Hausarzt MedizinAktuelle Behandlungsstrategien bei Typ-2-Diabetes

In der Diabetes-Therapie spielen individuelle Therapieansätze eine immer größere Rolle. Welchen Stellenwert dabei die Sulfonylharnstoffe, SGLT-2-Hemmer oder die neuen langwirksamen Insuline einnehmen, diskutierten Experten auf der Fortbildungsveranstaltung "Innere Medizin fachübergreifend – Diabetologie grenzenlos".

Aktuelle Therapiestrategien bieten zahlreiche Möglichkeiten, die Metformin-Therapie in Form einer Zwei- oder Dreierkombination zu eskalieren. "Die Bewertung der Dreifach-Therapien kann schwierig werden, da wir nicht für alle theoretisch-möglichen 163 Kombinationen vergleichende Studien haben", erklärte Prof. Baptist Gallwitz von der Eberhard-Karls Universität Tübingen. Erste Ergebnisse liegen zur Kombination Metformin/DPP-4-Hemmer/SGLT-2-Hemmer vor. Hier zeigte sich laut Gallwitz eine "schöne additive Wirkung auf den Glykämieparameter HbA1c, eine mit der SGLT-2-Hemmer vergleichbare Gewichtsentwicklung, kein Anstieg des Plasmaglukagons oder des Hypoglykämierisikos sowie eine gute Verträglichkeit" (Abb.1)

Kardiovaskuläre Sicherheit für DDP-4- und SGLT-2-Hemmer gegeben

Drei Studien (EXAMINE, SAVOR-TIMI, TECOS) belegen ein nicht erhöhtes kardiovaskuläres (CV) Risiko unter einem DDP-4-Hemmer hinsichtlich Myokardinfarkt, kardiovaskulärem Tod und Schlaganfall. Bei der am längsten laufenden TECOS-Studie wurden Typ-2-Diabetes-Patienten mit einem HbA1c von 6,5 bis 8 und dokumentierter kardiovaskulärer Vorerkrankung eingeschlossen.

Die endpunktgesteuerte Studie verglich eine antidiabetische Standardtherapie plus Sitagliptin mit der Standardbehandlung plus Placebo. Unter Sitagliptin ergab sich kein erhöhtes CV-Risiko gegenüber Placebo (HR=0,99; 95% KI 0,89-1,09; p< 0,001).

"Interessanterweise zeigte TECOS auch, dass die Therapie mit einem DDP-4-Hemmer eventuell einen weiteren Eskalationsschritt verzögern kann. Dies gilt sowohl für orale Medikamente wie auch für die Insulintherapie", berichtete Gallwitz. Die Pankreassicherheit wurde in den drei Studien ebenfalls nachgewiesen, wobei eine nicht-signifikante Erhöhung für akute Pankreatitis und schwere Hypoglykämien vorlag. Unterschiedliche Ergebnisse zeigten die Studien bei den Hospitalisierungsraten aufgrund von Herzinsuffizienz. Diese können, wie Gallwitz ausführte, zufällig sein, auf unterschiedliche Eigenschaften der drei DPP-4-Hemmer oder heterogene Studienpopulationen zurückgehen.

In einer ersten CV-Sicherheitsstudie, die den SGLT-2-Hemmer Empagliflozin versus Placebo (jeweils plus Standardtherapie) verglich, wurde eine signifikante Risikoreduktion für kardiovaskuläre Mortalität (HR:0,62; p<0,001) und Gesamtmortalität (HR 0,68; p<0,001) unter Empagliflozin ermittelt.

Benefit durch GLP-1-Rezeptoragonisten plus Insulin

"Diese Kombination setzt sich immer mehr durch und ist auch im Positionspapier der ADA/ EASD gut platziert", konstatierte Gallwitz und erklärte, dass für diese Kombination die komplementären Wirkmechanismen der Substanzen sprechen. Wie der Diabetologe anhand einer Studie darlegte, stellt z.B. Dulaglutid in Kombination mit Insulin lispro eine wirksame und sichere Alternative für Patienten dar, die mit einer ein-oder zweimaligen Insulininjektion am Tag nicht zufriedenstellend eingestellt sind. Zudem belegt die Studie, dass sich langwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten (RA) auch mit kurzwirksamen Insulinanaloga kombinieren lassen. Insgesamt führt die Kombination GLP-1-RA plus Insulin zu einer besseren Stoffwechsellage, weniger Hypoglykämien (in einigen Studien) und einer geringeren Gewichtszunahme als bei alleiniger Insulinbehandlung.

Langwirksame Analoginsuline im Vergleich

Wie Dr. Stefan Pscherer vom Sophien und Hufeland Klinikum Weimar berichtete, beginnt eine Insulintherapie gemäß den Empfehlungen mit einer BOT (basalunterstützte orale Therapie). Falls das individuell festgelegte Therapieziel damit nicht erreicht wird, erfolgt im nächsten Schritt zum Beispiel die zusätzliche Gabe von kurzwirksamem Insulin oder ein initialer Versuch mit GLP-1-RA.

Als langwirksame Analoginsuline stehen in Deutschland derzeit Insulin glargin U100/U300 (inklusive Biosimilars) sowie Insulin detemir zur Verfügung. Ein von Pscherer vorgestelltes Review kam zu dem Schluss, dass zweimal täglich injiziertes Insulin detemir vergleichbar gut wirkt wie einmal täglich verabreichtes Insulin glargin, die einmal-tägliche Gabe von Insulin detemir jedoch eine unterlegene Wirksamkeit zeigt. "Einige Patienten müssen also eine zweite Injektion in Kauf nehmen, um den gewünschten HbA1c-Zielbereich zu erreichen", erklärte Pscherer.

