ExpertengesprächTSH: Ab 70 Jahren gelten höhere Grenzwerte

Im letzten Jahr wurde die DEGAM-Leitlinie "Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis" aktualisiert. Dr. med. Jeannine Schübel, Dresden, gehört dem Autorenteam der Leitlinie an und erklärt im Experten-gespräch, worauf in der hausärztlichen Praxis zu achten ist.

Liegt nur ein erhöhter TSH-Wert als Hinweis auf eine Veränderung der Schilddrüse vor, rechtfertigt dies keine Sonografie.

Das TSH ist der wichtigste Parameter für die Schilddrüsenfunktion. Sollte man den Wert gelegentlich im Sinne eines Screenings bestimmen?

Dr. Jeannine Schübel: Die Leitlinie spricht sich eindeutig gegen eine anlasslose Bestimmung des TSH aus. Man sollte es also bei Patienten ohne entsprechende Beschwerden nicht routinemäßig auf der Laboranforderung ankreuzen.

Bei welchen Beschwerden ist die Messung dann indiziert?

Leider sind die Symptome einer Hypothyreose sehr unspezifisch. In einer Studie ließen sich keine typischen Beratungsanlässe bei Patienten mit bekannter oder neu diagnostizierter Hypothyreose identifizieren. Zudem kann eine Schilddrüsenunterfunktion komplett asymptomatisch verlaufen.

Notwendig ist eine TSH-Bestimmung aber zum Beispiel, wenn Patienten aus unklaren Gründen an Gewicht ab- oder zunehmen, neuerdings stark schwitzen oder häufig frieren, über Haarausfall berichten, oder bei ungewöhnlich hohen Cholesterin- und Triglyzeridwerten.

Ab wann gilt das TSH gemäß der aktualisierten Leitlinie als erhöht?

Bisher lag die Schwelle allgemein bei einem Wert von 4,0 mU/l. Jetzt wird auch das Alter berücksichtigt. Zwischen 18 und 70 Jahren bleibt es beim Grenzwert von 4,0, zwischen 70 und 80 Jahren beträgt er jetzt 5,0 und im Alter darüber 6,0 mU/l. Man weiß heute, dass das TSH mit zunehmendem Alter physiologisch ansteigt, ohne dass dies negative Folgen hat.

Welche Diagnostik schließt sich an, wenn das TSH auch gemäß den neuen Grenzwerten erhöht ist?

Wenn das TSH zum ersten Mal zwischen 4,0 und 10,0 mU/l liegt und keine schilddrüsentypischen Beschwerden bestehen, kontrolliert man den Wert zum Beispiel nach vier Wochen erneut, denn es gibt eine Reihe von Faktoren, die das TSH vorübergehend beeinflussen können.

Bei einem Wert über 10,0 mU/l bestimmt man das TSH aber zeitnah noch mal und misst auch das fT4 mit. Ein verringertes fT4 spricht für eine manifeste Hypothyreose, ein normales fT4 für eine latente Hypothyreose. Im letzteren Fall kann man einmalig die TPO-Antikörper bestimmen, um eine Hashimoto-Thyreoiditis auszuschließen. Für die weitere Betreuung hat das Ergebnis aber kaum eine Relevanz, daher kann man auf die Bestimmung auch verzichten.

Wie geht man bei einem TSH unter 0,4 mU/l weiter vor?

Wenn keine Symptome einer Hyperthyreose wie Herzrasen, starkes Schwitzen oder hoher Blutdruck bestehen, würde ich auch hier zunächst das TSH zeitnah kontrollieren. Bestätigt sich ein Wert unter 0,4 mU/l, folgt die Messung der freien Schilddrüsenhormone fT4 und auch fT3. Während das fT3 für die Diagnostik einer Hypothyreose keine Bedeutung hat, gehört es zur Abklärung einer Hyperthyreose dazu.

Folgt nach Feststellen eines erhöhten TSH routinemäßig eine Sonografie?

Die Leitlinie sagt hier klar: nein – das wäre Überdiagnostik. Die alleinige Erhöhung des TSH-Werts als Hinweis auf eine funktionelle Veränderung der Schilddrüse rechtfertigt keine Sonografie, die ja morphologische Veränderungen prüft.

Wie steuert man eine Substitutionstherapie mit Levothyroxin bei bestätigter Hypothyreose?

Maßgeblich ist ausschließlich das TSH. Das gilt auch bei einer Hashimoto-Thyreoiditis, das heißt die wiederholte Bestimmung von TPO-Antikörpern ist nicht therapierelevant und daher sinnlos. Der Zielkorridor liegt zwischen 0,4 und 4,0 mU/l.

Früher hat man das TSH oft in den niedrignormalen Bereich gedrückt. Das birgt aber das Risiko einer gefährlichen Überdosierung. Außerdem erhöht ein Wert unter 0,4 mU/l gemäß der neuen Leitlinie des DVO das Risiko für eine Osteoporose. Daher sollte man das TSH eher im mittleren bis hochnormalen Bereich halten, also zum Beispiel bei 3,5 mU/l.

?In welchen Abständen sollte man das TSH zur Therapieüberwachung bestimmen?

Zu Beginn kontrolliert man das TSH etwa nach einem halben Jahr, bei einer stabilen Langzeiteinstellung genügen Intervalle von einem Jahr. Liegt die Tagesdosis unter 125 µg, kann man die Abstände auf zwei Jahre ausdehnen, wenn nicht auch Medikamente wie Amio-daron oder Lithium eingenommen werden.

Viele Patienten erhalten Levothyroxin über viele Jahre. Kann es sinnvoll sein, gelegentlich zu prüfen, ob sie es überhaupt noch benötigen?

Ja. Gerade bei Patienten, die man aus anderen Praxen mit dieser Medikation übernommen hat, ist oft unklar, warum sie es verordnet bekamen und ob sie Levothyroxin noch benötigen.

Wie prüft man das?

Wenn geringe Dosen von bis zu 75 µg eingenommen werden, kann man einen Reduktionsversuch machen und die Dosis um 25 µg verringern. Bewegt sich das TSH bei einer Kontrolle nach acht Wochen noch im Zielbereich, kann man die Dosis weiter senken.

Auch ein TSH-Anstieg über 4,0 mU/l – bzw. der altersabhängige Grenzwert – ist tolerabel, denn auch eine latente Unterfunktion mit Werten bis 10,0 mU/l ist insbesondere bei älteren Menschen nicht behandlungspflichtig.

Was sagt die neue Leitlinie zum TSH bei Schwangeren?

Der Grenzwert liegt auch in der Schwangerschaft bei 4,0 mU/l.

Ist ein TSH-Screening zu Beginn der Schwangerschaft sinnvoll?

Nein. Bei einer Schwangeren, die bislang kein Levothyroxin bekommen hat, soll kein TSH-Screening erfolgen. Dagegen ist das TSH bei vorbestehender Substitution mindestens einmal pro Trimenon zu bestimmen. 70 bis 80 Prozent der Frauen benötigen mit Beginn der Schwangerschaft eine um 20 bis 30 Prozent höhere Dosis. Wichtig ist, das Levothyroxin nach der Entbindung wieder auf den vorherigen Wert zu reduzieren. •

Vielen Dank für das Gespräch.

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