Chronische DarmerkrankungenCED: Welche Patienten von Biologika profitieren

Therapieziel bei der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn ist eine steroidfreie Remission. Ein Teil der Patienten kann dabei von Biologika profitieren.

Die Colitis ulcerosa betrifft vom Rektum ausgehend Teile des Dickdarms oder das gesamten Kolons, wobei der Befall immer kontinuierlich ist. Morbus Crohn kann diskontinuierlich den gesamten Magen-Darm-Trakt vom Analbereich bis zum Mund befallen.

Im Vordergrund stehen bei der Colitis ulcerosa Bauchbeschwerden und Blutbeimengungen beim Stuhl. Beim Morbus Crohn dominieren neben Bauchbeschwerden eher Durchfälle und Fieber, während Blutbeimengungen im Stuhl hier nicht das führende Symptom sind. Die Verläufe der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen können sehr unterschiedlich sein [1, 2]. Es gibt leichte und sehr schwere Verläufe, häufig kommen auch Verläufe mit wiederholtem Wechsel zwischen Schub und Remission oder einer chronischen Aktivität vor. Etwa 50 Prozent der Patienten mit Morbus Crohn und etwa 40 Prozent der Patienten mit Colitis ulcerosa haben Verlaufsformen, die eine intensivere Therapie z. B. mit Immunsuppressiva oder Biologika benötigen. Ziel ist, wegen der potenziellen Nebenwirkungen der Steroide steroid-abhängige Verläufe unbedingt zu vermeiden.

Einleitung einer Step-up-Therapie

Klassisch ist die Step-up-Therapie über eine Einstellung auf Azathioprin und bei nicht ausreichendem Ansprechen eine Umstellung auf Biologika (Abb. 1). Es gibt aber auch Verläufe mit schwerer Krankheitsaktivität, Fisteln beim Morbus Crohn oder einem schweren Schub bei der Colitis ulcerosa, bei denen man nicht 8 bis 12 Wochen auf das Ansprechen von Azathioprin warten kann, und es primär sinnvoll wäre, eine Biologika-Therapie ohne eine vorherige Azathioprin-Therapie zu beginnen.

Biologika-Therapie im Überblick

In Deutschland sind zur Therapie mit Biologika bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen insbesondere die Anti-TNF-alpha-Antikörper (Infliximab, Adalimumab und Golimumab nur bei der Colitis ulcerosa) zugelassen. Daneben gibt es weitere Biologika wie Vedolizumab und Ustekinumab, die ebenfalls die Zulassung bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn haben.

Ca.50% der Patienten mit Morbus Crohn, ca.40% der Patienten mit Colitis ulcerosa haben Verlaufsformen, die eine immun-suppressive oder Biologika-Therapie benötigen.

Bei der Indikation zur Verordnung von Bio-logika spielen neben medizinischen Gesichtspunkten nach dem aktuellen ECCO-Algo-rithmus für den Morbus Crohn (Abb. 2) [4] sicherlich auch ökonomische Vorgaben und Zwänge eine Rolle. Für Infliximab und Adalimumab gibt es inzwischen Biosimilars, die um bis zu 40 bis 50 Prozent billiger als das Originalpräparat sind. Es gibt viele Studien, die eine vergleichbare Wirksamkeit von Nachahmer- und Originalpräparaten gezeigt haben. Auch bezüglich der Nebenwirkungen ergeben sich keine relevanten Unterschiede, sodass man durch die Verordnung der Biosimilars deutlich finanzielle Ressourcen im Gesundheitssystem einsparen kann, um so ggf. mehr Patienten die notwendige Biologika-Therapie zukommen lassen zu können.

Die prospektive randomisierte NOR-SWITCH-Studie zeigte, dass die Therapieumstellung vom Originalpräparat auf ein Biosimilar nach einer erfolgreichen Therapie zu keinem Nachteil für die Patienten führt [5].

Als weitere Entwicklung werden demnächst zu Infliximab und Vedolizumab, die bisher nur für die intravenöse Applikation verfügbar sind, auch Formulierungen für die subkutane Anwendung auf den Markt kommen.

Die Häufigkeit der Biologika-Therapie in Deutschland liegt nach Krankenkassendaten bei etwa 10 Prozent beim Morbus Crohn und etwa 6 Prozent bei der Colitis ulcerosa [6]. Dies deckt sicherlich noch nicht alle Patienten, die einer Biologika-Therapie bedürfen, ab.

