SchlafmedizinTempora mutantur – das gilt auch für den Schlaf

Ihre 31. Jahrestagung stellte die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) unter das Motto "Schlaf in Zeiten des Wandels". Dass sich die Zeiten ändern und nicht nur zum Guten wandeln, wirkt sich auch auf die Schlafqualität aus.

Mal wieder schlecht geschlafen… Dass dies keine subjektive Wahrnehmung ist, sondern zunehmend tatsächlich zutrifft, zeigt eine aktuelle Schlafstudie aus den USA. Durchgeführt von der US-amerikanischen Schlafakademie und dem Unternehmen Samsung wurden dabei die anonymen User-Daten von Schlaf-Apps aus rund 716 Millionen Nächten ausgewertet. Im Zeitraum von Juni 2021 bis Mai 2023 hat die durchschnittliche Schlafzeit um vier Minuten von 7:03 auf 6:59 Stunden abgenommen und sank damit unter die empfohlene 7-Stunden-Grenze.

Das Spannende an diesen Ergebnissen, die sich laut Prof. Dr. Ingo Fietze, DGSM-Kongresspräsident und Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Charité-Universitätsmedizin Berlin, auf Deutschland und andere westliche Industrieländer übertragen lassen: Es wird nicht weniger Zeit im Bett verbracht, sondern die Wachzeit im Schlaf hat zugenommen.

“Das heißt, dass der Schlaf insgesamt schlechter geworden ist”, so Prof. Fietze. Der bedeutsamste Trigger dafür ist Stress, “vor allem hervorgerufen durch Inflation und finanzielle Schwierigkeiten, immer mehr Kriege und steigende Kriminalität sowie COVID und andere hochinfektiöse Erkrankungen”. Dazu addieren sich Lichtverschmutzung und Lärm, “Schlafkiller Nummer eins”: “Allen voran Schnarchen des Bettpartners, aber auch Lärmbelastung von außen”. Daneben gibt es weitere gewichtige Gründe, die um die Nachtruhe bringen: Die Umweltbedingungen, “deren Einfluss auf den Schlaf künftig mehr in den Fokus der Wissenschaft rücken sollte”.

Das Klima raubt uns den Schlaf

Und das in zweifacher Hinsicht. Zunächst physiologisch, denn es verändert den natürlichen Temperaturzyklus. Tage und Nächte werden immer wärmer, weshalb die Körperkerntemperatur zu wenig sinkt und so Müdigkeitsgefühl und Einschlafen erschweren. “Bei nächtlichen Temperaturen um die 29 Grad Celsius kann niemand mehr qualitativ gut schlafen”, warnt Prof. Fietze. “Prognosen zufolge werden zunehmend mehr Nächte einen beeinträchtigten Schlaf wegen zu hoher Temperaturen aufweisen”.

Die globale Klimaveränderung hat auch psychologische Folgen: Immer mehr Schlafstörungen sind durch die Angst davor bedingt, gibt Psychologin Prof. Dr. Kneginja Richter, Chefärztin der CuraMed-Tagesklinik Nürnberg, zu bedenken. “Die ständigen negativen Nachrichten in Verbindung mit dem Klimawandel unterstützen das katastrophenbehaftete Denken bis hin zu depressivem Grübeln”.

Diese Klimaangst, medizinisch Eco-Anxiety genannt, findet sich besonders häufig bei jungen Menschen zwischen zwanzig und dreißig Jahren. Sie stehen unter anhaltendem Stress und dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit. “Das raubt den Schlaf und macht krank, bis hin zu einer Angststörung oder Depression”. Diese wiederum ebnet nachgewiesenermaßen den Weg in die Insomnie.

Besser schlafen im DiGA-Land

Im Rahmen der Digitalen Gesundheitsanwendungen, DiGA, können Apps auf Rezept verordnet werden; auch zur Therapie von Insomnie. “Hier ist Deutschland Vorreiter und europaweit führend”, freut sich Prof. Dr. rer. physiol. Thomas Penzel, Vorsitzender der DGSM und wissenschaftlicher Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Charité-Universitätsmedizin Berlin.

Wie gut eine digitale kognitive Verhaltenstherapie wirkt, zeigte kürzlich eine Anwendungsbeobachtung an 5.000 Personen [1]. Bei 57 Prozent hatte sich die Insomnie nach der Anwendung deutlich verbessert, mit positiven Effekten auf das Tagesbefinden. 38 Prozent der Anwender hatten gar keine Ein- und Durchschlafstörungen mehr. Angesichts dieser Effektivität verwundert es, dass Schlaf-DiGA noch wenig verschrieben werden – besonders von Hausärzten, in aller Regel erste Anlaufstelle für die Betroffenen. Schlafmediziner sehen hier Bedarf für weitere Aufklärungsarbeit, um niedergelassene Allgemeinmediziner vom Nutzen digitaler Behandlungsoptionen zu überzeugen.

Schlafmedizin auch im BGM verankern

Belegt, doch bislang von den Arbeitgebern verschlafen: Wer schlecht schläft, ist am Arbeitsplatz weniger produktiv. Prävention und Therapie von Schlafstörungen sollten zukünftig verstärkt in das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) integriert werden, empfiehlt Prof. Richter. “Arbeitgeber sollten frühzeitig schlaffördernde Maßnahmen anbieten, da sonst den Mitarbeitern ernsthafte und langfristige Erkrankungen drohen”. Die Bundeswehr ist bereits mit gutem Beispiel vorangegangen: Sie bietet seit 2023 allen Mitarbeitern das Online-Schlafcoaching “trainSLEEP” als Präventivkurs an. Die Resonanz ist bestens.

Erster DORA verfügbar

Am Himmel der Insomnie-Therapie sei ein neuer Stern aufgegangen: Daridorexant, erster Vertreter der neuen Wirkstoffklasse der dualen Orexin-Rezeptor-Antagonisten, kurz DORA. Er ist in Deutschland seit Mitte 2023 zur Langzeittherapie von Erwachsenen mit Schlafstörungen über mindestens drei Monate hinweg zugelassen.

Daridorexant hebt die wachmachende Wirkung der beiden Neuropeptide Orexin A und B im Hippocampus auf. Dabei sei er gut verträglich, da ohne Abhängigkeitsrisiken, Rebound beim Absetzen und Hang-over-Effekte. Fietze wertet die Einführung des Wirkstoffs als großen Fortschritt, “da bei chronischen Schlafstörungen meist dauerhaft therapiert werden muss”. Mit anderen Präparaten war “die Anwendungsdauer bis dato immer nur auf ein paar Wochen begrenzt”. Prinzipiell kann Daridorexant von Hausärztinnen und Hausärzten verordnet werden. Fietze empfiehlt jedoch, die Patienten dazu zur vertieften Diagnosestellung an die schlafmedizinischen Fachkollegen zu verweisen. •

Quellen:

Vorträge im Rahmen der 31. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM)

1. Maurer L. F. et al. Real-World-Evidenz für den Einsatz von digitaler kognitiver Verhaltenstherapie. Somnologie 2023; www. doi.org/10.1007/s11818-023-00422-7

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