SERIE Betriebsprüfung (Teil 2)Steuertipps Betriebsprüfung in der Arztpraxis

Im zweiten Teil der Serie (Teil 1 in Der Hausarzt 02) geht es um die vollständige Erfassung von Einnahmen, wie zum Beispiel Bargeldeinnahmen sowie gewerbesteuerliche Prüfungsrisiken.

Im ersten Teil der Beitragsserie “Betriebsprüfung in der Arztpraxis” wurden Stolpersteine rund um die Umsatzsteuer vorgestellt. Im zweiten Teil verlassen wir den Bereich der Umsatzsteuer und beschäftigen uns mit der vollständigen Erfassung von Einnahmen sowie Gewerbesteuerrisiken.

1.2 Vollständige Erfassung der (Bar-)Einnahmen

Je nach Ausrichtung und regionaler Lage einer Arztpraxis werden noch Beträge in bar vereinnahmt. In diesen Fällen sollte unbedingt auf eine ordnungsgemäße Kassenführung geachtet werden, um Hinzuschätzungen zu vermeiden.

Für eine ordnungsgemäße Buchführung ist es erforderlich, dass jeder Bargeschäftsvorfall einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet und unmittelbar nach dem Abschluss aufgezeichnet wird. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob ein elektronisches bzw. computergestütztes Kassensystem oder eine offene Ladenkasse (z.B. eine Geldkassette) verwendet wird.

Zum 1. Januar 2020 trat ein Gesetz in Kraft, wonach bei elektronischen Aufzeichnungssystemen mit Kassenfunktion grundsätzlich die Verpflichtung besteht, diese mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) auszustatten.

Diese zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung soll die digitalen Aufzeichnungen von Bareinnahmen insbesondere vor nachträglicher Manipulation schützen.

Sobald Bareinnahmen über ein elektronisches Aufzeichnungssystem mit Kassenfunktion erfasst werden, ist es erforderlich, dass das Kassensystem über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügt.

Wenn die Praxissoftware zur Aufzeichnung genutzt wird, dann muss auch diese die Voraussetzungen erfüllen. Nach aktuellen Recherchen der Autoren ist diese Funktion bei den bekannten Praxissoftware-Herstellern integriert.

Praxen, die Bareinnahmen händisch in einem Kassenbuch oder mittels einer Excel-Tabelle erfassen, können dies auch weiter so handhaben. Bei der Nutzung von Excel-Tabellen ist dennoch Vorsicht geboten.

Da die Daten im Nachhinein verändert werden können, schaut das Finanzamt gerne genauer hin. Um Probleme mit der Betriebsprüfung zu vermeiden, sollten daher in der Excel-Tabelle die Namen der Patienten, die Zahlungsbeträge und das Datum vermerkt werden. Gleichzeitig sollten Sie Kopien der Quittungen unbedingt aufbewahren.

1.3 Vollständige Erfassung der KV-Erlöse

Ärzte rechnen ihre Kassenleistungen direkt gegenüber der jeweiligen kassenärztlichen Vereinigung (KV) ab. Für den steuerlichen Berater ist es notwendig, sich die Quartalsabrechnungen der kassenärztlichen Vereinigung vorlegen zu lassen, und diese ordnungsgemäß zu erfassen.

Nur die Buchung der Erlöse gemäß dem Bankkonto reicht hierzu nicht aus, da die KV von dem erwirtschafteten Honorar regelmäßig auch Kosten einbehält. Dies können einerseits Kosten sein, wie z.B. Verwaltungsgebühren, die Betriebsausgaben darstellen.

Andererseits haben Ärzte in vielen KVen auch die Möglichkeit, ihre Beiträge zum Versorgungswerk direkt über die KV-Abrechnung einbehalten zu lassen. Werden diese Einnahmen nicht erfasst, wären die Einnahmen unvollständig.

Bei Höchstbeiträgen in das Versorgungswerk von bis zu 33.000 Euro pro Jahr entstehen hier schnell große Summen, die nicht als Betriebseinnahmen erklärt werden würden.

2. Betriebsprüfungsrisiken in der Gemeinschaftspraxis – Gewerbesteuerliche Infizierung der Einkünfte

Arztpraxen erzielen in der Regel freiberufliche Einkünfte und unterliegen damit nicht der Gewerbesteuer. Vermeiden Sie deshalb eine gewerbliche Infizierung der freiberuflichen Einkünfte, damit es im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht zu Gewerbesteuernachzahlungen kommt.

Während bei Einzelpraxen eine Trennung der ärztlichen Tätigkeit und einer möglichen gewerblichen Tätigkeit durch getrennte Aufzeichnungen möglich ist, führt ein gewerblicher Anteil in einer Gemeinschafts-praxis unter Umständen durch die sogenannte “gewerbliche Infizierung” dazu, dass der gesamte Gewinn als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gilt.

2.1 Folgen einer gewerblichen Infizierung

Die Folgen der Gewerblichkeit können im Einzelfall erheblich sein. Zwar wird die gezahlte Gewerbesteuer im Rahmen der Einkommensteuererklärung pauschaliert wieder angerechnet, aber je nach Hebesatz der Gemeinde kann es zu einer Mehrbelastung von ca. 1 -3 Prozent des Praxisgewinns kommen.

Falls das zu versteuernde Einkommen aufgrund anderer negativer Einkünfte, z.B. aus einer Vermietung, sehr niedrig ist, kann sich die Definitivbelastung auf bis zu 17 Prozent erhöhen.

