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MeinungLeserbriefe HA 20/23

Zu unserer Online-Berichterstattung über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Einsatz von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung hat uns ein Leserbrief erreicht. Auch zum Artikel über die Früherkennung von Alzheimer mittels Biomarker gab es eine Leserzuschrift.

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“Richtiges Urteil – wirklichkeitsferne Begründung”

Betreff: “Kein Pentobarbital für Schwerstkranke“, hausarzt.digital vom 7.11.23

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anträge von zwei Sterbewilligen auf Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb von Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgelehnt. Dass ein Bundesinstitut tödliche Gifte an Privatpersonen ausgibt, ist wirklichkeitsfern. (…) Daher ist das Urteil ist zu begrüßen. Auch Zyankali gibt’s nicht einfach so frei auf Rezept.

Pentobarbital ist nur in der Tiermedizin ein zugelassenes Arzneimittel. Aber es gibt in Deutschland eine hochwirksame Alternative, das wussten auch die Kläger. Zudem ist Pentobarbital gar nicht das ideale Mittel, wenn man es trinkt. Es schmeckt so entsetzlich, dass ein großer Teil oft sofort wieder erbrochen wird. Viele Suizidwillige wachen wieder auf. In Kanada scheitert der Selbsttötungsversuch in dieser Form bei jedem zweiten Patienten (…).

Das Ansinnen der Kläger wurde abgelehnt, obwohl nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 diese Sterbehilfe in Deutschland eigentlich erlaubt ist. In der Praxis ist der Ermittlungsdruck von Polizei und Staatsanwaltschaft aber so hoch, dass sich kaum ein Arzt traut, seinem Patienten in dieser existenziellen Not zu helfen. Das Feld gehört seriösen wie unseriösen Sterbehilfevereinen und Einzelpersonen (…).

Es wird Zeit, dass Ermittlungsbehörden entspannter mit der Situation umgehen: Tötet sich ein schwerkranker leidender Mensch freiverantwortlich selber, hat er dabei ein Recht auf Hilfe. Dann gibt es aber keinen Tatort, keinen Täter und keine Notwendigkeit für Leichenöffnung oder Strafverfahren. Eventuell wird es dann bald ausreichend Ärzte geben, die ihren Patienten auch in dieser Not helfen.

Dr. Matthias Thöns, Palliativnetz Witten e.V.

“Nachweis für Nutzen von Demenz-Früherkennung fehlt bislang”

Betreff: “Die Menschen möchten wissen, ob sie gefährdet sind“, Der Hausarzt 19/23, S. 46-48

Dieser Artikel propagiert eine Demenzrisiko-Früherkennung. Dabei muss folgendes angemerkt werden: Es gibt bisher keinen Nachweis, dass eine solche Früherkennung mehr nützt als schadet. Hier sei insbesondere darauf hingewiesen, dass bei Demenzdiagnosestellung eine signifikant erhöhte Rate von Suizidversuchen und Depression beobachtet wird (MM Günak et al 2021, doi: 10.1001/jamapsychiatry.2021.0150).

Die empfohlenen prophylaktischen Maßnahmen kann man jedem Menschen dieser Altergruppe empfehlen – völlig unabhängig von einer eventuell festgestellten Risikokonstellation.

Es stehen neue Medikamente für genau diese Personengruppe in der Pipeline, die nur eine bescheidene Wirksamkeit, aber erhebliche unerwünschte Wirkungen (Hirnblutungen) haben, infundiert werden müssen und sehr teuer sein werden.

Ich sehe hier den Ansatz eines Disease-Mongerings (Einführung einer neuen Krankheitsentität zum Wohl der Pharmaindustrie): Den neuen Medikamenten soll hier der Weg gebahnt werden, ohne dass die ethischen Implikationen genügend diskutiert wurden – sowohl für die einzelnen Betroffenen als auch die Sozialsysteme.

Prof. Erika Baum, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Biebertal

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