Bei dem neuen Insulin glargin U300, 300 E/ml handelt es sich um eine dreimal höher dosierte Präparation von Insulin glargin U100. Mit einer Wirkdauer über 24 (bis zu 36) Stunden verfügt die U300-Variante über ein konstanteres und längeres Wirkprofil als Insulin glargin U100. Zudem reduziert Insulin glargin U300 das Risiko von Hypoglykämien besser als die U100-Variante. Dies belegte die Metaanalyse der Ein-Jahresdaten der EDITION-Studien I bis III mit 2496 Typ-2-Diabetes-Patienten. Bei anhaltend guter Blutzuckerkontrolle über zwölf Monate, war der Anteil an Patienten mit mindestens einem bestätigten oder schweren nächtlichen hypoglykämischen Ereignis (0:00 Uhr bis 5:59 Uhr; <= 70 mg/dl bzw. <= 3,9 mmol/l) unter Insulin glargin U300 um 15 % geringer als unter Insulin glargin U100 (RR 0,85; 95 Prozent KI: 0,77-0,92). Der Vorteil für Insulin glargin U300 blieb auch bei einem für die Patienten relevanteren Zeitfenster von 22:00 bis 8:00 Uhr bestehen. Wie eine Subgruppen-Analyse zeigte, bestand der Hypoglykämie-Vorteil der U300-Variante unabhängig vom Alter, dem Body Mass Index und der Dauer der Diabeteserkrankung.

Hinsichtlich des HbA1c-Verlaufs ergab sich kein Unterschied (95 Prozent KI: 0,08-0,07). Die Gewichtszunahme fiel unter Insulin glargin U300 etwas geringer aus als unter U100. Laut Pscherer ist nun interessant, wie sich das neue Präparat im Praxisalltag bewähren wird.

Plädoyer für Sulfonylharnstoffe

Sulfonylharnstoffe (SH) sind zwar altbewährt, jedoch keineswegs unumstritten. "Manche Kollegen sind der Ansicht, dass diese Substanzen in der Therapie des Typ 2 Diabetes keinen Platz mehr haben", berichtete Prof. Martin Pfohl vom Bethesda Krankenhaus in Duisburg. Wie ein Blick in die Nationalen Versorgungsleitlinie zeigt, sind SH jedoch nach DDG/DGIM als Monotherapie bei Metformin-Unverträglichkeit sowie in der Zweifachkombination enthalten. Die DEGAM/AkdÄ-Empfehlungen verweisen hingegen auf eine "höhere CVD-Mortalität in methodisch nicht sehr guten Studien, Hypoglykämie, Gewichtszunahme". Auch in internationalen Empfehlungen (Positionspapier der ADA & EASD 2015) finden sich SH und werden zusammen mit Metformin als Zweifachkombination und in fast allen Dreierkombination empfohlen.

„Es stellt sich daher die Frage, ob die Experten SH lediglich aus Kostengründen und nicht aufgrund ihrer Wirkung empfehlen, oder ob die eigentlich bewährten, brauchbaren Substanzen von neueren Medikamenten verdrängt werden?“, resümierte Pfohl. Seiner Meinung nach erfüllen SH einige Anforderungen einer idealen Diabetestherapie. Darunter die effektive Senkung des Blutzuckers, gute Verträglichkeit, hohe Compliance, einfache Einnahme, gute Kombinierbarkeit sowie Langzeit-Sicherheit. Ein gewisses Hypoglykämierisiko bestehe, dies sei jedoch niedrig und betreffe insbesondere Patienten in hohem Alter und/oder mit Niereninsuffizienz. Auch nehmen die Patienten unter einer SH-Therapie an Gewicht zu, allerdings nur etwa zwei Kilogramm.

Erhöhen SH die kardiovaskuläre Mortalität?

Seit Jahren bestehen Zweifel an der Sicherheit der SH-Therapie. „Es gibt keine vernünftigen randomisierten Studien, die belegen, dass SH die kardiovaskuläre Mortalität erhöhen“, betonte Pfohl. Die meisten Kohortenstudien basieren auf der ‚UK GP research database‘, die zwischen 1990 und 2005 erhoben wurde. „Von Bedeutung ist dabei, dass die Daten für die SH teilweise zehn Jahre älter sind als die für Glitazone“, gab der Internist zu bedenken.

Eine Metaanalyse belegt jedoch eine gewisse Übersterblichkeit unter der Kombination Metformin plus SH. Zumindest bei Patienten mit manifester KHK sollte man laut Pfohl diese Kombination meiden. Die Übersterblichkeit unter SH in Registerstudien lasse sich dagegen durch säkulare Effekte und einen Selektionsbias erklären, in kontrollieren Studien sei sie nicht vorhanden.

Der Redner verwies weiterhin auf die United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS), die eine fast 25-prozentige Reduktion mikrovaskulärer Endpunkte und eine etwa 15-prozentige relative Risikoreduktion von Myokardinfarkten unter SH- und/oder Insulintherapie gegenüber konventioneller Glukosekontrolle zeigte. „Mit welcher Berechtigung sollten wir auf diese gut belegte, lang erprobte Medikamentengruppe verzichten?“, fragte Pfohl abschließend.

Quelle: Veranstaltung „Diabetologie grenzenlos“ in München/Unterschleißheim

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