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Studienplatz per LandarztquoteDie Landärzte von morgen

Mit nur 20 Jahren vertraglich festzuhalten, wo man mit 40 arbeiten möchte, ist keine leichte Entscheidung. Doch genau diese treffen Studierende, die ihren Medizinstudienplatz per Landarztquote antreten. Wer sind diese Landärztinnen und Landärzte von morgen, was treibt sie an – und wie fühlen sie sich angesichts der drohenden Vertragsstrafe von 250.000 Euro?

Landarztquote: ein Baustein zur Nachwuchsgewinnung.

Dass sie Hausärztin werden wollte, war für Meike Mathes früh klar. Ihre Mutter habe sie als Kinderkrankenschwester seit jeher “medizinisch geprägt”. In der siebten Klasse dann der Schulsanitätsdienst, nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Rettungsdienst.

Erst der Studienbeginn bedeutete einen Knick: Meike Mathes startete als angehende Biologielaborantin – notgedrungen, denn der NC war mit 2,0 für Medizin zu schlecht. “Mir war aber die ganze Zeit klar, dass ich in die Patientenversorgung will”, sagt die 23-Jährige.

Heute ist Meike Mathes eine der ersten 58 Medizinstudierenden, die ihren Studienplatz in Hessen über die Landarztquote bekommen haben. Zum Wintersemester startete das Land mit einer Doppel-Vorabquote für angehende Land- und Amtsärzte.

Zur Erinnerung: Der Masterplan Medizinstudium 2020 räumt den Ländern die Möglichkeit ein, bis zu zehn Prozent ihrer Medizinstudienplätze “vorab an Bewerberinnen und Bewerber [zu] vergeben, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für bis zu zehn Jahre in der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten […] ländlichen Regionen tätig zu sein.”

Zehn Bundesländer haben davon bislang Gebrauch gemacht (siehe Tabelle unten), wie eine Recherche von “Der Hausarzt” bei den Ministerien zeigt.

Der Deutsche Hausärzteverband sieht die Landarztquote als einen Baustein der Nachwuchsgewinnung – neben der noch immer auf sich warten lassenden Umsetzung des Masterplans Medizinstudium in Gänze (siehe auch Artikel “Gute Vorsätze fürs neue Jahr“) sowie einer jüngst erneut von Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) geforderten Erhöhung der Studienplätze.

Darüber hinaus sieht Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier die Länder und Kommunen in der Pflicht, Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem Land zu schaffen, die für den hausärztlichen Nachwuchs attraktiv sind.

Dazu gehören Kitaplätze ebenso wie eine schnelle Internetanbindung. “Derzeit sind bundesweit knapp 4.000 Hausarztsitze nicht besetzt”, erinnert er. Ländliche Gebiete und strukturschwache Ballungsräume seien besonders betroffen.

“Leitplanken” fürs Leben sind gesteckt

Der Preis für die Studierenden, die eben diese Lücke füllen wollen, ist vergleichsweise hoch: In teils noch sehr jungem Alter verpflichten sie sich auf ein Lebensmodell, das bei Unterzeichnung ihres öffentlich-rechtlichen Vertrages mit dem jeweiligen Bundesland noch 20 Jahre in der Zukunft liegt.

Partnerwahl, Familienplanung, Hausbau: All diese Meilensteine liegen oft noch vor ihnen und haben sich damit der Berufswahl unterzuordnen.

Umso “furchteinflößender” sei das Unterzeichnen, weil bereits vor dem Antritt des Bewerbungsverfahrens die Absichtserklärung abgegeben werden müsse, berichtet Meike Mathes. Sprich: Erst einmal bewerben, schauen, wie weit man kommt und dann entscheiden, das war keine Option.

Für einen Vertragsbruch rufen die Länder unisono eine Strafe von 250.000 Euro auf, wie die Umfrage unter den Ministerien zeigt. Teils sind Härtefallregelungen vorgesehen. “Bei allem Optimismus: Das ist schon ein komisches Gefühl”, sagt Studentin Meike Mathes.

Spreu vom Weizen trennen

Möglicherweise ist die extrem hohe Vertragsstrafe ein Baustein in dem Vorhaben, die angehenden Landärztinnen und -ärzte auf Herz und Nieren zu prüfen, ihre Leidenschaft für die hausärztliche Medizin wirklich auf den Prüfstand zu stellen.

Martha Bornscheuer (22) etwa hat sich eigenen Angaben zufolge seit dem Abitur an 30 Unis beworben, auch über die Landarztquote in anderen Ländern sowie die Bundeswehr. Für ihre Unterschrift in Hessen habe sie schließlich keine Sekunde gezögert.

Leidenschaft allein reicht nicht

Um unter den Leidenschaftlichen auch sicher jene herauszufiltern, die für die Tätigkeit auf dem Land geeignet sind, müssen die Bewerber ein strenges Auswahlverfahren durchlaufen. In diesem spielen Hausärztinnen und Hausärzte eine Schlüsselrolle.

Nach der ersten schriftlichen Auswahl, unter anderem anhand von fachspezifischen Ausbildungen oder beruflichen Stationen, haben Meike Mathes und ihre Kommilitonen verschiedene Stationen der “Patientenversorgung” durchlaufen.

