativ kurzer Studiendauer (mittlere Nachbeobachtungszeit: 2,6 Jahre).

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat keinen Zusatznutzen von Finerenon bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung im Stadium 3 und 4 mit Albuminurie in Verbindung mit T2D anerkannt. Er sah allerdings für Patienten mit leichter Nierenfunktionseinschränkung (Stadium 1 und 2) einen Anhaltspunkt für einen „nicht quantifizierbaren Zusatznutzen“, und zwar mit Blick auf Vorteile bei der Gesamtmortalität sowie der Nierenfunktion.

Quellen: XXXIV. Internationaler Fortbildungskurs in praktisch-klinischer Diabetologie, 22.-24.3.2024 in Jena 1. KDIGO 2022 Clinical Practice Guideline for Diabetes management in Chronic Kidney Disease. Kidney Int 2022; 102 (Suppl 5S):S1-S127

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