Anpassungen der Therapie

Die Biologika-Therapie wird zunächst nach den in der Fachinformation vorgegebenen Dosierungsvorgaben gestartet. Häufig sind aber Dosisanpassungen notwendig, sodass nicht wenige Patienten zum Beispiel eine erhöhte Adalimumab-Dosis von 40 mg nicht alle zwei Wochen, sondern wöchentlich subkutan bekommen; dies ist in bis zu 30 Prozent der Fälle erforderlich. Auch bei den anderen Biologika wie Infliximab, Vedolizumab und Ustekinumab sind solche Dosisanpassungen notwendig. Bei Infliximab und auch bei Adalimumab kann hier ein therapeutisches Drug-Monitoring mit Talspiegeln und Anti-Drug-Antikörpern hilfreich sein.

Betrachtet man die wirklich verordneten Biologika-Dosierungen anhand von Krankenkassendaten aus Deutschland [7], dann zeigt sich, dass die Biologika gegenüber den Dosierungsempfehlungen in der Fachinformation im Schnitt in einer 50 bis 60 Prozent höheren Dosierung verwendet wurden (durch eine Erhöhung der Dosierung oder eine Verkürzung des Dosierungsintervalls).

Infliximab, Adalimumab und Golimumab sind Anti-TNF-alpha-Antikörper, die in mehr oder weniger stark ausgeprägtem Maß auch Antikörper gegen das Medikament induzieren können, die in bis zu 20 Prozent der Fälle pro Jahr zu einem Wirkungsverlust führen können. Bei Infliximab kann man diese Antikörperbildung eher unterdrücken, indem man zusätzlich eine Begleittherapie mit Azathioprin durchführt, die deutlich wirksamer als die Einzeltherapie mit Infliximab ist, aber durch die duale Immunsuppression vermehrte Nebenwirkungen haben kann. Dies ist jeweils abzuwägen. Man sollte im Verlauf versuchen, ob die Therapie auch allein mit Infliximab ohne Azathioprin erfolgreich weitergeführt werden könnte.

Differenziert entscheiden

Prinzipiell sind die verschiedenen zugelassenen Biologika bei allen CED-Patienten wirksam, aber es gibt auch Unterschiede. Bei der Entscheidung, welches Biologikum verwendet wird, spielen die aktuelle Krankheitssituation, die Vorgeschichte, die Komedikation, Kinderwunsch, Therapieziele, das Alter, der Patientenwunsch und Komorbiditäten eine wesentliche Rolle.

Außerdem müssen insbesondere auch die Sicherheitsaspekte im Hinblick auf potenzielle Nebenwirkungen berücksichtigt werden. Hier liegen bezüglich Verträglichkeit und Nebenwirkungen Vedolizumab und Ustekinumab vorne [8], darauf folgt die Monotherapie mit einem Anti-TNF-alpha-Antikörper und danach die Thiopurine mit Azathioprin. Am nebenwirkungsträchtigsten ist die Kombinationstherapie aus Anti-TNF-Antikörpern mit Azathioprin. Das höchste Nebenwirkungsrisiko hat eine weitergeführte Steroidtherapie.

Welches Biologikum ist für welchen Patienten am ehesten geeignet?

  • Als Induktionstherapie bei einem notwendigen raschen Wirkungseintritt sind insbesondere die Anti-TNF-alpha-Antikörper sowie auch Ustekinumab gut geeignet.
  • Bei einer hochaktiven Erkrankung könnte man primär die Kombination von Infliximab und Azathioprin verwenden.
  • Eine ausgeprägte Kolitis könnte dafür sprechen, eine Anti-TNF-alpha-Therapie, z. B. mit Infliximab, oder eine Therapie mit Vedolizumab durchzuführen.
  • Bei älteren Patienten könnte wegen des Sicherheitsprofils Vedolizumab eine günstige Wahl darstellen.
  • Fisteln werden bevorzugt mit Infliximab behandelt.
  • Extraintestinale Manifestationen sprechen insbesondere auf Anti-TNF-alpha-Antikörper oder auf Ustekinumab an.
  • Am preisgünstigsten sind die Anti-TNF-Biosimilars und Vedolizumab.

Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Patienten und die klinischen Besonderheiten müssen individuell berücksichtigt werden, um das richtige Biologikum für den jeweiligen Patienten auszusuchen. Bevor man aber eine Biologika-Therapie wechselt, weil der Patient nicht ausreichend darauf anspricht, sollte man die Dosis oder das Dosierungsintervall der laufenden Biologika-Therapie anpassen, um nicht zu schnell von einem Biologikum zum anderen zu wechseln und dann hinterher keine weitere therapeutische Alternative für diesen Patienten mehr zu haben.

Fazit

50 Prozent der CED-Patienten benötigen eine Therapieeskalation von der konventionellen Therapie zu Immunsuppressiva oder Biologika. Bei diesen Patienten darf eine alleinige Steroidtherapie nicht über längere Zeit fortgeführt werden. Biologika kann man, wenn sie für den Patienten richtig angepasst und gut kontrolliert werden, langfristig effektiv und mit einem guten Sicherheitsprofil einsetzen. Das Therapieziel sollte hier die steroidfreie Remission mit einer normalen Lebensqualität sein.

 

Literatur

  1. Henriksen et al., Inflammatory Bowel Diseases 2006; 12:543
  2. Henriksen: Scand J Gastroenterol 2007; 42: 602 – 610
  3. Kruis W, Katalinic A, Klugmann T, Franke GR, Weismüller J, Leifeld L, Ceplis-Kastner S, Reimers B, Bokemeyer B (2012) Predictive factors for an uncomplicated long-term course of Crohn’s disease: A retrospective analysis. J Crohns Colitis doi:pii: S1873-9946
  4. Torres J, Bonovas S, Doherty G, Kucharzik T, Gisbert JP, Raine T, Adamina M, Armuzzi A, Bachmann O, Bager P, Biancone L, Bokemeyer B, Bossuyt P, Burisch J, Collins P, El-Hussuna A, Ellul P, Frei-Lanter C, Furfaro F, Gingert C, Gionchetti P, Gomollon F, González-Lorenzo M, Gordon H, Hlavaty T, Juillerat P, Katsanos K, Kopylov U, Krustins E, Lytras T, Maaser C, Magro F, Marshall JK, Myrelid P, Pellino G, Rosa I, Sabino J, Savarino E, Spinelli A, Stassen L, Uzzan M, Vavricka S, Verstockt B, Warusavitarne J, Zmora O, Fiorino G. ECCO Guidelines on Therapeutics in Crohn’s Disease: Medical Treatment. J Crohns Colitis. 2020 Jan 1;14(1):4-22. doi: 10.1093/ecco-jcc/jjz180. PMID: 31711158
  5. Jørgensen KK. Olsen IC, Goll GL et al.: Switching from originator infliximab to biosimilar CT-P13 compared with maintained treatment with originator infliximab (NOR-SWITCH): a 52-week, randomised, double-blind, non-inferiority trial. Lancet 389:2304-2316, 2017. DOI: 10.1016/S0140- 6736(17)30068-5
  6. Grandt D, Schubert I: Barmer Arzneimittelreport 2016, Verlag: Asgard Verlagsservice GmbH, Siegburg
  7. Brandes A, Groth A, Gottschalk F, Wilke T, Ratsch BA, Orzechowski HD, Fuchs A, Deiters B, Bokemeyer B. Real-world biologic treatment and associated cost in patients with inflammatory bowel disease. Z Gastroenterol. 2019 Jul;57(7):843-851. doi: 10.1055/a-0903-2938. Epub 2019 Jul 9.
  8. Click B, Regueiro M. A Practical Guide to the Safety and Monitoring of New IBD Therapies. Inflamm Bowel Dis. 2019 Apr 11;25(5):831-842. doi: 10.1093/ibd/izy313. Review. PMID: 30312391

 

Mögliche Interessenkonflikte: Beratungen/Advice: Abbvie, MSD, Shire, Ferring, UCB, Hospira, Takeda, Movetis, Shield Therapeutics, Pfizer, Biogen, Janssen, Hexal, Cellgene, Boehringer, Allergan, Celltrion. Vorträge und Lehre: Abbvie, Ferring, MSD, Merckle, Falk, HLR, UCB, Shield Therapeutics, Pfizer, Celltrion, Takeda, Janssen, Mundipharma. Forschung/Grant: Abbvie, Ferring, UCB, Given Imaging, Janssen, Takeda, Pfizer.
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