Im Rollenspiel musste sie etwa einen “Diabetes-Patienten” zu Ernährung beraten, danach ging es zum nächsten zur Übermittlung von Laborergebnissen. Drei Minuten blieben ihr jeweils zur Vorbereitung – Praxisalltag eben. “Echte” Landärztinnen und -ärzte waren über Zoom zugeschaltet und ins Auswahlverfahren eingebunden.

“Land” ist meist keine Unbekannte

Doch was, wenn Leidenschaft und Eignung zusammenpassen und aus der Absichtserklärung Realität wird? Weiß der ärztliche Nachwuchs, worauf er sich einlässt?

In der Tat wissen die meisten, was “Land” bedeutet, zeigt eine stichprobenhafte Umfrage unter den 58 Erstsemestern der drei hessischen Unis in Frankfurt, Gießen und Marburg.

Der überwiegende Teil von ihnen ist in ländlichen Regionen aufgewachsen, kennt also Strukturschwäche und nachbarschaftliche Nähe aus eigener Erfahrung.

So wie Steffen Reis: Der 21-Jährige kommt aus einem “800-Seelen-Dorf im Hunsrück”. Nach dem 2,2er-Abi hat er eine Ausbildung zum operationstechnischen Assistenten (OTA) begonnen, um “irgendwie in die Medizin zu kommen” – dabei sei die Hausarztmedizin seit einem Praktikum in der achten Klasse sein großer Traum gewesen.

Die mit der Quote einhergehende Verpflichtung bereitet Reis keine Sorgen. “Zur Not wäre ja auch Pendeln eine Option.” In der Tat ist die Residenzpflicht mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz 2012 aufgehoben worden. Eine Praxis auf dem Land und ein Wohnsitz in der nahen Stadt sind seither kein Problem mehr.

Eine Erhebung aus Bayern zeigt, dass die Bewerberinnen und Bewerber darüber hinaus nicht nur “Land”, sondern auch “ihr Land” kennen: Hier kamen dem Landesgesundheitsministerium zufolge zuletzt 88 Prozent der erfolgreichen Kandidaten aus Bayern selbst.

Reine “Stadtkinder” sind Einzelfälle

Und doch gibt es auch Einzelfälle, die sich “blind” in das Landleben stürzen wollen: Manizha Mashal (28) hat seit jeher in der Stadt gelebt – aufgewachsen in Kabul, ist die heute 28-Jährige 2013 nach Deutschland gekommen, seither lebt sie in Frankfurt.

“Ich habe genug vom Stadtleben”, sagt sie. Und ist sicher, dass sie aufs Land will – ohne es zu kennen, wie sie lachend zugibt. Eine künftige Partnerschaft müsse das dann mittragen.

Auch Justin Jobe hat noch nie auf dem Land gelebt. Hessen kennt der 24-jährige Bremer bislang nur von seinem ersten Studium in Kassel. “Ich muss aber auch nicht auf dem Land gelebt haben, um mir sicher zu sein, dass ich die Anonymität der Stadt nicht mehr leben möchte”, ist er überzeugt.

Wunschort ohne Garantie

Ganz sicher sein können sich die heutigen Erstsemester ohnehin nicht, wohin genau es sie mit dem Abschluss verschlägt. Denn sie können zwar Präferenzen für Wunsch-Landkreise angeben, natürlich richtet sich der finale Sitz aber nach der dann aktuellen Bedarfsplanung oder vor Ort freien Sitzen.

Die Studierenden erhalten daher keine Garantie für einen Wunsch-Landkreis. In Sachsen und Hessen gilt dies im Übrigen sogar für den Uni-Standort: Hier kann zwar eine Stadt als Präferenz angegeben werden. “Garantieren können wir Ihnen den Wunschort aber nicht”, heißt es beim Sächsischen Ministerium.

Meike Mathes sieht das nicht als Problem an. Ihr Wunsch wäre, Hausärztin in ihrer Heimat am Rande des Odenwaldes zu werden. Ihr Partner stammt aus einem 180-Einwohner-Ort in der Nähe, kennt Landleben und Region also.

Zuversichtlich zuckt sie mit den Schultern: “Der Bedarf für eine gute Primärversorgung wird gerade auf dem Land weiter steigen. Ich gehe davon aus, dass wir in zehn Jahren relativ freie Wahl haben, wo wir uns niederlassen.”

Fazit

  • Der Masterplan Medizinstudium 2020 eröffnet den Bundesländern die Möglichkeit, bis zu zehn Prozent ihrer Medizinstudienplätze per Landarztquote zu vergeben.
  • Stand Dezember 2022 haben zehn Bundesländer diese Möglichkeit bereits umgesetzt, ein weiteres plant mit der Quote. Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein nutzen die Möglichkeit – teils aufgrund der individuellen Gegebenheiten des Landes – nicht.
  • Im Gespräch mit den Studierenden zeigt sich eine hohe Leidenschaft für die hausärztliche Medizin. Der Großteil stammt selbst aus ländlichen Strukturen; nur Einzelfälle verpflichten sich „blind“ auf das Landleben.
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