Allenthalben besteht Personalmangel, das gilt auch für die ärztliche Praxis. Es ist daher hilfreich, für alle Interessierten offen zu sein. Für diesen Quereinstieg ins Praxisteam gibt es zwei Ausgangspunkte: Interessierte aus ganz anderen Wirtschaftszweigen oder Interessierte aus der Gesundheitsbranche, aber mit einer vom Beruf der Medizinischen Fachangestellten (MFA) abweichenden Qualifikation.
Stellt sich die Frage: Wie dürfen Sie Bewerbende in der Praxis einsetzen? Welche Aufgaben dürfen Sie Mitarbeitenden, die nicht die “typische” MFA-Ausbildung haben, überhaupt übertragen? Was ist zulässig und welche Risiken bestehen für Abrechnung, Arzthaftung und was ist zum Arbeitsvertrag zu beachten?
Was darf man delegieren?
Ärztinnen und Ärzte dürfen Leistungen arbeitsteilig delegieren, die sie nicht aufgrund der nötigen besonderen Fachkenntnisse persönlich erbringen müssen (Paragraf 15 Abs.1 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä)), Paragraf 2 Anlage 24 BMV-Ä). Sie entscheiden, ob und an wen sie eine Leistung delegieren.
Dazu regelt die Delegationsvereinbarung in Anlage 24 BMV-Ä (Paragraf 4): “Der Vertragsarzt hat sicherzustellen, dass der Mitarbeiter aufgrund seiner beruflichen Qualifikation oder allgemeinen Fähigkeiten und Kenntnisse für die Erbringung der delegierten Leistung geeignet ist (Auswahlpflicht). Er hat ihn zur selbstständigen Durchführung der zu delegierenden Leistung anzuleiten (Anleitungspflicht) sowie regelmäßig zu überwachen (Überwachungspflicht). Die Qualifikation des Mitarbeiters ist ausschlaggebend für den Umfang der Anleitung und der Überwachung.”
Merke: Zur Delegation ärztlicher Leistungen an nicht-ärztliches Personal existiert eine Delegationsvereinbarung, in deren Anhang beispielhaft delegierbare Tätigkeiten und die fachliche Qualifikation der Mitarbeitenden je Fachgruppe festgelegt sind.
Fach- und Branchenfremde
Am Empfang und in der Buchhaltung, für Schreibarbeiten und zur Datenerfassung und Dokumentation kann eine nicht als MFA qualifizierte, jedoch geeignete Mitarbeiterin immer und jederzeit eingesetzt werden.
Für alle darüberhinausgehenden Tätigkeiten ist zu prüfen, welche durch Zeugnis nachgewiesene Berufsausbildung tatsächlich vorliegt und ob diese “vergleichbar” ist zu einer MFA, oder ob und wann mit einer berufsbegleitenden Umschulung zur MFA ggf. parallel begonnen wird (siehe Artikel “Vom Büro in die Praxis: So gelang der perfekte Quereinstieg“).
Als Ausnahme zur Mindestqualifikation einer MFA legt der Beispielkatalog im Anhang zu Anlage 24 BMV-Ä fest: Die geforderte Qualifikation (“typische Mindestqualifikation”) kann auch durch den Abschluss einer vergleichbaren medizinischen/heilberuflichen Ausbildung nachgewiesen werden.
Eine Delegation ist auch an in Ausbildung befindliche nichtärztliche Mitarbeitende grundsätzlich möglich; der delegierende Arzt oder Ärztin ist in diesem Fall zu besonderer Sorgfalt verpflichtet und muss sich von den erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten überzeugen.
Merke: Weisen Bewerbende eine vergleichbare medizinische/heilberufliche Ausbildung nach oder sind sie bereit, mit Arbeitsantritt eine Ausbildung (als Quereinstieg) zur MFA zu absolvieren, besteht eine besondere Pflicht bei Auswahl, Anleitung und Überwachung (Paragraf 4 Anlage 24 BMV-Ä).
Vergleichbare Ausbildung
Ein klassischer Fall ist etwa die Bewerbung einer zuvor stationär tätigen Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin. Zu diesem Berufsbild gehören regelmäßig folgende Aufgaben und Tätigkeiten: Pflegen und Betreuen von Säuglingen, kranken Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen oder im ambulanten Bereich.
Nach ärztlichen Anweisungen führen sie pflegerische und medizinische Maßnahmen durch. Sie waschen und betten Patienten, wickeln Säuglinge und Kleinkinder, wechseln Verbände und verabreichen nach ärztlicher Anordnung Medikamente. Darüber hinaus assistieren sie bei ärztlichen Untersuchungen und operativen Eingriffen. Sie trösten die Kinder bei Angst und Schmerzen oder regen sie zum Spielen an.
Ebenso beraten sie Eltern und andere Bezugspersonen hinsichtlich spezieller Pflegemaßnahmen. Zudem übernehmen sie Organisations- und Verwaltungsaufgaben wie die Ermittlung des Pflegebedarfs und die Planung, Koordination und Dokumentation von Pflegemaßnahmen. Auch bei der Patientenaufnahme, in der Qualitätssicherung und bei der Verwaltung des Arzneimittelbestandes wirken sie mit.
Mithin gehören also Verbandswechsel, Medikamentenabgabe, Assistenz bei Diagnostik und Op, Pflege-Dokumentation, Patientenaufnahme, Beratung der Patienten zum generellen Aufgabenbereich.
