"Rauchende Köpfe"Pneumokokken: Impfchaos mit Regress-Risiko

Auf einmal trifft Prevenar20® statt des bestellten Apexxnar® in der Praxis ein: Die Namensänderung hat zu Wirrwarr bei der Pneumokokkenimpfung geführt – und birgt auch ein Regressrisiko.

Es gibt etliche unterschiedliche Serotypen von Pneumokokken.

Apexxnar® heißt jetzt Prevenar20®: Diese Namensänderung hat viele Praxen überrascht. Die “Rauchenden Köpfe” sortieren daher das Wirrwarr um die Pneumokokkenimpfstoffe – vor allem weil hier auch ein Regressrisiko besteht. Was hat sich geändert?

Neben dem neuen Namen ist Prevenar20® nun seit März auch für Kinder und Jugendliche ab sechs Wochen zugelassen.

Cave: Kassenleistung ist dieser Impfstoff jedoch für Kinder und Jugendliche nicht, die STIKO empfiehlt weiter die Anwendung von PCV13 oder PCV15!

Diese Impfstoffe gibt es

  1. Serotypen: Hierzu muss man wissen, dass es etliche unterschiedliche Serotypen der Pneumokokken gibt. In den Impfstoffen sind unterschiedlich viele Serotypen enthalten, freundlicherweise steht es meistens im Namen dabei – Prevenar13® beispielsweise enthält 13 Serotypen, Pneumovax23® deckt 23 Typen ab. Nun könnte man meinen, dass man einfach den Impfstoff nimmt, der die breiteste Abdeckung erlaubt. Leider ist das nicht ganz so einfach, denn es gibt einen weiteren Unterschied:
  2. Impfstofftypen: Bei der Impfung wird eine Immunantwort auf ein Polysaccharid ausgelöst. Polysaccharide sind Zuckerketten und im Impfstoff sind solche enthalten, die auf der Oberfläche der Pneumokokken-Bakterien vorkommen (das sogenannte Antigen).

Diese Polysaccharide kommen entweder “pur” im Impfstoff vor, dann handelt es sich um einen Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff (PPSV). Diese gibt es bereits seit den 1970er Jahren. Aktuell auf dem Markt in Deutschland verfügbar ist noch PPSV23, besser bekannt unter dem Handelsnamen Pneumovax23®.

Da die PPSV-Impfstoffe aber besonders bei Kindern unter zwei Jahren keine ausreichende Immunantwort auslösen und auch bei Immunsupprimierten schlecht wirken, hat man sogenannte Konjugat-Impfstoffe entwickelt (Pneumokokken-Konjugat-Vakzine, abgekürzt PCV), bei der die Antigene an ein Eiweiß-Molekül gebunden (konjugiert) werden. Diese rufen eine stärkere Immunantwort hervor und wirken in der Regel besser bei Auffrischungen.

Nun muss man in der Praxis also abwägen zwischen der Breite der Abdeckung und der Stärke der Immunantwort (Tab. 1 unten).

Aus diesen Überlegungen resultieren die Impf-Empfehlungen der letzten Jahre, in denen Pneumovax23® (breite Abdeckung, aber PPSV) als Standardimpfung für Menschen ab 60 Jahren sowie als Indikationsimpfung für Menschen mit chronischen Erkrankungen empfohlen wurde.

Während Babys die Impfung mit einem Konjugatimpfstoff bekamen, Menschen mit Immunschwäche wurde gar eine Kombination aus beiden Impfstoffen empfohlen (“sequentielle Impfung”).

STIKO-Empfehlung unverändert

Soweit zu den Prinzipien und zur Vorgeschichte. Aktuell ist nun mit Apexxnar® – der jetzt Prevenar20® heißt – ein Konjugatimpfstoff verfügbar, der 20 Serotypen abdeckt. Die STIKO hat 2023 entschieden, diesen Impfstoff sowohl für chronisch Kranke ab 18 Jahren als auch für Gesunde über 60 Jahren sowie Erwachsene mit beruflicher Indikation (Arbeit mit Metalldämpfen) zu empfehlen (Tab. 2 unten).

