Serie KollegentippsDigitale Telefon-Assistenz? Nur mit Personal!

Flächendeckend berichten Hausarztpraxen von durchgängig klingelnden – und belegten – Telefonen. Für MFA bedeutet das mitunter großen Stress, für Patienten nicht selten Unzufriedenheit. Dr. Barbara Römer hat in ihrer Praxis daher einen digitalen Telefon-Assistenten "angestellt" – und eine wichtige Lektion gelernt.

Empfang in der Praxis von Dr. Barbara Römer: So leer ist es hier nur nach Feierabend.

“Hallo, ich bin Aaron, der digitale Assistent der Hausärztlichen Gemeinschaftspraxis Dr. med. Bernhard Lenhard und Dr. med. Barbara Römer.”

Als Patientinnen und Patienten im Herbst erstmals den neuen “Mitarbeiter” an der Strippe hatten, staunten sie nicht schlecht. Ab sofort sollte ein digitaler Telefon-Assistent das Team der insgesamt elf Medizinischen Fachangestellten (MFA) bei Terminwünschen und -absagen, Wiederholungsrezepten, Befundabfragen und Co entlasten.

Denn wie unzählige andere Hausärztinnen und Hausärzte steht auch Dr. Barbara Römer vor einem echten Problem im Praxisalltag: “Das Telefon klingelt an vielen Tagen von 8 bis 18 Uhr durch.” Ihre Hoffnung: Ein digitaler Helfer sollte Entlastung bringen.

Der Unterschied zum Anrufbeantworter: Eine digitale Assistenz startet – basierend auf Künstlicher Intelligenz (KI) – einen “Dialog”, in dem die persönlichen Daten und das jeweilige Anliegen strukturiert aufgenommen werden.

Die erfassten Informationen werden für die MFA automatisch verschriftlicht und strukturiert dargestellt, sodass sie vergleichsweise effizient und zügig abgearbeitet werden können, beispielsweise durch Rückrufe oder auch SMS.

Wichtig in der Praxis: Dafür ist essenziell, dass Anrufende laut und deutlich sprechen. Ohne Hinterlassen von Name, Geburtsdatum und ggf. sonstigen Patientendaten ist kein Bearbeiten der Anliegen möglich!

Zwei große Anbieter für Praxen

Speziell auf die Anforderungen von (hausärztlichen) Praxen zugeschnitten finden sich aktuell zwei große Anbieter auf dem Markt: Aaron.ai und Praxisconcierge (siehe Tabelle unten), darüber hinaus weniger verbreitete kleinere Systeme.

[Ergänzung der Redaktion: Praxisconcierge weist auf eine “30-tägige Testphase mit Geld-zurück-Garantie” hin: Falls sich Kunden in der Testphase gegen die Fortführung des Vertrages entscheiden, werden die Kosten für die Testphase zurückerstattet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eine Begrüßung aufzusprechen, wenn eine durchgängige synthetische Stimme für den Dialog nicht gewünscht ist.]

Die Praxis von Römer und Lenhard hatte sich für ersteres entschieden, “weil zwei befreundete Praxen bereits damit arbeiteten und Erfahrungen geteilt hatten”, zumal hätte die Kostenstruktur für die Praxis gut gepasst. Da mittlerweile viele Praxen mit einem der beiden Anbieter arbeiten, kann es sich lohnen, sich im Kollegenkreis zu Erfahrungen auszu- tauschen oder auch von der Möglichkeit eines kostenfreien Tests Gebrauch zu machen.

Völlig unabhängig vom gewählten System hat Dr. Barbara Römer jedoch eine wichtige Lektion gelernt. Denn schon nach vier Wochen wurde der Assistent – zunächst – wieder abgestellt. “Wir haben gemerkt, dass es jemanden braucht, der den digitalen Helfer bedient”, bilanziert Römer.

Und die Praxis hatte in den vergangenen Monaten – wie viele andere – mit Personalproblemen zu kämpfen. Eine hohe Fluktuation, neue Köpfe, zusätzlich ein neues Praxisverwaltungssystem (PVS)… Kurzum: Es war keine Kapazität, noch eine Neuerung in der Personalplanung abzudecken. Gleichzeitig sei das Team schnell zu der Erkenntnis gekommen, dass ein “einfach so mal nebenbei” bei der “Anstellung” eines digitalen Helfers nicht funktioniert.

Knackpunkt: Erwartungshaltung

Knackpunkt ist die veränderte Erwartungshaltung bei Patientinnen und Patienten, beobachtet Römer. “Ist das Telefon besetzt, ärgern sich Patienten zwar – doch sie bleiben in der Verantwortung und probieren es erneut, bis sie durchkommen. Bietet man hingegen einen digitalen Anrufbeantworter an, hinterlassen die Patienten ihr Anliegen – sie sind damit aus der Verantwortung und der Ball liegt bei der Praxis.”

Gleichzeitig hätten die Anrufer hohe Erwartungen an die Schnelligkeit der Rückmeldung. Dass Anliegen morgens hinterlassen werden und der Rückruf erst abends erfolgt, habe mitunter zu “Beschwerden” geführt, berichtet Römer.

In Personalplanung mitdenken

Ihr Fazit: Es sei nötig, eine Mitarbeiterin – zumindest stundenweise – für das Abarbeiten der Patientenanfragen fest einzuplanen. “Das große Ziel ist also die Strukturierung von Praxisabläufen”, sagt Römer. In ihrem Fall bedeutet das: Morgens von 8 bis 12 Uhr läuft Aaron.ai, von 12 bis 13:30 Uhr ist telefonische Mittagspause, in der lediglich der Anrufbeantworter auf die Nachmittagssprechstunde hinweist.

Eine MFA arbeitet parallel die aufgelaufenen Aaron-Aufgaben des Vormittags – idealerweise bis zur Mittagspause – ab. Von 13:30 Uhr bis zum Praxisende nehmen die MFA das Telefon entgegen. Noch offene Aaron-Aufgaben des Vormittags werden dann parallel gelöst.

Wie lange die digitale Assistenz jeden Tag laufen soll, müsse jede Praxis individuell entscheiden. Läuft sie jedoch dauerhaft, führe das dazu, dass abends, wenn die eigentliche Arbeitszeit bereits rum ist, noch 30 unbearbeitete Anfragen abgearbeitet werden müssten, beobachtet Römer für ihre Praxis.

“Und über Nacht liegen lassen geht bei den Patientenanliegen auch nicht.” Daher rate sie bei Personalmangel ganz klar vom Einsatz eines digitalen Assistenten ab.

Tipp für die Praxis: Alternativ kann auch ein Zeitraum am frühen Abend, explizit nach Praxisschließung, für das Abarbeiten der Anfragen eingeplant werden. Wichtig ist nur, dieses Zeitfenster im Vorfeld zu definieren, sodass dafür noch MFA-Arbeitszeit zur Verfügung steht.

Echte Entlastung für MFA

Ist jedoch alles gut eingespielt, kann ein digitaler Telefon-Assistent durchaus entlasten, weiß Römer. “Unsere MFA haben die digitale Unterstützung sehr geschätzt.”

Der große Vorteil: Die Stunden des anstrengenden Multitaskings, in denen MFA gleichzeitig Patientinnen und Patienten vor sich am Tresen und am Telefon bedienen müssen, fallen weg oder werden zumindest entzerrt. “Das reduziert auch die Fehlerquote”, unterstreicht die Praxischefin.

Daher sind sich Römer und ihr Team einig: Aaron soll keinesfalls entlassen werden, er war in den vergangenen Wochen nur “freigestellt”. Ab Sommer soll er eine neue Chance bekommen.

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