Merke: Von den Kenntnissen und Fähigkeiten müssen Sie sich als neuer Arbeitgeber zunächst persönlich selbst überzeugen, wenn sie die Mitarbeiterin in den genannten Aufgaben einsetzen wollen. Sie müssen den Ausbildungskatalog des Berufsbildes prüfen, sich das Zeugnis vorlegen lassen, die Noten je Kenntnisbereich überprüfen, evtl. fachliche Fragen entsprechend des Ausbildungskatalogs stellen und sollten Arbeitsproben abnehmen.
Es muss eine Prüfung der Anforderungen an Kenntnisse und Fertigkeiten abstrakt, aber auch im konkreten Delegationsfall erfolgen und die Gewähr für eine fachkompetente Ausführung bestehen.
Tipp: Ob in der für die Praxis zuständigen KV eine Delegation an eine Mitarbeiterin mit dem konkreten Berufsabschluss (der nicht der einer MFA ist) für zulässig erachtet wird, kann sicherheitshalber anhand einer verbindlichen Verwaltungsauskunft abgefragt werden.
Denn es besteht ein tatsächliches Risiko und ein rechtliches Risiko, dass die Befähigung des nachgewiesenen Berufsabschlusses seitens der KV und / oder im Arzthaftungsfall nicht als “vergleichbar” im Sinne der Anlage 24 zum BMV-Ä zu bewerten ist.
Das gilt bei der Haftung
Im Arzthaftungsfall müssen Sie als Praxisinhabende für die Fehler des gesamten Praxispersonals gegenüber den Patienten grundsätzlich nach Paragraf 278 BGB oder 831 BGB haften. Die Mitarbeitenden der Praxis sind sog. Verrichtungsgehilfen für die vom Arzt übertragenen Arbeiten (Paragraf 831 BGB).
Im Haftungsfall kann sich der oder die Inhabende der Praxis nur dann nach Paragraf 831 Abs.1 S.2 BGB entlasten, wenn sie einen Entlastungsbeweis über ordnungsgemäße und sorgfältige Auswahl, Überwachung und Anleitung des Angestellten mit der verkehrserforderlichen Sorgfalt führen können (oder der Schaden auch bei Anwendung der Sorgfalt eingetreten wäre). Hierauf wird es im Haftungsfall ankommen, wenn eine nicht als MFA ausgebildete Beschäftigte an dem Patientenhaftungsfall konkret mitbeteiligt war.
In wirtschaftlicher Hinsicht besteht für Arzthaftungsfälle grundsätzlich die Berufshaftpflichtversicherung, die Ärztinnen und Ärzte nach Paragraf 95e SGB V und 6 Abs.1 Nr.5 BÄO vorhalten müssen. Für Abrechnungsfehler kann ggf. eine Regressversicherung abgeschlossen werden.
Nicht delegierbare Aufgaben
Ärztliche Kernleistungen dürfen nur Ärztinnen und Ärzte persönlich erbringen und gar nicht delegiert werden – egal wie das Personal qualifiziert ist. Dazu gehören insbesondere: Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung der Patientinnen und Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, Diagnosestellung, Aufklärung und Beratung der Versicherten, Entscheidungen über die Therapie, Arzneimittelverordnung, Durchführung invasiver Therapien und operativer Eingriffe (Paragraf 2 Anlage 24 BMV-Ä).
Weitere Anhaltspunkte bieten die gemeinsamen Veröffentlichungen zur persönlichen Leistungserbringung sowie zum Physician Assistant von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV).
Wichtig: Würden höchstpersönlich zu erbringenden Leistungen trotzdem delegiert (z.B. die nicht-ärztliche Mitarbeiterin führt die Ultraschall-Untersuchungen durch), läge gar keine ärztliche Diagnostik vor (Leistung ist nach EBM / GOÄ gar nicht erbracht worden).
Stattdessen wäre eine Körperverletzung mangels wirksamer Einwilligung der Patienten gegeben und es dürfte die pflichtwidrig erbrachte Leistung auch nicht abgerechnet werden (sonst u.U. Abrechnungsbetrug nach EBM oder GOÄ).
Vorgaben zum Arbeitslohn
Schließlich stellt sich im Vergleich zu den Beschäftigten, die ausgebildete MFA sind, auch die Frage der Lohnhöhe oder der -gerechtigkeit. Der neue Auskunftsanspruch über die Vergleichsgehälter nach Entgelttransparenzgesetz gilt nach Paragraf 12 Abs.1 EntgTranspG nur für Betriebe mit mehr als 200 Angestellten.
Beschäftigte kleinerer Unternehmen profitieren von dem Auskunftsanspruch und der Entgeltgleichheit nach EntgeltTranspG hingegen nicht. Der Lohn muss jedoch stets diskriminierungsfrei, also unter Beachtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vereinbart werden (diskriminierungsfrei bzgl. Herkunft, Religion, Weltanschauung, Alter, Geschlecht, usw.).
Daneben ist der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, der aus Richterrecht für das deutsche Arbeitsrecht entwickelt wurde: Demnach haben Arbeitgeber vergleichbare Beschäftigte grundsätzlich auch “gleich” zu behandeln.
Hingegen zwingt er den Arbeitgeber nicht, dass alle gleich qualifizierten Mitarbeitenden denselben Lohn erhalten müssten oder dass Ungleiches auch ungleich zu behandeln ist – insofern gilt Vertragsfreiheit. Lohnverhandlungen erfolgen also stets individuell (mit besserem oder schlechterem Ergebnis).
Ausgebildete MFA in der Praxis können demnach nicht verlangen, dass anders qualifizierte Mitarbeitende schlechter vergütet werden müssten.