Editorial HA 07/22Wohin mit der Angst?

Täglich neue Bilder und Nachrichten aus dem Krieg in der Ukraine. Wir sind entsetzt und schockiert, möchten helfen und fühlen uns dennoch machtlos. Und wir haben Angst vor dem, was eventuell noch kommen mag.

Im Oktober 2021 waren laut Statista die größte Angst der Deutschen noch Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen durch Corona (53 Prozent), gefolgt von steigenden Lebenshaltungskosten und der EU-Schuldenkrise (50 Prozent). Auch wenn solche “Realängste” an sich nicht als “krank” gelten – auf Dauer können sie krankmachen, so Prof. Andreas Ströhle von der Spezialambulanz für Angsterkrankungen der Charite.

Angsterkrankungen haben zugenommen

Eine Analyse der KKH Kaufmännische Krankenkasse ergab, dass zwischen 2010 und 2020 in Deutschland behandlungsbedürftige Angsterkrankungen um 39 Prozent zugenommen haben. Damit litten rund 109.000 Menschen (ca. 6,3 Prozent aller KKH Versicherten) an einer Panik- oder generalisierten Angststörung.

Besonders auffällig ist die Zunahme unter jungen Menschen: 51 Prozent bei den 18- bis 24-Jährigen, bei den 12- bis 17-Jährigen sogar circa 82 Prozent. Da sollten sämtliche Alarmglocken schrillen.

Menschen mit Angsterkrankungen sind generell häufig in der Hausarztpraxis anzutreffen. Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine können das Leben solcher Menschen zusätzlich destabilisieren. Auch die Corona-Pandemie trägt zur Destabilisierung bei und die Auswirkungen von über zwei Jahren Pandemie sind längst nicht bewältigt.

Neben den körperlichen Symptomen sollte deshalb auch vermehrt die psychische Gesundheit der Patienten im Blick behalten werden, denn oft werden Angstsymptome durch andere Symptome überlagert. Und niemand ist so nah am Patienten wie Sie als Hausärztinnen und Hausärzte!

Neue Leitlinie zu Angststörungen

Letztes Jahr ist eine neue Version der S3-Leitlinie zu Angststörungen erschienen. Diese schlägt für die Diagnosestellung ein Prozedere vor, was auch Screening-Fragen enthält; zur Verfügung stehen ergänzende Fragebögen. Die Fragebögen helfen auch dem Patienten, mehr über seine Erkrankung zu erfahren.

Und generell gilt für uns alle: Nicht die Zuversicht und das Vertrauen verlieren, dass es wieder besser wird – auch wenn es manchmal schwer fällt.

Es grüßt Sie herzlich Ihre

Dr. Monika von Berg

Chefredakteurin “Der Hausarzt”

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