CoronavirusWie motivieren wir die Ungeimpften?

Gerade bei den Impfungen gegen das Coronavirus zeigt sich: Fundierte Aufklärung und Vertrauen in die Hausarztpraxis tragen Früchte. Tipps fürs Arzt-Patienten-Gespräch.

Dass sich seit Beginn der Impfkampagne gegen das Coronavirus einiges verändert hat, spürt Dr. Jens Lassen in seiner Praxis in Leck deutlich. “Die Erst- und Zweitimpfungen lassen merklich nach”, beobachtete der zweite stellvertretende Vorsitzende des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein zuletzt.

Seien es seit April konstant 300 bis 400, zu Höchstzeiten auch 500 Impfungen pro Woche gewesen, sei die Nachfrage zuletzt “endgültig eingebrochen”: Zögerliche 25 Anfragen wöchentlich erhielt das Team von Lassen Ende Juli noch. Das “Hauptproblem” sieht der Hausarzt aktuell daher in der Frage: “Wie motivieren wir die Ungeimpften?”

Den regelmäßigen, seit Beginn der Pandemie zweiwöchentlich durchgeführten Befragungen der Cosmo-Studie der Universität Erfurt zufolge zeigte sich Mitte Juli ein Drittel der noch Ungeimpften “unsicher” (12 Prozent) oder “zögerlich” (19 Prozent) mit Blick auf die Covid-19-Impfung [1].

Die Gründe dafür sind vielfältig (Abb. 1) [2]. “Die unsicheren Zögerer verlassen sich im Vergleich zu den Impfbereiten eher auf die anderen (Trittbrettfahren), sie halten die Impfung eher für überflüssig und nehmen sie nicht als etwas wahr, dass die Rückkehr zum Alltag erlaubt.

Sie halten die Impfung auch für etwas weniger sicher”, fassen die Cosmo-Studienautoren zusammen. Impfverweigerer sind dabei ausgenommen.

Hausärzte in der Beratung gefragt

Auch aus diesem Grund setzt Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, mehr auf Aufklärung denn auf Druck. “Impfen ist eine medizinische Maßnahme, ein medizinischer Eingriff”, erinnert er. Man müsse daher versuchen, Menschen zu überzeugen.

Dabei wird die Bedeutung der hausärztlichen Beratung am Beispiel der Corona-Impfung zwar besonders deutlich – völlig neu ist sie jedoch nicht. “Impfen ist eine ur-hausärztliche Aufgabe”, sagt Dr. Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Instituts für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband (IHF) (s. Interview S. 24).

Nichtsdestotrotz sei das Impfen selten so in die Öffentlichkeit gerückt wie in der Pandemie. “Auch wenn die Beratung prinzipiell nichts Neues ist, so bedeutet sie allein mit Blick auf den jetzigen Umfang daher eine Herausforderung für alle Praxen.”

Motivation auf drei Ebenen

Dabei kann die Motivation zur Impfung auf verschiedenen Ebenen stattfinden:

  1. Aus der Praxis heraus: Hausärztinnen und Hausärzte klären im persönlichen Gespräch auf und räumen so Zweifel und Unsicherheiten aus dem Weg. Dies sei wichtig, da die “Empfehlung und Entscheidungssicherheit (der Ärzte) ein großes Gewicht hat”, konstatieren die Autoren der Cosmo-Studie [1]. Doch: Diese Beratung erfordert Zeit, laut Mühlenfeld 15 bis 20 Minuten pro Patient. Die bisherige Vergütung der Corona-Impfberatung ohne anschließende Impfung von zehn Euro deckt das nicht ab, was der Deutsche Hausärzteverband kritisiert.
  2. Im Alltag: Sowohl Politik als auch Hausärztinnen und Hausärzte waren zuletzt bemüht, durch ein Verschieben der Impforte in die Lebenswelten der Menschen zu motivieren – auf Supermarktparkplätzen, vor Hauptbahnhöfen, an Schulen. So auch Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Hausärztin in Pforzheim und aktiv im Hausärzteverband Baden-Württemberg: Sie impfte auf dem Parkplatz eines Supermarktes (“Der Hausarzt” 10/21). “Der Andrang war riesig, über 2000 Interessierte waren für die 885 Impfdosen gekommen.” Laut Cosmo-Studie könnten 30 bis 40 Prozent der zögerlichen Personen mit solchen aufsuchenden Impfangeboten gut erreicht werden. “Ablehnende Personen erreicht man dadurch eher weniger gut.”
  3. “Von oben”: Nach der Diskussion von Impfanreizen – in anderen Ländern wurde mit Bargeld, Lotteriescheinen, Essen oder anderen “Goodies” zur Corona-Impfung motiviert – oder gar eines Impfzwangs hat sich die Bundesregierung Mitte August zunächst entschieden, die kostenfreien Bürgertests ab Mitte Oktober abzuschaffen. Der Kostendruck könnte für einige ein neues Argument für die Impfung sein.

Darüber hinaus setzt die Politik auch auf positive Kommunikation: Das bayerische Gesundheitsministerium etwa hat eine Kampagne “Ich tu‘s für” ins Leben gerufen, um für verschiedene Gründe fürs Impfen zu sensibilisieren.

“Wir werden nicht alle erreichen”

“Wir werden, egal mit welchen Mitteln, leider nicht alle Menschen von einer Impfung überzeugen können – das gelingt uns auch bei lange etablierten Impfungen nicht”, gibt Hausärzte-Chef Weigeldt zu bedenken. “Wichtig ist, diejenigen zu erreichen, die grundsätzlich aufgeschlossen, aktuell aber noch unschlüssig sind oder keine Eile sehen.”

