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ArzneimittelCannabinoide in der palliativen Situation

Wann ist es sinnvoll, medizinisches Cannabis einzusetzen? Sowohl Tumor- als auch Palliativpatienten könnten von den Effekten auf die Nebenwirkungen der Antikrebs- oder Schmerztherapie profitieren. Aber beim Einsatz ist Vorsicht geboten, warnt eine Expertin.

Nach Chemotherapie und palliativen Bestrahlungen kann Dronabinol helfen, die Medikation zu verringern und die Schmerzen zu lindern, zeigt eine Studie.

Die Datenlage für den Einsatz von medizinischem Cannabis beziehungsweise cannabisbasierten Arzneimitteln bei Tumorpatienten ist bis dato nicht sehr umfassend. Aufgrund der geringen Evidenz sollte Cannabis daher nicht in der Erstlinie eingesetzt werden.

Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Arbeit, die sich kritisch mit dem Thema Cannabis bei Krebspatienten auseinandersetzt [1]. Allerdings besteht den Autoren zufolge “die Möglichkeit, in ausgewählten Einzelfällen einen Behandlungsversuch in Erwägung zu ziehen.” Bei einem Therapieversuch ist auf ein mögliches Interaktionsrisiko von Cannabis mit den modernen Antitumortherapeutika zu achten.

Antikanzerogener Effekt?

Zahlreiche Publikationen befassen sich mit den immunmodulatorischen und antioxidativen Effekten von Cannabis. “Das ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass der Cannabinoid-Rezeptor 2 auch auf den Leukozyten beziehungsweise im Immunsystem vorhanden ist”, erklärte Dr. Claudia Schmalz, Kiel, beim 14. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.

Neben einigen Untersuchungen, die einen Anti-Tumor-Effekt nahelegen, gibt es aber auch gegenteilige Ergebnisse. Etwa in einer prospektiven Beobachtungsstudie mit 102 Menschen mit fortgeschrittenen Tumoren [2]. Etwa 70 Prozent der Teilnehmenden waren männlich, über die Hälfte hatte einen nicht-kleinzelligen Lungentumor. Alle erhielten eine Immuntherapie, 34 konsumierten zusätzlich Cannabis.

In der Gruppe der Cannabiskonsumenten wurde eine deutlich kürzere mediane Zeit bis zur Tumorprogression (3,4 Monate vs. 13,1 Monate) und ein schlechteres medianes Gesamtüberleben (6,4 vs. 28,5 Monate) beobachtet. “Es ist also Vorsicht geboten, bei einer Cannabis-Therapie parallel zur Immuntherapie”, mahnte Schmalz.

Ein positiver Effekt wurde allerdings doch ermittelt: Die Cannabiskonsumenten litten unter weniger unerwünschten Nebenwirkungen aufgrund der Immuntherapie. So traten Hauttoxizitäten nur bei zwei Konsumenten gegenüber neun Patienten ohne Cannabis auf. Auch Colitis oder Schilddrüsenerkrankungen waren in der Cannabis-Gruppe seltener (6 vs. 0 und 6 vs. 2).

Einen gerechtfertigten Einsatz von Cannabis schilderte Schmalz am Beispiel einer 55-jährigen Patientin mit langjährigem Tumorleiden. Aufgrund eines Urothelkarzinoms der Harnblase war sie operativ und mit Chemotherapie behandelt worden.

Im weiteren Verlauf entwickelte sie immer wieder ossäre Metastasen und erhielt eine Immuntherapie sowie mehrere palliative Bestrahlungen. Sie litt unter sehr starken Schmerzen, und eine dadurch stark verringerte Lebensqualität. “Unser Anliegen war es, die Schmerzen zu lindern, ihren Appetit zu steigern und die Übelkeit zu verringern”, erklärte die Radiologin.

Vor der Entlassung erhielt sie daher neben Hydromorphon, Metamizol, Pregabalin, Dexamethason und Lidocain (lokal) auch zweimal täglich 5 mg Dronabinol. “Sie benötigte kaum mehr Bedarfsmedikation und wir konnten sie so mit gutem Gewissen nach Hause entlassen”, berichtete Schmalz.

