Hausarzt MedizinDer Kopfpilz kehrt zurück

Kopfpilze sind auf dem Vormarsch. Da einige Flüchtlinge auch in Deutschland bisher unbekannte oder seltene Pilze mitbringen, ist das Erregerspektrum hierzulande breiter denn je.

Als einheimische Erkrankung hat die Tinea capitis bereits in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren. Wurde sie zunächst vornehmlich durch Haustiere wie Katzen und Meerschweinchen oder als Mitbringsel von Urlaubsreisen aus dem Süden Europas durch herrenlose Katzen übertragen, sind es jetzt vor allem Flüchtlingskinder, die das Keimspektrum um exotische Pilze wie Trichophyton soudanense oder Trichophyton violaceum bereichern und die Anzahl der Infektionen rasant steigen lassen. Auch mit der Rückkehr des in Mitteleuropa nahezu vergessenen Erregers des Favus, Trichophyton schoenleinii, ist zu rechnen. Ein Paradebeispiel für einen neuen einheimischen Erreger ist Arthroderma benhamiae, der von Meerschweinchen und Kaninchen übertragen wird und schwere Infektionen auslösen kann.

Tinea capitis

Die Erreger der Mykosen des behaarten Kopfes sind echte Hautpilze (Dermatophyten), die in Haare und Haarfollikel vordringen und um das Haar herum Sporenpakete bilden können. Damit sind sie sehr ansteckend, was nicht selten zu Epidemien in Schulen, Kitas und Heimen führt. Charakteristisch ist Haarausfall, der bei adäquater Therapie fast immer reversibel ist.

Die Tinea capitis gilt als schwierige Erkrankung, weil Klinik und Verlauf oft dramatisch sind, nahezu ausschließlich Kinder erkranken, die zudem stets systemisch und über lange Zeit behandelt werden müssen. Häufig wird die Infektion als bakterielle Infektion verkannt und mit Antibiotika oder chirurgisch fehlbehandelt (Abb. 1). Eine zu spät begonnene antimykotische Therapie kann zu dauerhaftem Haarverlust führen.

Die Tinea capitis ist eine Klassikerin unter den Infektionen und hat als Favus (Erbgrind) Medizingeschichte geschrieben. Kein Geringerer als Johann Lucas Schönlein konnte 1837 am Beispiel des Favus zeigen, dass eine Krankheit einen Erreger als Ursache haben kann. Der Pilz wurde nach ihm Trichophyton schoenleinii benannt [1].

Breites Erregerspektrum

Der Favus war zur damaligen Zeit extrem häufig, ist jedoch seit Mitte des letzten Jahr­ hunderts in Mitteleuropa praktisch ausge­ storben. Nur gelegentlich wurde er von Kin­ dern aus Endemiegebieten in Nordafrika, Südosteuropa oder Russland eingeschleppt. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Tinea capitis dennoch wieder zu einer häufigen Er­ krankung entwickelt, die durch eine Vielzahl anderer Dermatophyten hervorgerufen wird [2]. Das Erregerspektrum umfasst zoophile und anthropophile Dermatophyten. Ein ers­ ter Grund für die Zunahme der Tinea capi­ tis war die Massenhaltung von Haustieren, die bis heute anhält [3]. Es sind die folgenden fünf zoophilen Erreger, die häufig Infektio­ nen hervorrufen können:

Wandel des Erregerspektrums

Neu im Erregerspektrum ist A. benhamiae, der in weiten Teilen Deutschlands hinter M. canis (etwa 50 Prozent aller Krankheits­ fälle) bereits an 2. Stelle rangiert, in manchen Regionen das Spektrum der zoophilen Erre­ ger sogar anführt [4]. Aktuell zeichnet sich ein weiterer Trend ab, der auf der massiven Migration von Flüchtlingen aus arabischen bzw. nordafrikanischen Ländern beruht. Es kommen nicht nur eine Vielzahl an Erkran­ kungen hinzu, sondern auch Keime, die zu­ vor in Deutschland selten waren: T. violaceum, T. soudanense, M. audouinii, T. tonsurans (Abb. 2).

Letzterer sorgte als Erreger der Tinea gladia­ torum bereits in Sportvereinen für Furo­re und wurde ursprünglich von Ringern aus Amerika eingeschleppt [5]. Jetzt kommt der Erreger in den allermeisten Fällen aus Afri­ ka zu uns. Ein Begriff war vormals auch M. audouinii, der als Erreger der „Waisenhaus­krankheit“ Geschichte schrieb [6], später je­doch, wie T. schoenleinii, nahezu ausgerottet war. Neu sind die überwiegend aus Nord­ afrika ankommenden Erreger T. violaceum und T. soudanense, obwohl auch diese bereits vorher von Migranten [7], Touristen oder Adoptivkindern aus Äthiopien sporadisch eingeführt wurden.

