Eine Studie hat untersucht, was Hausärztinnen und Hausärzte von Digitalen Gesundheitsanwendungen halten – und zieht ein gemischtes Fazit.
In Deutschland sind Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) seit dem Jahr 2020 per Gesetz in die Regelversorgung integriert worden – ein Schritt, der zu diesem Zeitpunkt weltweit einzigartig war [1]. Seitdem können Ärztinnen und Ärzte gesetzlich Versicherten DiGA auf Rezept verordnen.
Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit ist die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) [2]. Hierzu müssen Hersteller einen Antrag auf Zulassung stellen und in einem systematischen Evaluationsverfahren verschiedene Anforderungen erfüllen (etwa CE-Kennzeichnung als Medizinprodukt, Standards zu Datenschutz und Informationssicherheit, Qualität medizinischer Inhalte, Nutzerfreundlichkeit und Robustheit der Anwendung sowie Patientensicherheit). Nutzen und Mehrwert der Anwendung (Versorgungseffekt) sind ausreichend zu belegen [3][4][5]. Seit Anfang 2021 liegen zu immer mehr Krankheitsbildern positiv evaluierte Programme vor. Vor allem das Gebiet der Lifestyle-assoziierten Anwendungen ist stark vertreten [6-13].
Bei der Etablierung von DiGA im Gesundheitswesen nehmen Hausärztinnen und Hausärzte eine Schlüsselstellung ein [14][15]. So ist vorstellbar, dass sie DiGA gezielt zur Gesundheitsförderung oder zum Krankheitsmanagement einsetzen, den Anwendungsprozess begleiten und von Patientinnen und Patienten regelmäßig Vitaldaten erhalten [3][6][11][16][17][18]. Erhebungen haben gezeigt, dass gerade Niedergelassene zwar Einsatzpotenziale von Gesundheits-Apps ausmachen, bislang allerdings immer noch zurückhaltend sind, solche in der Versorgung zu nutzen [14][19][20][21][22][23].
In 2022 hat die Abteilung Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Mainz 96 halbstandardisierte Einzelinterviews mit Hausärztinnen und Hausärzten in Deutschland geführt. Die Studie konzentrierte sich auf Hausärzte, die DiGA bereits verschrieben und im Versorgungsgeschehen eingesetzt haben. Im Zentrum stand die Frage nach Erfahrungen und Beobachtungen im Hinblick auf die Integration von DiGA in die Versorgung.
DiGA als Begleiter
Die interviewten Ärztinnen und Ärzte bekunden in großer Mehrheit, “von Anfang an die klaren Assets dieser neuen Sorte von Gesundheits-Apps”* wahrgenommen zu haben.
“Von DiGA habe ich mir einen ordentlichen Qualitätssprung erhofft. Das bezieht sich auf alle Bereiche, bei denen herkömmliche Gesundheits-Apps oft nicht belastbar sind: Datenschutz, Usability, Zuverlässigkeit bei der Erfassung von Vitalparametern und deren Dokumentation, rechtliche Rahmenbedingungen und so weiter. Ich muss sagen, im Großen und Ganzen sind DiGA ein Schritt in die richtige Richtung.”
DiGA werden als grundsätzlich verlässliche Programme erachtet, die im Vergleich zu anderen Gesundheits-Apps von ärztlicher Seite Patienten “ohne Bedenken nahegelegt und verschrieben” werden können. Ähnliches gilt für Fragen der Rechtssicherheit, wobei hier eine Reihe von Interviewten noch Rückfragen und “gewisse Restzweifel” artikulieren, gerade mit Blick auf Risiken von fehlerhaften Datenerhebungen und Haftungsfragen. Dennoch existiert ein “Grundvertrauen”, weil “hinter DiGA schon ein Gesetzeswerk steht, das deutlich erhöhte Anforderungen an die inhaltliche Qualität stellt, aber eben auch einen Rahmen für die Anwendung in der Praxis aufspannt”.
Rund die Hälfte der Interviewten geht davon aus, dass DiGA bei richtiger Anwendung einen sehr oder eher großen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge und/oder Genesung leisten können; die andere Hälfte sieht einen Beitrag, betrachtet diesen jedoch als eher geringer und in einem rein begleitenden Kontext. Im Verhältnis zu normalen Gesundheits-Apps wird die Bedeutung und der Stellenwert von DiGA im Versorgungsgeschehen merklich höher taxiert. Die Befragten führen dies maßgeblich auf das Evaluationsverfahren des BfArM zurück, was “ein Grundlevel an Sicherheit und Zuverlässigkeit einzieht”.
“Ganz entscheidend ist, dass DiGA als Medizinprodukte eingestuft sind. Dabei gibt es vergleichsweise hohe Prüfungskriterien, die Hersteller zu erfüllen haben.”
Stärkung des Empowerments
Der wahrgenommene Nutzen von DiGA variiert nach Anwendungsfeld. Nahezu sämtliche Interviewte halten es für sinnvoll, wenn diese bei der Selbstkontrolle von Risikofaktoren (Gewicht, Blutdruck, Blutzucker etc.), Lebensstiländerungen (wie Ernährung, Raucherentwöhnung, Bewältigung psychischer Problematiken), präventiven Maßnahmen sowie dem Medikamentenmanagement helfen. Eine unmittelbare Unterstützung beim Monitoring und der Therapie chronischer Erkrankungen befürworten zwei von drei Befragten.
Die wichtigsten Vorteile einer DiGA-Nutzung im Praxiskontext bestehen nach Auffassung der Befragten allem voran in einer Motivations- und Compliancesteigerung. Auch die Dimension einer Stärkung des Empowerments und der Gesundheitskompetenz sowie der Erreichung neuer Gruppen von Patienten schätzen sie als bedeutsam ein.
“In meiner Arbeit mit Patienten habe ich schon oft beobachtet, dass es einfach einen Unterschied für das Krankheitsmanagement hat, ob der Patient sich ohnmächtig und passiv fühlt oder ob er glaubt, aktiv teilzuhaben. […] Genau dieses Gefühl der Kontrolle und Mitsteuerung können DiGA effektiv verstärken.”
Ein Teil der Befragten macht auch auf potenzielle Effektivitäts- und Effizienzvorteile für die Arzt-Patient-Vernetzung aufmerksam, etwa indem via DiGA Vitaldaten gemessen und (idealerweise durch Einbindung in die Praxissoftware) an die Praxis übertragen werden können. Aus Sicht mehrerer Befragter lassen sich Krankheiten oder Krankheitsrisiken damit zielgerichteter und individueller behandeln.
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