Ein Hausbesuch auf dem Land. Es ist dunkel im Hof des Hinterhauses, die Straßenbeleuchtung nur spärlich, und zusätzlicher Regen erschwert die Sicht. Das Handy hat nur schwachen Empfang, in der Nähe kläfft ein Hund – und beim diensthabenden Hausarzt, der an diesem Abend einen Dienst für die Kassenärztliche Vereinigung (KV) fährt, steigt spätestens jetzt ein mulmiges Gefühl auf.
“Die Gründe, sich unsicher zu fühlen, können ganz unterschiedlich sein”, weiß Dr. Catharina Escales. Ganz wichtig aber: “Männer können ebenso betroffen sein wie Frauen.”
Denn Sicherheitsrisiken, weiß die Hausärztin aus eigener Erfahrung aus zahlreichen Diensten in Hamburg, können nicht nur das Geschlecht, sondern auch Aussehen oder – wie in ihrem Fall – der Name sein. In ihrem Seminar auf der practica gibt Escales Kolleginnen und Kollegen daher ganz grundsätzliche Tipps an die Hand.
Anruf vorab: Lage sondieren
Gerade, wenn im KV-Notdienst oder bei Vertretungsdiensten Patientinnen und Patienten aufgesucht werden, die unbekannt sind, kann ein Anruf im Vorfeld helfen, die Lage zu erfassen. “Ich kann oft schon am Telefon hören, ob jemand wohlwollend, aggressiv oder gar alkoholisiert ist, oder ob beispielsweise eine Gruppe Menschen oder eine Großfamilie mit im Hintergrund ist”, so Escales. Dies helfe ihr, sich mental auf die gleich anzutreffende Situation einzustellen.
Wichtig: Ein solcher Anruf vorab ist keine Pflicht, kann aber helfen, sich gedanklich auf die Situation vorzubereiten.
Gerade den Umgang mit einer anwesenden Großfamilie sollte jede Hausärztin und jeder Hausarzt für sich im Vorfeld klären, rät Escales. Ihre persönlichen Eckpfeiler: “Ich bitte aus Gründen des Infektionsschutzes gezielt darum, dass nur maximal eine zusätzliche Person zum Patienten mit im Raum ist – etwa zum Übersetzen, wenn nötig. Alle anderen gehen bitte in den Nebenraum. Ebenso bitte ich darum, Hunde im Vorfeld in einen Nebenraum zu bringen. Ich muss mich wohl und sicher fühlen”, fasst sie zusammen.
Tipp: Professionelle, ruhige Ansagen können regelrecht “einstudiert” werden, indem man auf feste, eingeübte Wordings zurückgreift.
Teamwork zu Beginn klären
Ob KV-Dienste begleitet oder unbegleitet gefahren werden, ist von Region zu Region höchst unterschiedlich. In Hamburg beispielsweise bereite die Zentrale alle nötigen Unterlagen vor, Fahrten seien grundsätzlich begleitet, berichtet Escales. Die anwesenden Seminarteilnehmer berichten jedoch von höchst unterschiedlichen Bedingungen, teils je nach Landkreisgrenze innerhalb desselben KV-Bezirks.
Auch ist eine Begleitung nicht immer gleich qualifiziert: Während in manchen KVen nur medizinisches Personal zum Einsatz kommt, fahren andernorts Taxifahrer die Dienste.
“Unabhängig von der Qualifikation rate ich jedoch, die genaue Zusammenarbeit im Vorfeld offen anzusprechen”, so Escales. Natürlich könne ein Sanitäter anders unterstützen, doch auch ein Taxifahrer sei gerade mit Blick auf die Sicherheit ein wichtiger Teampartner: “Eine Absprache kann sein, dass er bei einer ungewohnt langen Besuchsdauer – etwa 20 Minuten beim Beratungsanlass leichter Infekt – anruft oder sogar schauen kommt.”
Tipp: In jedem Fall sollte die Nummer des Teampartners als Kurzwahl ins Handy (s. unten) eingespeichert werden!
In “unbegleiteten” KV-Regionen besteht darüber hinaus die Möglichkeit, sich selber um eine Begleitung zu kümmern, skizziert Escales. Ein mögliches Modell: Medizinstudierende als Minijobber anzustellen (und demnach selbst zu zahlen).
Kleidung: Zivil oder “Montur”?
“Kleider machen Leute”, wusste schon Gottfried Keller. Dies kann auch im KV-Dienst gelten. Ob in sichtbarer “Montur” gefahren wird oder nicht, ist eine individuelle Entscheidung.
“Ich persönlich finde, dass es ein anderes Selbstbewusstsein gibt und auch nach außen vermittelt, wenn die Profession auf einen Blick erkennbar ist”, so Escales. Auch Zivilkleidung sei jedoch möglich, wenn man sich darin wohler fühle. Wichtig sei in jedem Fall, dass die gewählte Kleidung
- wetterfest und
- gut sichtbar ist sowie
- über viele Taschen verfügt.
Darüber hinaus gehört in jedem Fall eine Stirnlampe und/oder eine sehr gute Taschenlampe zur Ausrüstung.
Tipp: Ein besonderes Accessoire ist laut Escales ein “Fake-Ehering” – sowohl für Frauen als auch für Männer. In erster Linie schütze dieser vor unangemessenen Avancen. Ein Nebeneffekt: “Je nach kulturellem Hintergrund wird man dadurch als erwachsener wahrgenommen und anders respektiert”, erklärt sie. Darüber hinaus sollte aus Gründen der Hygiene und Verletzungsgefahr kein Schmuck getragen werden.
Handy: Nummern einspeichern
Das Handy gehört heute zum Standardbegleiter, die Gefahr des Vergessens dürfte gering sein. Doch: Auch ein Ladegerät ist essenziell, erinnert Escales – gerade, wenn viel mit Navigations-Apps gefahren wird oder bei Temperaturschwankungen im Winter, wenn sich der Akku unvorhergesehen schnell entlädt.
In diesem Zusammenhang sollte auch geprüft werden, welche Nummern eingespeichert sind oder sogar auf einer Kurzwahltaste liegen. Escales empfiehlt:
- Rettungsdienst
- Polizei
- Giftnotruf
- umliegende Klinik(en)
- Apothekendienst
- Einsatzwagen als “Kurzwahl” (s. oben), ggf. Wache und Zentrale
- Kinderschutzhotline
- Rechtsmedizin
Was gehört noch in die Tasche?
In die Arzttasche gehören unter anderem die gängigsten Medikamente. Gerade in ländlichen Gebieten kann es sich lohnen, diese mit Post-its mit wichtigen Infos sowie Kontraindikationen zu versehen – denn das Mobilfunknetz ist oft so schlecht, dass kein online Nachschlagen möglich ist!
Ein wenig “Übungssache” sowie individuelle Vorliebe ist die Frage, welche Ausrüstungsgegenstände wo verstaut werden. Während Escales dazu rät, die gängigsten Gegenstände griffbereit in den Taschen der Dienstkleidung zu haben, empfinden andere dies als zu viel Gewicht – so findet sicher jede und jeder eine eigene Organisation.
Tipp: Regelmäßige Hospitationen können helfen, Sicherheit zu gewinnen und sich beispielsweise bei Kolleginnen und Kollegen Wordings für bestimmte Situationen “abzuschauen”, aber auch verschiedene Kniffe zu Ausrüstung und Handhabung. Dies gibt Sicherheit, wenn schnelles Handeln nötig ist.
Quelle: practica-Seminar “Sicherheit im KV-Dienst und bei Hausbesuchen”, Dr. Catharina Escales