Neue Leitlinie zum chronischen Koronarsyndrom
Die neuen Leitlinien zum chronischen Koronarsyndrom beinhalten auch neue Modelle zur Schätzung der Wahrscheinlichkeit einer ob-struktiven KHK und geben Empfehlungen zur Auswahl und Reihenfolge von Tests, Medikamenten und Interventionen zur Verhinderung von Komplikationen und zur Verbesserung der Symptome, wobei sowohl kleinere als auch größere Blutgefäße berücksichtigt werden; denn ein chronisches Koronarsyndrom kann nicht nur durch höhergradige Koronarstenosen in den großen Gefäßen, sondern auch durch Funktionsstörungen kleinerer Gefäße verursacht werden.
Bei der Hälfte der Patienten mit Verdacht auf KHK werden die Beschwerden durch Spasmen oder eine mikrozirkulatorische Dysfunktion ausgelöst. Um die Diagnose zu sichern, sollten invasive Funktionstests durchgeführt werden.
Eine weitere neue Empfehlung ist die Verwendung des Risikofaktor-gewichteten klinischen Wahrscheinlichkeitsmodells zur Schätzung der Vortestwahrscheinlichkeit (VTW) einer obstruktiven KHK. Danach hat jeder zweite Patient mit Brustschmerzen eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit einer obstruktiven KHK.
Bei einem geringen bis moderaten Risiko (>5-50 Prozent) wird bei Patienten mit typischen Symptomen eine koronare CT-Angiographie empfohlen, um eine obstruktive KHK auszuschließen. Wenn mittels CT-Angiographie eine Stenose mittleren Schweregrades nachgewiesen ist, sollte eine Belastungsuntersuchung wie Stress-Echo oder Stress-MRT oder Stress-PET erfolgen, um die hämodynamische Bedeutung der Stenose beurteilen zu können (Christiaan Vrints, Antwerpen).
Anm. d. Red.: Die NVL KHK ist hingegen bei invasiver Diagnostik zurückhaltender. Sie empfiehlt für Hausärzte zur Risikoabschätzung den Marburger Herzscore. Bei niedrigen-mittleren VTW soll primär eine CCTA stattfinden, laut der DEGAM sogar bei VTW von 50-85 Prozent (mehr dazu: www.hausarzt.link/gzePV).
ESC-Leitlinie Hypertonie aktualisiert
Während die NVL am Zielwert von 140/90 mmHg festhält, umfasst die überarbeitete ESC-Leitlinie zur Hypertonie eine neue Kategorie des erhöhten Blutdrucks, definiert als Blutdruck zwischen 120-139/70-89 mmHg. Diese neue Kategorie wird eingeführt, um bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine intensivere Behandlung zu etablieren.
Ansonsten wird die bestehende Definition für Hypertonie mit einem Wert von ≥ 140/90 mmHg beibehalten. Die neue Kategorie berücksichtige, dass Menschen nicht über Nacht vom Normo- zum Hypertoniker würden. Es sei ein dynamischer Prozess, so dass Menschen mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Folgeschäden wie Diabetiker von einer früheren und intensiveren Blutdrucksenkung profitieren können, bevor sie die Kriterien der Hypertonie erfüllen, so die ESC.
Die Richtlinien von 2024 geben auch erstmals Empfehlungen zur Anwendung der renalen Denervation. Aufgrund fehlender Beweise hinsichtlich des Nutzens bzgl. kardiovaskulärer Ereignisse wird dieses Verfahren nicht als Erstlinienbehandlung empfohlen. Das gleiche gilt für Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz und mit einer sekundären Hypertonie (John William McEvoy, Galway).
Amyloidose ist häufiger als gedacht
Nach den Daten einer englischen Biobank leiden mehr Patienten an einer kardialen Amyloidose als bisher vermutet. 1 von 23 (4,3 Prozent) der Studienteilnehmer zeigte eine potenziell schädliche genetische Variante, die mit einer ATTR-Amyloidose in Verbindung steht.