Epidemische Ausbreitung

Charakteristisch für alle Erreger der Tinea capitis ist, dass sie Epidemien auslösen können, was zur Schließung von Schulen, Kindergärten oder Krankenstationen führen kann [8]. Ein Beispiel ist die Kopfpilzepide­ mie in Bonn im Sommer 2015 durch M. audouinii [9]. Markant ist, dass zoophile Keime fast immer höher virulent sind als die aus Afrika stammenden anthropophilen Erre­ger. Dieser Unterschied spiegelt sich im klinischen Schweregrad der Infektion wider und ist in der täglichen Praxis leicht erkenn­bar. Wichtig ist auch die Frage nach Tierkon­ takten im In­ oder Ausland bzw. ob es Kinder aus Endemiegebieten in der Kita gibt.

Klinik

Nach klinischen Gesichtspunkten sind zwei Krankheitsformen zu unterscheiden:

  1. Chronisch oberflächliche, aphlegmasische Infektionen durch anthropophile Erreger: Die aphlegmasische Form zeigt runde Herde mit mehlartiger Schuppung (Abb. 2). Markant sind abgebrochene Haare („gut gemähte Wiese“), die insbesonde­ re für M. audouinii typisch sind.

  2. Akut tiefe infiltrative, phlegmasische In­fektionen durch zoophile Erreger: Zei­chen der phlegmasischen Form sind deutliche Infiltrationen, Pusteln und ein teilweiser Haarverlust („schlecht gemähte Wiese“). Die Maximalvariante ist das so genannte Kerion celsi („Honigwa­be“). Unter dem Bild einer eitrigen Im­ petigo contagiosa entsteht in kurzer Zeit ein deutlich infiltrierter Einzelherd mit hochgradiger Entzündung. Aus den Follikeln lässt sich Eiter pressen (Abb. 1, 3, 4). Auch Fieber, Abgeschlagenheit, Erbrechen und Schwellungen der regionalen Lymphknoten sind keine Seltenheit.

Bei der Tinea capitis profunda kann es außerdem zu Narben und Alopezie kommen, was bei der aphlegmasischen Form kaum der Fall ist.

Erregerdiagnostik

Die Erreger der Tinea capitis sind problemlos zu diagnostizieren, sofern man daran denkt. Epilierte Haare und Kopfschuppen sind leicht zu gewinnen und ergeben fast immer einen positiven Laborbefund. Mit einem Ergebnis ist bei M. canis bereits nach 7 bis 10 Tagen, bei M. audouinii, T. mentagrophytes und T. tonsurans nach 14 Tagen, bei anderen Arten in drei ( T. violaceum ) bis fünf ( T. verrucosum ) Wochen zu rechnen.

Therapie

Die Behandlung der Tinea capitis erfolgt immer systemisch [10], in Abhängigkeit vom Erreger (Tab. 1) und stets in Kombination mit einer lokalen Therapie [11]. Das Vorgehen besteht aus folgenden Schritten:

  1. Probenentnahme und Versand der Probe an ein Labor.

  2. Sporozide lokale Therapie mit Creme, Lösung und Shampoo.

  3. Nach der Erregerdiagnose: Gezielte systemische Therapie mit Fluconazol oder Terbinafin, täglich über zwei bis vier Wochen bis zum Abklingen der entzündlichen Infektion.

  4. Danach Wechsel der Therapie zu einer Dosis pro Woche.

  5. Mikrobiologische Langzeitkontrolle bei der Mikrosporie einmal monatlich durch erneute Probenentnahmen bis zur negativen Erregerkultur.

Lokalbehandlung: Nach der Probenentnahme sollte umgehend lokal behandelt werden, auch um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren und die Infektkette zu unterbrechen. Mittel der Wahl ist der sporozide Wirkstoff Ciclopirox, da die allermeisten Erreger im oder um das Haar herum sowie auf der Kopfhaut Sporen bilden. Am besten geeignet ist eine ölige und alkoholfreie Lösung mit dem Wirkstoff Ciclopirox, welcher auch antientzündlich wirkt. In den ersten zwei Wochen zwei bis vier mal täglich. Ebenso unabdingbar ist die Behandlung mit einem sporoziden Shampoo (anfangs täglich und nach zwei Wochen ein- bis zweimal pro Woche).

Mit einer solchen Therapie ist die Ansteckungsgefahr gebannt, so dass das Kind im Prinzip nach etwa zwei Wochen wieder die Kita oder Schule besuchen darf. In schweren Fällen sollte das Kind so lange zu Hause bleiben, bis der klinische Befund deutlich abgeklungen ist.

