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ExpertengesprächUnkomplizierte HWI: Welche Antibiotika, wann geht es ohne?

Harnwegsinfektionen (HWI) gehören zu den häufigsten Gründen für einen Arztbesuch. Im Expertengespräch erläutert Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann, Witten, Grundsätze für Diagnostik und Therapie.

Harnwegsinfektion: Zuerst ist immer zu klären, ob es sich um eine unkomplizierte oder eine komplizierte HWI handelt.

Welche Diagnostik ist erforderlich, wenn Patienten mit Symptomen einer akuten HWI in die Sprechstunde kommen?

Prof. Andreas Wiedemann: Zuerst ist immer zu klären, ob es sich um eine unkomplizierte oder eine komplizierte HWI handelt.

Von einer unkomplizierten HWI kann definitionsgemäß nur bei erwachsenen nichtschwangeren Frauen vor der Menopause und ohne relevante Begleiterkrankungen – zum Beispiel Diabetes, Niereninsuffizienz oder Anomalien der Harnwege – gesprochen werden. Außerdem müssen die Symptome auf den unteren Teil des Harntrakts beschränkt sein. Sobald Fieber oder Flankenschmerz hinzukommen, liegt eine obere HWI vor.

Welchen Stellenwert haben Streifentests und Urinkultur für die Abklärung?

Bei einer gesunden jungen Frau mit typischen HWI-Symptomen ohne Begleiterkrankungen kann man auf Streifentests und Urinkultur verzichten. In allen anderen Fällen, das heißt bei Männern sowie bei geriatrischen Patienten oder Menschen mit Diabetes, sollte man den Urin untersuchen.

Die Streifentests haben hierbei nur begrenzte Aussagekraft, denn Leukozyten findet man bei vielen Situationen im Urin und Nitrit wird nur von etwa der Hälfte aller Erreger einer HWI gebildet. An der Urinkultur führt daher in den meisten Fällen kein Weg vorbei. Das gilt insbesondere bei rezidivierenden HWIs. Das wiederholte Verordnen eines Kurzzeitantibiotikums ohne weitere Diagnostik ist nicht lege artis.

Wie behandelt man eine junge Frau mit unkomplizierter HWI?

Die S3-Leitlinie zu unkomplizierten HWI empfiehlt vier Antibiotika in alphabetischer Reihenfolge, die hier vorzugsweise eingesetzt werden sollen:

  • Fosfomycin-Trometamol als Einmalgabe 3000 mg,
  • Nitrofurantoin für 7 Tage 4-mal täglich 50 mg oder Nitrofurantoin retardiert für 5 Tage 2-mal täglich 100 mg,
  • Nitroxolin für 5 Tage 3-mal täglich 250 mg sowie
  • Pivmecillinamin für 3 Tage 2- bis 3-mal täglich 400 mg.

Die Einmalgabe von Fosfomycin bei einer unkomplizierten HWI ist weit verbreitet. Wann ist dieser Ansatz sinnvoll?

Weil die Leitlinie die Substanzen in alphabetischer Reihenfolge nennt, steht Fosfomycin am Anfang der Liste. Das erweckt zu Unrecht den Eindruck, dass die Einmalgabe von Fosfomycin besonders potent sei. Die Leitliniengruppe hatte sogar diskutiert, ob es nicht besser wäre, 2 oder 3 Gaben von Fosfomycin zu empfehlen.

Ein weiteres Problem mit Fosfomycin ist, dass es häufig falsch eingenommen wird. Um wirksame Spiegel im Urin zu erreichen, darf die Patientin 2 bis 3 Stunden vor der Einnahme nichts essen oder trinken und muss die Harnblase entleeren.

Nach der Einnahme soll sie zu Bett gehen und nichts mehr trinken. Im Zusammenhang mit Fehlern bei der Anwendung von Fosfomycin möchte ich hervorheben, dass die Einmalgabe bei postmenopausalen Frauen generell nicht infrage kommt.

Mit welcher Substanz würden Sie anfangen?

Mein persönlicher Favorit ist Nitroxolin. Das ist eine altbewährte Substanz, gegen die es immer noch kaum E.-coli-Resistenzen gibt.