Multiple Therapieeffekte nutzen

Gerade in der Geriatrie beziehungsweise in der palliativen Medizin gebe es zahlreiche Einsatzgebiete für Cannabinoide. Dazu zählen Schmerzen, Kachexie, Übelkeit und Erbrechen sowie Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und ängstliche Dysphorie. “Wenn wir es schaffen, dieses Symptomcluster zu behandeln, können wir im besten Fall eine Patientenzufriedenheit erreichen und die Lebensqualität verbessern”, erklärte Dr. Barbara Hoffmann vom Zentrum für Altersmedizin des Klinikums Klagenfurt am Wörthersee. Ihr Ansatzpunkt für eine Cannabis-Therapie mit THC ist häufig der mangelernährte Mensch.

Die Effektivität und Nebenwirkungen einer Dronabinoltherapie bei geriatrischen Schmerz- und Palliativpatienten untersuchte eine retrospektive Kohortenstudie, welche die ambulante kassenärztliche Therapie analysierte [3]. Die Studie umfasste geriatrische Menschen ab 80 Jahren, die in nicht-palliative Schmerzpatienten (Gruppe A) und geriatrische Palliativpatienten (Gruppe B) unterteilt wurden.

Mit Dronabinol erreichten 52,5 Prozent (21/40) der geriatrischen Patienten eine Schmerzlinderung von über 30 Prozent. Zehn Prozent der Patienten zeigten um mehr als die Hälfte verringerte Schmerzen. Allerdings war die Teilnehmerzahl sehr gering. Insgesamt wurden 215 verschiedene Symptome oder therapiebedingte Nebenwirkungen durch Dronabinol positiv beeinflusst, darunter Schwindel, Stimmung, Reizbarkeit, Muskelverspannung, Schlaf, Appetit oder Depressivität. Bei etwa einem Drittel der Patienten besserten sich mehr als drei Symptome oder Nebenwirkungen.

Zudem konnten Opioide eingespart werden: 33 Prozent der Patienten setzten die Opioidtherapie ab, 35 Prozent konnten die Einnahme um 10 bis 60 Prozent reduzieren. Eine Bedarfsmedikation war bei 10 Prozent der Patienten nicht mehr erforderlich. Die Tagesdosis lag bei 1,4 bis 23,1 mg, die mittlere Tagesdosis betrug 6,3 mg Dronabinol (2,5 Prozent ölige Lösung). “Dass man mit diesen geringen Mengen bereits gute Ergebnisse erzielen kann, deckt sich mit meiner klinischen Erfahrung”, bestätigte Hoffmann.

Erfahrungen in der Praxis

In einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin beim DGS-Kongress wurden die Teilnehmenden gefragt, welche Rolle die multiplen Therapieeffekte von Cannabis-Wirkstoffen bei ihrer Therapieentscheidung spielen [4]. Für 41,1 Prozent stand die Schmerzlinderung im Vordergrund der Entscheidung und 58,8 Prozent setzen bewusst auf die multiplen Effekte der Cannabis-Wirkstoffe – vor allem, um die Lebensqualität der Erkrankten zu verbessern.

Desweiteren wurde nach der therapeutischen Erfahrung hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils der Cannabinoide im Vergleich zu Standard-Schmerztherapien gefragt. Hier bestätigten 44,9 Prozent, dass häufig ein günstigeres Nebenwirkungsprofil vorliege. 45,5 Prozent beobachteten manchmal ein günstigeres Profil und 8,2 Prozent nur selten.

Literatur

  1. Zomorodbakhsch B, Hübner J. Die Onkologie 2022; 28:713-718
  2. Bar-Sela G et al. Cancers 2022; 14(8):1957
  3. Wendelmuth C et al. Der Schmerz 5/2019
  4. Horlemann J Schmerzmedizin 2022; 38(4)
  5. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), in Bremen und online.
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