Betriebsprüfungen werden für abgelaufene Zeiträume angesetzt und gehen meistens über 3 Jahre. Wenn z.B. im Jahr 2021 die Steuerjahre 2016 bis 2018 geprüft werden und sich für diese Jahre ein Mehrergebnis ergibt, dann ist eine Gewerbesteuernachzahlung für die Jahre 2019 und 2020 auch schon sicher.

Des Weiteren kann die Praxis zur Buchführungspflicht (Bilanzierung anstatt Einnahmen-Überschuss-Rechnung) verpflichtet werden, sodass ein Übergangsgewinn entsteht, der schnell sechststellig sein kann und ebenfalls versteuert werden muss.

Beispiel: Eine Gemeinschaftspraxis mit 2 Inhabern in Köln (Hebesatz 475 %) hat einen Jahresgewinn von 500.000 Euro und offene Forderungen zum Jahresende von 200.000 Euro. In diesem Fall betrüge die bei einer Betriebsprüfung über drei Jahre festgestellte Mehrbelastung:

  • Gewerbesteuer nach Anrechnung: 3 x 2,625 Prozent x 500.000 Euro = 39.375 Euro
  • Steuer auf den Übergangsgewinn: 100.000 Euro (auf Antrag Verteilung auf drei Jahre)
  • In Summe beträgt die steuerliche Belastung also rund 139.000 Euro.

2.2 Gründe für eine gewerbliche Infizierung

2.2.1 Handel/originär gewerbliche Tätigkeit

Übt eine Gemeinschaftspraxis eine originär gewerbliche Tätigkeit aus oder beteiligt sie sich an einer Gesellschaft, die gewerbliche Einkünfte erzielt, führt dies zur gewerblichen Infizierung aller Einkünfte.

Die Einkünfte werden lediglich dann ausnahmsweise nicht gewerblich, wenn die Einnahmen (nicht die Einkünfte) weniger als 3 Prozent der Gesamtumsätze der Praxis und weniger als 24.500 Euro pro Jahr betragen.

Als Gestaltungmöglichkeit zur Vermeidung einer solchen Indizierung bietet sich an, eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft zu gründen, die die gewerblichen Tätigkeiten übernimmt.

Alternativ könnte diese Tätigkeit auch in das Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters verlagert oder auf einen Ehegatten ausgelagert werden. Dies sollte mit dem Steuerberater abgestimmt werden.

2.2.2 Mehrere Standorte einer Praxis

Gerade größere Praxen betreiben oft mehrere Standorte. Hier ergibt sich häufig ein gewerbesteuerliches Problem durch angestellte Ärzte. Grundsätzlich sind Ärzte berechtigt, sich der Mithilfe angestellter Ärzte zu bedienen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Die beiden letzten Punkte führen in der Praxis häufig zu Problemen.

Sämtliche Standorte, an denen angestellte Ärzte tätig sind, sollten intensiv beobachtet werden. Die tatsächliche Leitung und Überwachung der angestellten Ärzte muss dokumentiert werden, (z.B. durch Ausdrucke des Kalenders des Praxisinhabers, durch Sichtvermerke des Inhabers oder wöchentliche Arbeitsplanungen etc.) um sämtliche Risiken auszuschließen.

Die Erfahrungen der Autoren haben gezeigt, dass sich Betriebsprüfer selbst bei einer Einzelpraxis mit nur einem angestellten Arzt erklären lassen, wie die Überwachung gewährleistet wird.

Beispiel: Eine große Arztpraxis mit mehreren Gesellschaftern eröffnet einen neuen Standort. Da keiner der Gesellschafter diesen Standort führen möchte, wird ein angestellter Arzt eingestellt, der den Standort eigenständig leitet.

In diesem Fall kann die Überwachung des Angestellten nicht sichergestellt werden. Der Gewinn des Standortes wäre gewerblich und durch die besonderen Vorschriften für Gemeinschafts-praxen würde der gesamte Gewinn der BAG gewerblich infiziert.

2.2.3 Risiko “Nullbeteiligungsgesellschafter”

Eine sogenannte “Nullbeteiligung” sollte steuerlich richtig gestaltet werden, da auch sie von Betriebsprüfern immer wieder unter die Lupe genommen wird.

Für eine anerkannte Gesellschafterstellung in einer Mitunternehmerschaft muss jeder der Partner eine Mitunternehmerinitiative haben und das Mitunternehmerrisiko tragen. Das bedeutet, dass jeder Partner eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten muss, Anteile am Zuwachs der stillen Reserven seit seinem Eintritt erhält und auch eine Beteiligung an der Geschäftsführung haben muss.

Es darf kein vollständiger Haftungsausschluss für einzelne Partner vorliegen und jeder Partner muss auch an einem (theoretischen) Verlust beteiligt werden. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, so gilt der “Partner” steuerlich als Angestellter und damit ist der gewünschte Zweck verfehlt.

Insbesondere wird bei Gemeinschaftspraxen dann auf Grund einer wohl nicht mehr erfolgten Überwachung des Gesellschafters, der steuerlich plötzlich als Angestellter gilt, eine gewerbliche Infizierung unvermeidbar sein.

Der Nullbeteiligungsgesellschafter stellt für den steuerlichen Berater eine große Herausforderung dar. Bestehende Verträge sollten insbesondere im Hinblick auf eine rein umsatzabhängige Gewinnverteilung kritisch überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

Neben den oben genannten steuerrechtlichen Voraussetzungen sind auch immer die berufsrechtlichen Vorschriften und die Vorgaben der KVen zu beachten, die unter Umständen einen Gesellschafter mit 0 Prozent nicht als echten Gesellschafter einer Berufsausübungsgemeinschaft anerkennen.

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