Was sagt die Leitlinie zu Breitbandantibiotika bei unkomplizierter HWI?

Substanzen wie Cefpodoxim proxetil, Ciproflaxacin, Levofloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin sowie Cotrimoxazol sollen bei einer unkomplizierten Zystitis nicht als Mittel der ersten Wahl angewendet werden. Auch mit Trimethoprim als Monosubstanz ist wegen der möglichen Resistenz von E. coli Vorsicht geboten.

Wann kann man beim unkomplizierten HWI auf ein Antibiotikum verzichten?

Da manche HWI selbstlimitierend sind, sollte bei einer unkomplizierten HWI im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung mit der Patientin besprochen werden, ob sie auf ein Antibiotikum verzichten möchte.

In einer Studie hat man die Gabe von Fosfomycin mit der symptomorientierten Einnahme von Ibuprofen verglichen und beobachtet, dass ein Drittel unter Ibuprofen schließlich doch ein Antibiotikum benötigte, aber auch bei einem Drittel unter Fosfomycin im weiteren Verlauf ein anderes Antibiotikum nötig wurde.

Die Entscheidung ist also nicht ganz einfach. Ich sehe zudem die Gefahr, dass die Infekte bei ausschließlicher Schmerzmittelgabe am Ende chronifizieren.

Welche Möglichkeiten gibt es bei häufig rezidivierenden Harnwegsinfekten?

Man braucht dann auf jeden Fall eine Urinkultur, um gezielt behandeln zu können. Hat man den Urin keimfrei bekommen, sollte man über eine Prophylaxe nachdenken. Hierzu gehören in erster Linie Verhaltensmaßregeln wie regelmäßiges Trinken, Wasserlassen nach dem Geschlechtsverkehr und richtige Hygiene.

Hat man E. coli als Erreger identifiziert, kann man eine orale Impfung mit E.-coli-Fraktionen versuchen, die aber von den Patienten selbst bezahlt werden muss. Daneben gibt es noch eine ebenfalls nicht erstattungsfähige intramuskuläre Impfung gegen 10 verschiedene Keime aus 5 Spezies. Weil es dazu aber kaum Studiendaten gibt, spricht die Leitlinie nur den Empfehlungsgrad C aus.

Zur Prophylaxe werden im Prinzip die gleichen Antibiotika wie in der Therapie, aber in abendlicher Einmaldosis oder – wenn ein Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr besteht – als “Pille danach” empfohlen. Auch Phytotherapeutika haben hier einen Stellenwert, wobei ausgerechnet das am weitesten verbreitete Cranberry nach einem jüngeren Cochrane-Review keine über Placebo hinausgehende Wirkung hat.

Was hat es mit der sogenannten asymptomatischen HWI auf sich?

Diesen Begriff sollte man nicht mehr verwenden, sondern von einer asymptomatischen Bakteriurie sprechen. Die Hälfte aller Heimbewohner sowie alle Träger von Blasenkathetern haben Keime im Urin, aber oft keine Symptome einer HWI. Sogar bei 1 bis 2 Prozent der Kinder und Jugendlichen ist die Blase nicht steril.

In all diesen Fällen erfolgt gemäß der Leitlinie keine Behandlung. Gerade bei geriatrischen Patienten bekommt man die Blase selten keimfrei, riskiert aber durch den Einsatz von Antibiotika Nebenwirkungen und das Entstehen von Resistenzen.

Was ist zu beachten, wenn sich ein Mann mit den Symptomen einer HWI und Fieber vorstellt?

Es wäre ein krasser Fehler, das bisher Gesagte auf Männer anzuwenden. Beim Mann gibt es nur selten einen fieberhaften HWI wie bei Frauen, das heißt eine Zystitis mit aszendierenden Symptomen einer Pyelonephritis. Beim Mann handelt es sich bei solchen Beschwerden fast immer um eine akute Prostatitis.

Das ist nicht die Infektion eines Hohlraums, sondern eines parenchymatösen Organs. Sie geht mit hohem Fieber und raschem Anstieg des PSA in den dreistelligen Bereich einher. Wegen der Gefahr einer Sepsis gehört so ein Patient sofort zu Fachkollegen oder in eine Klinik.

Vielen Dank für das Gespräch.

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