Systemische Therapie: Eine alleinige lokale Behandlung reicht trotz aller Notwendigkeit nicht aus. Das Kind muss auch systemisch behandelt werden, da die Keime oft tief im Gewebe und in Haarfollikeln siedeln. Die innere Therapie erfolgt in Abhängigkeit vom Erreger. Mittel der Wahl bei allen Microsporum-Arten ist Fluconazol, erste Wahl bei allen Trichophyton-Arten Terbinafin (Tab. 1).

Folglich ist ein genauer Erregernachweis unverzichtbar, um den passenden Wirkstoff auszuwählen. Die exakte Kenntnis des Erregers ist auch deshalb wichtig, weil die Spezies Rückschlüsse auf die Infektionsquelle erlaubt.

Bei schweren Infektionen beginnt man sofort mit einer empirischen inneren Therapie, am besten mit Fluconazol, und stellt dann bei Nachweis eines Trichophyton auf Terbinafin um. Terbinafin verfügt über eine gute Verträglichkeit und bei diesen Keimen über eine hohe Wirksamkeit [13], so dass es auch bei schweren, tiefen, eitrigen Infektionen ohne Bedenken eingesetzt werden kann, zumal es in Österreich und der Schweiz bei Kindern zugelassen ist. Ein Regress entsteht aufgrund der medizinischen Notwendigkeit trotz fehlender Zulassung bei Kindern in Deutschland nicht.

Fluconazol ist auch als Saft verfügbar. Terbinafin kann für kleine Kinder gemörsert und mit Bananenbrei vermischt werden. Nach ca. 2 Wochen sollte das Ansprechen der Therapie kontrolliert werden. Bis dahin erfolgt die Behandlung täglich. Ist die Entzündung nach dieser Zeit abgeklungen, kann mit einer Dosis pro Woche weiter behandelt werden, bis zur klinischen Heilung.

Geduld erforderlich

Wie für alle Mykosen gilt auch für die Tinea capitis, dass sie heilbar ist, obwohl es oft Monate dauert. Den Eltern sollte am ersten Tag vermittelt werden, dass Geduld erforderlich ist. Ebenso die Unverzichtbarkeit einer inneren Therapie und die Information, dass diese streng auf Verträglichkeit geprüften inneren Antipilz-Medikamente auch bei Kindern unbedenklich sind. Am Einnahmetag sollte auch die lokale Therapie erfolgen, für einige Zeit durchaus häufiger, etwa jeden zweiten oder dritten Tag.

Bei M. canis und M. audouinii muss trotz klinischer Heilung bis zum negativen kulturellen Pilzbefund behandelt werden. Die lange im Labor nachweisbare Persistenz dieser Keime ist typisch, was bei einer zu früh beendeten Therapie zum Rückfall und zu Problemen bei der Epidemiebekämpfung führen kann, da gegenüber Dermatophyten keine Immunität entsteht. Eine Ausnahme ist die Kälberflechte, gegen die aber nur Rinder geimpft werden können.

Fazit

Die Behandlung der Tinea capitis erfordert Zeit und Geduld, einen möglichst exakten Erregernachweis und eine hautnahe Betreuung durch den Hausarzt.

Interessenkonflikte: keine

Literatur

  • 1 Remak, R (1845) Diagnostische und pathogenetische Untersuchungenin der Klinik des Geh. Raths Schönlein auf dessen Veranlassung angestellt und mit Benutzung anderweitiger Beobachtungen veröffentlicht. Berlin, Hirschwald

  • 2 Tietz HJ, Czaika V, Ulbricht H-M, Sterry W (1999) Tinea capitis in Germany. A survey in 1998. Mycoses 42: 73–76

  • 3 Koch, S (2013): „Dermatophytenspektrum bei Streunern und Haustieren“. Dissertationsschrift, Humboldt-Universität zu Berlin.

  • 4 Nenoff, P (2014): Trichophyton Spezies von Arthroderma benhamiae – ein neuer Infektionserreger in der Dermatologie. JDDG 12: 571-582

  • 5 Beller M, Gessner BD (1994): An outbreak of tinea corporis gladiatorum on a school wrestling team. J Am Acad Dermatol 31: 197-201

  • 6 Gruby, D (1843): Recherches sur la nature, le siege et le devlopment du porrigo decalvans ou phytoalopecie. C.R. Acad. Sci. 17: 301-303.

  • 7 Rubben A, Krause H (1996): Tinea superficialis capitis due to Trichophyton soudanense in African immigrants. mycoses 39: 397-398

  • 8 Snider, R., Landers, S., Levy, M.L. (1983): The ringworm riddle: an outbreak of Microsporum canis in the nursery. Pediatr. Infect. Dis. J. 12: 1145-1148

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