Praxis WissenDigitales Arzneimanagement: Fluch oder Segen?

Bei der Gesundheitsuntersuchung fällt auf, dass der Patient seit drei Jahren zwei Kalziumantagonisten einnimmt – trotz Medikamentenplan. Können elektronische Anwendungen wie Apps hier in Zukunft helfen?

Drei Jahre werden einem Patienten zwei Kalziumantagonisten gleichzeitig verschrieben. Erst bei einer Gesundheitsuntersuchung fällt dieser Umstand auf, glücklicherweise ist der Patient nicht zu Schaden gekommen (siehe Fall #872). Wie auch der/die Berichtende schreibt, ist eine ungewollte Doppelverordnung von Medikamenten kein Einzelfall, sondern ein Ereignis, das in fast jeder ­Praxis vorkommen kann. Eine solche ­fehlerhafte Verordnung kann natürlich fatale Folgen für die Patienten haben, weshalb fehlervermeidende Maßnahmen elementar wichtig sind. Eine „praktikable Problemlösung“ ist hier aber nicht trivial, wie auch der/die Berichtende feststellt. An erster Stelle steht dabei, dass der behandelnde Arzt die Medikation regelmäßig prüft. Offenbar ist eine solche Überprüfung hier auch erfolgt: Die Gesundheitsuntersuchung scheint dafür aber nicht ausreichend, da sie in der Regel maximal alle zwei Jahre stattfindet.

Hier könnte man beispielsweise die in ­vielen Praxissoftwares integrierte Erinnerungsfunktion für einen jährlichen Medikationscheck nutzen. Arbeiten Sie mit mehreren ärztlichen Kollegen oder Kolleginnen zusammen? Dann wäre eine weitere Möglichkeit, bei Patienten mit mehr als fünf Dauermedikamenten die Medikationspläne gegenseitig zu tauschen und gegenlesen zu lassen. So könnte man die eigene „Betriebsblindheit“ umgehen.

Aus der Leserschaft von www.jeder-fehler-zaehlt.de kamen zu diesem Fall und entsprechenden vermeidenden Maßnahmen zwei Kommentare, die sich mit dem neuen bundeseinheitlichen Medikationsplan beschäftigten (s. Kasten). Einerseits sahen sie den Medikationsplan und die begleitenden Maßnahmen hoffnungsvoll als „zusätzliche Sicherheitsbarriere“, durch die man ähnliche Fehler „schneller entdecken“ kann. Andererseits wurden „neue komplizierte Schnittstellen“ befürchtet. Manche Praxissoftware kombiniert bereits jetzt den Medikationsplan mit einer Interaktionsprüfung. Die vom System angezeigten Warnungen ­empfinden viele aber bislang oft als wenig hilfreich, da sie beispielsweise Laborparameter außer Acht lassen oder für die hausärztliche Praxis keine Relevanz haben.

Das vom Innovationsfonds geförderte Projekt AdAM (Anwendung für ein digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management) setzt hier an und vereint digitalen Medikationsplan, praxistaugliche Interaktionsprüfung und weitere innovative Elemente (Mehr: www.innovationsfonds.g-ba.de).

Lösungen für die Praxis sind allerdings nur ein Baustein auf dem Weg des digitalen Medikationsmanagements, wie ein Blick in die gängigen App-Stores zeigt. Dort finden sich Apps für diverse Zielgruppen, beispielsweise die von einem Münsteraner Ärztenetz entwickelte „Medis App“. Damit können Praxen gesucht, Termine angefragt und auch Medikamente direkt bei der jeweiligen Praxis bestellt werden. Der bundeseinheitliche Medikationsplan ist integraler Bestandteil, sowohl der QR-Code des Medikationsplans als auch Medikamentenverpackungen können zur leichteren Eingabe mit der Handy-Kamera gescannt werden. Diese Funktion ist auch in vielen weiteren digitalen Anwendungen rund um Medikationsmanagement integriert, so dass Verwechslungen bei diesem Schritt deutlich reduziert werden können. Der Bedarf auf Seiten der Patienten ist ­offensichtlich vorhanden. Jetzt sollten diese Apps noch wissenschaftlich evaluiert werden, um zu zeigen, wo sie die Patientensicherheit tatsächlich verbessern.

Bislang sind auf www.jeder-fehler-zaehlt.de noch keine Berichte eingegangen, die den Umgang mit einer Medikations-App oder dem bundeseinheitlichen Medikationsplan thema­tisieren. Wie gehen Sie mit Medikamentenplänen in Ihrer Praxis um? Verursacht oder beseitigt der bundeseinheitliche Medikationsplan Fehlerquellen Ihrer Ansicht nach? Haben Sie andere digitale Lösungen gefunden? Teilen Sie Ihre Erfahrungen auf www.jeder-fehler-zaehlt.de!

Fehlerbericht #872

Was ist passiert?

Ein Patient kommt zur Gesundheitsuntersuchung. Dabei fällt mir auf, dass er – seit 2013 nach Unverträglichkeit eines Betablockers – Verapamil 3 x 80mg plus Amlodipin 5mg erhält, also zwei Kalziumantagonisten über gut drei Jahre. In unserer Gemeinschaftspraxis wurden ­diese Rezepte von beiden Partnern unterschrieben. Ich habe den Patienten sofort über unseren Fehler informiert und das Amlodipin abgesetzt. Bei dem Ausdruck des neuen Medikamentenplans sagte mir der Patient dann nebenbei, dass er das ­Verapamil ohnehin nur gelegentlich genommen habe!?

Was war das Ergebnis?

Es wurden keine Folgen ­bemerkt.

Mögliche Gründe, die zu dem Ereignis geführt haben können?

  1. Nicht ausreichende Gründlichkeit bei der Erstellung des Medikamentenplanes und nicht ausreichende Berücksichtigung der Vormedikation.
  2. Nicht ausreichende Überprüfung der Wiederholungs­rezepte durch alle beteiligten Mitarbeiter. Welche Maßnahmen wurden aufgrund dieses Ereignisses getroffen oder planen Sie zu ergreifen? Beratung im Team. Sensibilisierung für das Problem. Für unsere Abläufe konnten wir zunächst keine praktikable Problemlösung finden. Ähnliche Probleme sind auch mit anderen Kombinationen schon vorgekommen (z.B. Thiazide und Allopurinol).

Kommentare zu #872

Kommentar 1: „Mit der Einführung des Medikationsplans und den Bestrebungen der Apothekerschaft, ein ­Medikationsmanagement durchzuführen, ­können solche Fehler schneller entdeckt und ­eine zusätzliche Sicherheitsbarriere eingeführt ­werden.“

Kommentar 2: „Nach allem, was wir bisher über den kommenden einheitlichen Medikationsplan erfahren haben, wird sich das gesamte Verfahren erheblich verkomplizieren und deutlich unübersichtlicher werden. Es werden neue kompliziertere Schnittstellen aufgebaut (…)“

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