Für Kinder war der Impfstoff bis vor kurzem nicht zugelassen. Seit März 2024 ist nun Prevenar20® auch für Kinder und Jugendliche zugelassen (ab 6 Wochen Lebensalter). Die STIKO hat sich Anfang August dazu geäußert (“Der Hausarzt” berichtete), empfiehlt aber weiterhin die Anwendung von PCV13 oder PCV15 im 2+1-Schema für gesunde, reifgeborene Säuglinge. Ebenso bleibt die STIKO bei der Empfehlung von PCV13 oder PCV15 für Frühgeborene, allerdings im 3+1-Schema.

Über die Anwendung von PCV20 als Indikationsimpfung bei Kindern mit Risikofaktoren könne auf Grundlage der bisherigen Daten keine abschließende Entscheidung getroffen werden.

Darum geht Prevenar20® bei Kindern nicht auf Kasse

Die Gesetzlichen Kassen übernehmen die Kosten für Prevenar20® bei Kindern aktuell also nicht. Denn zur Kassenleistung werden Impfungen erst, wenn sie in der Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aufgeführt sind. Der übliche Ablauf ist folgender:

  1. Zuerst erfolgt die Zulassung eines Impfstoffes.
  2. Als nächstes benötigen wir eine Empfehlung der STIKO. Ab diesem Zeitpunkt könnten Ärztinnen und Ärzte die Impfung als öffentlich empfohlene Impfung verabreichen, der Staat würde für etwaige Impfschäden haften. Bei gesetzlich Versicherten müsste der Impfstoff jedoch privat rezeptiert und die Impfleistung nach GOÄ (Nr. 375) abgerechnet werden.
  3. Im nächsten Schritt beschäftigt sich der G-BA mit der STIKO-Empfehlung. In der Regel übernimmt er diese in die Schutzimpfungsrichtlinie. Wenn die Änderung im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf die Kassenleistung.

Derzeit könnte man daher die Impfung als Privatleistung anbieten, in der Regel erstatten die Krankenkassen die Rechnung den Versicherten auch. Tipp: Da es sich um mitunter hohe Beträge handelt, sollten Versicherte sich dies ggf. vorher schriftlich bestätigen lassen.

Kein Bezug über Sprechstundenbedarf

Keineswegs kann man derzeit den Impfstoff aber auf Sprechstundenbedarf (SSB) beziehen und über die KV-Abrechnung abrechnen! Das wäre voreilig und entspräche nicht der von uns Deutschen so geliebten Bürokratie…

Nun müssen nämlich noch die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen eine regionale Impfvereinbarung abschließen: Sie regelt, wie Praxen den Impfstoff beziehen sollen und wie sie für die Impfleistung bezahlt werden.

So könnte es beispielsweise passieren, dass Ärztinnen und Ärzte in einem KV-Bereich einen Impfstoff bereits über Sprechstundenbedarf bestellen können, in einer anderen KV aber Rezepte individuell mit dem Namen der Versicherten ausgestellt werden müssen, während wiederum in anderen Regionen die Verhandlungen noch ein paar Monate laufen können.

Merke: Sollten Sie daher fahrlässigerweise glauben, Sie könnten, nur weil die STIKO und der G-BA eine Empfehlung herausgegeben haben, bereits einen Impfstoff über SSB beziehen, können Sie sich bereits auf einen Regress freuen. Der könnte bei den üblichen Preisen für Impfstoffe durchaus schmerzlich werden.

Dass es sich hierbei leider nicht nur um graue Theorie handelt, wissen die Kolleginnen und Kollegen, die im Wirrwarr um die HPV-Impfung vor einigen Jahren den Impfstoff fälschlich über Sprechstundenbedarf oder namentliches Rezept für die einzelne Patientin bezogen haben – je nachdem, welche Regelung gerade in der eigenen KV gültig war.

Aktuell wird der HPV-Impfstoff nach unserer Kenntnis in allen KVen über Sprechstundenbedarf rezeptiert, aber fragen Sie im Zweifelsfall lieber Ihre KV.

Fazit: Bei neuen Impfempfehlungen zunächst die Füße stillhalten und auf den offiziellen “Startschuss” der eigenen KV warten!

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