Bei ihnen ist das Risiko für Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen um das zwei- bis dreifache erhöht. Da heute vielversprechende Medikamente zur Verfügung stehen, ist es wichtig, die Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren (Luis Lopes, London).
Betablocker bei Postinfarkt-Patienten
Lange Zeit gehörten Betablocker im Rahmen der Sekundärprävention zur Standardtherapie bei Postinfarkt-Patienten. Doch bei der diesjährigen Tagung der amerikanischen Gesellschaft für Kardiologie (ACC) wurden Daten vorgestellt, die dieses Dogma ins Wanken gebracht haben. In einer offenen Register-basierten randomisierten REDUCE-AMI-Studie erhielten Patienten randomisiert erstmals einen Betablocker oder nicht. Der Betablocker zeigte keinen Vorteil. Doch die kardiovaskuläre Hospitalisierung wurde nicht erfasst.
In einer jetzt vorgestellten offenen prospektiven Nichtunterlegenheitsstudie (ABYSS-Studie) wurde erneut der Frage nachgegangen, ob der Betablocker für Postinfarkt-Patienten ohne Herzinsuffizienz vorteilhaft ist. Von 3.698 Postinfarkt-Patienten erhielt randomisiert die Hälfte einen Betablocker. Die Auswertung erfolgte nach 2,7 Jahren.
Primärer Endpunkt der Studie war die Kombination aus Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall und Hospitalisierung wegen eines kardiovaskulären Ereignisses. Zu den sekundären Endpunkten zählte die Lebensqualität. Die Auswertung ergab keinen Unterschied zwischen den beiden Patientengruppen. Mit anderen Worten, das Weglassen des Betablockers hatte keinen nachteiligen Effekt auf die harten Endpunkte.
Doch das Absetzen des Betablockers führte zu einem Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz, was langfristig die Ereignisrate erhöhen dürfte. Außerdem mussten Patienten ohne Betablocker häufiger wegen eines kardiovaskulären Ereignisses hospitalisiert werden. Insbesondere Hypertoniker mussten häufiger stationär behandelt werden. Deshalb stellt sich die Frage, ob man eine gut verträgliche Betablocker-Therapie wirklich beenden sollte, zumal das Weglassen des Betablockers riskant sein könnte (Johanne Silvain, Paris).
Lipide in der Menopause
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Frauen. 40 Prozent aller Todesfälle sind darauf zurückzuführen. Zwar treten kardiovaskuläre Ereignisse bei Frauen im Schnitt zehn Jahre später auf als bei Männern. Doch das Risiko steigt nach der Menopause stark an.
Nach neuen Daten zeigen Frauen in der Perimenopause Veränderungen im Lipidprofil, die ein erhöhtes Infarktrisiko erklären könnten. Das LDL-Cholesterin, insbesondere die stark atherogenen kleinen LDL-Partikel steigen an und das HDL-Cholesterin sinkt (Stephanie Moreno, Dallas).
Antihypertensiva: morgens oder abends einnehmen?
Dieser Frage ist man im Rahmen zweier großer Metaanalysen nachgegangen. Das Fazit lautet: im Hinblick auf die Hypertonie-bedingten Folgeschäden gibt es keinen Unterschied, wobei als primärer Endpunkt die Kombination aus Tod jeglicher Ursache, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Verschlechterung einer Herzinsuffizienz festgelegt wurden.
Deshalb lautet die Schlussfolgerung: Einmal täglich einzunehmende Antihypertensiva können zu einem Zeitpunkt eingenommen werden, der den Wünschen und den Gegebenheiten des Patienten am besten entspricht. Die Antihypertensiva sollten dann eingenommen werden, wenn die größte Chance besteht, dass der Patient die Einnahme nicht vergisst (Ricky Turgeon, British Columbia).