Erschwert werde die Beratung aktuell auch durch ein verändertes Klientel der Neu-Infizierten, beobachtet Lassen. Letztes Jahr sei die Diagnose Covid-19 oft “ein persönliches Fiasko mit großer Erschrockenheit” gewesen. “Heute sind die Neuerkrankten häufig jung, wenig interessiert und bewusst ungeimpft. Das ist nicht ganz einfach.”

Quellen:

1. Covid-19 Snapshot Monitoring (Cosmo), Universität Erfurt, Welle 47, 13.-14.7.21, n = 954, www.corona-monitor.de

2. vgl. Betsch et al. 2018, https://doi.org/10.1371/journal.pone.0208601

„Unsere stärkste Karte ist das Vertrauenverhältnis“

Dr. Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Instituts für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband (IHF)

1. Wie nähern sich Hausärztinnen und Hausärzte beim Thema Impfen ihren Patientinnen und Patienten an?

In unserer Praxis erfassen wir strukturiert den Impfstatus aller Patientinnen und Patienten. Aktuell bedeutet das: Wir fragen ganz offen, ob er oder sie gegen das Coronavirus geimpft ist oder nicht. So wird relativ rasch klar, ob ein Informationsdefizit vorliegt. Dann frage ich ganz offen, wo Bedenken liegen oder Unsicherheiten bestehen.

2. Ist das mit jedem Patienten möglich – oder sind manche gar nicht erst gesprächsbereit?

Bei dieser gezielten Ansprache spüre ich, wenn mir ein grundsätzlicher Impfgegner gegenübersteht. Das betrifft in meiner Praxis etwa jeden zehnten aktuell noch Ungeimpften. Das hat dann aber nichts mehr mit Covid-19 zu tun, sondern es handelt sich um eine grundsätzliche Ablehnung von Impfungen. Da steige ich nicht weiter ins Gespräch ein, sondern nehme diese Haltung einfach zur Kenntnis. Sobald ich jedoch eine gewisse Offenheit spüre und mangelnde Aufklärung vermute, spreche ich das direkt an.

3. Wie können Sie diesem Informationsdefizit im Gespräch entgegenwirken?

Viele berichten mir, wenn ich nach Unsicherheiten frage, erst einmal von anderen Fällen: vom Nachbarn etwa, der nach der Impfung drei Tage lang flachgelegen hat. Dann erkläre ich, was typische Nebenwirkungen sind und dass diese nicht nur negativ sind. Im Gegenzug kann ich von schwierigen Verläufen berichten. Wir hatten in unserer Praxis Fälle, die wirklich schwer betroffen waren und noch immer sind. Das kann ich dann auch sehr authentisch darstellen. Daraufhin muss der Patient oder die Patientin abwägen. Ich überzeuge nicht jeden zur Impfung – im Gegenteil –, aber basierend auf diesen Informationen kann mein Gegenüber für sich eine Entscheidung fällen. Darum geht es.

4. Was ist in diesem Gespräch denn das beste “Instrument”: Evidenz, möglichst einfache Worte, die eigene Vorbildrolle?

Unsere stärkste Karte als Hausärztinnen und Hausärzte ist das Vertrauensverhältnis. Wenn ich als Hausarzt sage “Ich an Ihrer Stelle würde das machen”, wirkt das meiner Erfahrung nach besser, als wenn ein Professor Evidenzen vorträgt. Das gilt übrigens auch für unsere Medizinischen Fachangestellten (MFA) und Versorgungsassistenzen in der Hausarztpraxis (VERAH): Auch ihre Meinung zählt dank ihres oft langjährigen Vertrauensverhältnisses viel.

Der Bayerische Hausärzteverband stellt seinen Mitgliedern Poster und Praxis-Flyer zur Impf-Motivation zur Verfügung. Sie können kostenfrei nachbestellt werden: www.hausaerzte-bayern.de im Bereich Service -> Bestellservice

PODCAST-TIPP

Das gesamte Interview mit Dr. Hans-Michael Mühlenfeld zum Anhören: www.hausarzt.digital/podcast oder unter dem Suchbegriff “HörBesuch” in Ihrem gewohnten Player (Apple, Google Podcasts, Spotify, Deezer). Hörzeit: 15 Minuten

Fazit fürs Arzt-Patienten-Gespräch

  1. “Unsichere Zögerer” sollten über den individuellen Nutzen und die Wichtigkeit beispielsweise hoher Impfquoten informiert werden, raten die Autoren der Cosmo-Studie [1]. Argumente können im Fall von Covid-19 der eigene Schutz vor schweren Verläufen und Hospitalisierung, aber auch der Schutz anderer sowie die Rückkehr in ein normales Leben sein.
  2. Skeptische Menschen suchen oft nach Evidenz, um ihre Meinung zu bilden. Im Gespräch kann es daher helfen, die Evidenz jeder Diagnostik, Therapie oder Impfung hervorzuheben. Hilfreich kann sein, schriftliche Informationen an die Hand zu geben. Tipp:“Der Hausarzt” und das IHF stellen eine Reihe qualitätsgesicherter Patienteninformationen, auch rund um die Corona-Impfung, bereit: www.hausarzt.digital/covid19 .
  3. Hausärztinnen und Hausärzte sind Vertrauenspersonen. Gehen sie offen mit der eigenen Impfung und möglicherweise auch Unsicherheiten um, so kann das überzeugen.
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