VideosprechstundeKritik an Video-Dienstanbietern: Bitte kein Tracking!

Vor allen Dingen die Pandemie hat Videosprechstunden boomen lassen. Aber halten sich die Plattformanbieter auch an den Datenschutz? Genau das hat die Verbraucherzentrale Bundesverband unter die Lupe genommen und einige Lücken ausgemacht. Die Anbieter der Videodienste finden die Kritik aber teils ungerechtfertigt.

Verbraucherschützer regen Leitlinien als Standards für Fernbehandlung und Telemedizin an.

Schon allein aus den Informationen der Arztterminbuchung über ein Portal, lassen sich viele Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand von Versicherten ziehen, erklärt die Verbraucherzentrale Bundesverband in ihrem Bericht “Datenschutz bei Videosprechstunden” vom 2. Februar 2023.

Für die Untersuchung wurden 1.100 Internetnutzer im Dezember 2022 befragt. 167 von ihnen hatten bereits Erfahrung mit Videosprechstunden.

Rückschlüsse aus den Daten sollten unmöglich sein, findet der vzbv und fordert, dass bei sensiblen Gesundheitsdaten höhere Datenschutzanforderungen gelten müssten.

Die Verbraucherschützer haben folgende Anbieter von Plattformen untersucht (siehe Tabelle unten): Arzt-Direkt, Doctena, Doctolib, Doktor.de, Fernarzt, Jameda, Samedi, Teleclinic und Zavamed.de.

Ein weiterer Kritikpunkt, den die vzbv anprangert: Daten von Patientinnen und Patienten würden von den meisten Plattformen, über die Videosprechstunden technisch abgewickelt werden, für Marketingzwecke getrackt.

Zwar, meinen die Verbraucherschützer, würden laut Datenschutzerklärungen der Anbieter keine Gesundheitsdaten übermittelt. Dennoch sei die Einbindung von Tracking-Anbietern in diesem Bereich sehr kritisch zu sehen.

Verweis auf Zertifizierung

Auch würden Daten in Länder außerhalb der EU, mehrheitlich in die USA, übermittelt, so der vzbv. Bei dem Gros oben genannter Dienste (außer Fernarzt und Zavamed.de) handelt es sich um bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gelistete, zertifizierte Anbieter.

Zwar taucht Fernarzt nicht auf der Liste der zertifizierten Anbieter auf. Für die Bereitstellung der Videosprechstunde arbeitet Fernarzt nach eigenen Angaben jedoch mit dem zertifizierten Anbieter Patientius zusammen.

Bei den Anbietern nachgefragt, wie es um das Tracking und die Kritik der vzbv steht, fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus. Viele verweisen auf die Zertifizierung.

Samedi äußert auf Anfrage von “Der Hausarzt” Verständnis für den vzbv. allerdings meint Samedi, dass “im Zuge der Berichterstattung über die Ergebnisse teils nicht klar zwischen den Anbietern und den zutreffenden Kritikpunkten differenziert wird.

So wurde unser Unternehmen in den Zusammenhang mit Datenschutzmängeln gebracht, die bei Samedi nicht vorliegen.” Samedi sei nicht wegen unzulässigem Tracking abgemahnt worden, auch würde im Rahmen der Videosprechstunde keine Datenübermittlung in die USA erfolgen.

Die Zollsoft GmbH, die arzt-direkt.de betreibt, erklärt, dass ein DSGVO-konformes System genutzt werde, das ohne Cookies auskomme. In der Datenschutzerklärung werde auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Daten grundsätzlich nicht an Dritte und erst recht nicht an Dritte für Werbezwecke weitergegeben würden. Auch würden keine Daten an Drittländer übermittelt.

Fernarzt findet alle Forderungen des vzbv grundsätzlich gerechtfertigt. Die Weiterentwicklung von Datenschutzregularien mache eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung an die Vorgaben unumgänglich.

Die Interpretation einiger Forderungen (zum Beispiel Gastzugang, Notwendigkeit der Drittanbieter) müsse jedoch in manchen Fällen geschärft werden, um sie umsetzbar für Anbieter, fair und ortsunabhängig (Vor-Ort-Praxis oder Telemedizin) sowie weiterhin mehrwertstiftend zu machen”, erklärt Fernarzt.

Ohne Tracking schwierig

Jameda verweist darauf, dass sein Produkt zertifiziert sei. Die von der vzbv erhobenen Forderungen seien in weiten Teilen bereits Bestandteil der Zertifizierung im Rahmen des Bundesmantelvertrags der KBV.

TeleClinic antwortet auf Anfrage, dass diese mit der vzbv im Austausch gestanden hätten und dabei seien, die von der vzbv kritisierten Punkte “zu monitoren und unseren Service ggfs. zu optimieren”.

Auf Drittanbieter komplett zu verzichten, sei schwierig, erklärt Doktor.de. In-App-Tracking werde genutzt, um etwa das Produkt zu verbessern. Die gesetzlichen Vorschriften würden eingehalten, es würden nur Drittanbieter genutzt, die für das Geschäftsmodell notwendig seien, so Doktor.de weiter. Auch künftig werde man sich an neu verabschiedete Rechtsvorgaben halten und das eigene Produkt entsprechend anpassen.

Zavamed erklärt auf Anfrage von “Der Hausarzt” , die Dienste zur Videosprechstunde seien Anfang 2023 eingestellt worden.

Den Vorwurf der vzbv, dass Daten getrackt würden, hält Doctolib für nicht gerechtfertigt. Gegenüber “Der Hausarzt” erklärt Doctolib, dass keine Gesundheitsdaten für Marketingzwecke verwendet würden. Die Videosprechstunde sei frei von Werbung – beide Punkte seien Gegenstand der Zertifizierung der Videosprechstunde.

“Durch Doctolib eingesetzte Cookies kommen in keinem Fall zum Einsatz, um Nutzerverhalten, welches einen Rückschluss auf den Gesundheitszustand ermöglicht, für Werbezwecke zu verwenden”, unterstreicht Doctolib. Der Einsatz von Cookies sei durch das TTDSG geregelt und Doctolib beachte diese Vorgaben.

Mit Leitlinien Sicherheit erhöhen

Für das Tracking ist allein der Anbieter verantwortlich, nicht die Ärztinnen und Ärzte, teilt die KBV auf Anfrage von “Der Hausarzt” mit. Die KBV plane dennoch, die Ergebnisse der vzbv-Studie mit dem GKV-Spitzenverband sowie den Zertifizierungsstellen zu besprechen. Gegebenenfalls könnte der Zertifizierungsprozess der Videodienstanbieter im Hinblick auf die Kritikpunkte optimiert werden, so die KBV.

Die Verbraucherschützer regen außerdem Leitlinien als Standards für Fernbehandlung und Telemedizin an. Dies könne für mehr Sicherheit sorgen. Diese sollten von den medizinischen Fachgesellschaften für den jeweiligen Fachbereich erarbeitet und von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AMWF) koordiniert werden, so die Idee.

Einzelne Fachgesellschaften sind hier auch bereits aktiv, erklärt die KBV. Es gebe zum Beispiel die 2020 veröffentlichte Leitlinie “Teledermatologie” des Berufsverbands der Dermatologen und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (siehe Link-Tipp unten).

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