Rückenschmerzen mit unerwarteter Ursache
Unter Rückenschmerzen leidet hierzulande fast jeder Dritte. Zwar gilt der Bandscheibenvorfall als häufigster Grund, doch in manchen Fällen steckt auch eine Erkrankung dahinter, an die man nicht unmittelbar denkt. Etwa bei dem 40-jährigen Mann, der seit zwei Tagen progrediente radikuläre Schmerzen auf der linken Seite (Lendenwirbel L2, L3) verspürt. Zudem zeigen sich progrediente Paresen (Grad 3) bei der Hüftbeugung und der Kniestreckung links.
Ansonsten weist er keine Sensibilitätsstörungen, keine Immunsuppression oder relevante Vorerkrankungen auf. Im MRT bewahrheitet sich der vermutete Bandscheibenvorfall nicht, es findet sich jedoch ein vergrößertes Spinalganglion bzw. eine Ganglioradikulitis.
Erst an Tag 6 treten die klärenden Effloreszenzen in der Glutealregion auf, welche die Diagnose Herpes Zoster ermöglichen. Unter 3 mal täglich 1.000 mg Valaciclovir für sieben Tage bildeten sich die Paresen innerhalb von zwei Wochen zurück.
Heftige Rückenschmerzen führten bei einem weiteren Mann zum Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall. Die Bildgebung (MRT) brachte kein wegweisendes Ergebnis, allerdings wurden ein atrophisches Bein, eine Bauchwandparese und das Bevoor-Zeichen bemerkt. Die routinemäßige Testung auf Borrelien-Antikörper bestätigte eine Neuroborreliose bzw. das Bannwarth-Syndrom.
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) verursacht ebenfalls initial häufig Rückenschmerzen. Unter diesen Schmerzen litt eine 64-jährige Frau seit drei Wochen und wies zusätzlich eine Blasendysfunktion und verminderte Reflexe der unteren Extremitäten bei ansonsten normaler Motorik auf.
Im MRT zeigte sich eine Radikulitis. Eine Liquoruntersuchung ergab eine zytoalbuminäre Dissoziation (starke Proteinerhöhung bei geringer oder fehlender Zellzahlerhöhung), die unter anderem beim GBS vorkommt. Diese auto-immune Neuropathie induziert radikuläre Symptome, wobei es sich meist um eine akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (AIDP) handelt.
Die Therapie erfolgt mittels Plasmapherese oder hochdosierten in-travenösen Immunglobulinen (IVIG). Die Patienten haben teilweise schwere neuropathische Schmerzen. (Prof. Christian Maihöfner, Fürth)
Migräne und Schlaganfallrisiko
Frauen mit Migräne weisen per se schon ein etwas erhöhtes Schlaganfallrisiko auf (bei Migräne ohne Aura: 4,0/100.000, mit Aura: 5,9/100.000 vs. 2,5/100.000 ohne Migräne). Vorsicht ist geboten, wenn die Frauen zusätzlich eine hormonelle Empfängnisverhütung einnehmen, dann steigt das Risiko bei Migräne ohne Aura auf 25,4/100.000 und mit Aura sogar auf 36,9/100.000.
Das sind zwar immer noch geringe Zahlen, doch laut Göbel ist es für die Betroffenen eine Katastrophe, in jungen Jahren einen Schlaganfall mit möglicherweise lebenslangen Folgen zu erleiden.
Die deutsche gynäkologische Leitlinie empfiehlt bei Migräne-Patientinnen nach dem 35. Lebensjahr eine Alternative zur hormonellen Kontrazeption zu bevorzugen. Eine absolute Kontraindikation für die Verschreibung eines Ovulationshemmers stellt die Migräne mit Aura dar. (Prof. Hartmut Göbel, Kiel)
Spondyloarthritis: Keine Angst vor Biologika
Bei Rückenschmerzen in jungen Jahren sollte man an eine rheumatische Erkrankung wie die axiale Spondyloarthritis denken – übrigens auch bei jungen Frauen, die etwa gleich häufig betroffen sind wie Männer. Die leitliniengerechte medikamentöse Therapie der axialen Manifestation startet mit NSAR. Patienten die darauf nicht ausreichend reagieren, können unter bestimmten Voraussetzungen Biologika oder JAK-Inhibitoren erhalten.
Sowohl TNF-α-Hemmer wie Adalimumab als auch IL-17-Hemmer wie Secukinumab zeigen sehr gutes Ansprechen. Das gilt auch für den JAK-Inhibitor Upadacitinib, mit Ansprechraten von rund 80 Prozent. Eine weit verbreitete Ansicht ist allerdings, dass Biologika und Methotrexat (MTX) zahlreiche Nebenwirkungen verursachen und häufig zu schweren Infektionen führen.
Gaubitz hält dies größtenteils für Angstmacherei. In MTX-Studien traten viele Nebenwirkungen – darunter Infektionen – vergleichbar häufig auf wie unter Placebo. Ausnahmen bildeten die Anzahl an Hautkrebsfällen und die Transaminasenwerte.
Für Biologika gibt es hingegen keine Hinweise für ein erhöhtes Tumorrisiko und das Risiko für schwerwiegende Infektionen ist nur im ersten halben Jahr erhöht. Insgesamt liegt die Lebenserwartung unter Biologika höher. (Prof. Markus Gaubitz, Münster)
Genderspezifische Aspekte berücksichtigen
Bei den Wirkungen und Nebenwirkungen von Schmerzmitteln sind geschlechtsabhängige Unterschiede zu beachten. Beispielsweise ist die Ausscheidung von Paracetamol bei Frauen um etwa 30 Prozent geringer. Daher führen Überdosierungen oder langfristige Anwendungen bei Frauen schneller zu irreversiblen Leberschäden als bei Männern.
Bei Opioiden unterscheiden sich sowohl die Wirkung als auch die Nebenwirkungen je nach Geschlecht. So spielt etwa bei lipophilen Opioiden der höhere Fettanteil von Frauen eine klinisch relevante Rolle, das Bindungspotenzial ist bei Frauen deutlich höher. (Prof. Bettina Pfleiderer, Münster)
Muskelkrämpfe früher behandeln
Durch den Einsatz von Muskelrelaxanzien besteht die Chance, langfristig eine Schmerz-Chronifizierung zu verhindern, indem man rechtzeitig in den Teufelskreis aus Schmerz, Muskelverspannung und mehr Schmerzen eingreift.
Sinnvoll sind Muskelrelaxanzien wie etwa Pridinol beispielsweise bei Rückenschmerzen und den daraus resultierenden Muskelverspannungen, Myalgien, Myogelosen oder Myotendinosen. Zudem bei Patienten mit Bandscheibenvorfall, Thorakalgien und Lumboischialgien sowie bei Waden- und Beinkrämpfen. (Dr. Artur Schikowski Düsseldorf)