KongressberichtUngutes Bauchgefühl

Wenn’s um den Bauch geht, ist die interdisziplinäre Sichtweise von konservativen und interventionellen Gastroenterologen sowie Viszeralchirurgen gleichermaßen wichtig. Beim diesjährigen Kongress Viszeralmedizin wurde auf eine entsprechende Interdisziplinarität Wert gelegt.

Viszerale Erkrankungen können Haus- und Fachärzte ganz schön beschäftigen.

Ob bös- oder gutartig, viszerale Erkrankungen können Haus- und Fachärzte ganz schön beschäftigen. Die interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit ist der Schlüssel für eine adäquate Versorgung der Betroffenen.

Infektionsschutz bei CED überprüfen

Vor der Therapie mit immunsupprimierenden Therapeutika wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sollte bei allen Betroffenen der Impfstatus und die Infektionshistorie überprüft werden. Es wird empfohlen, fehlende Impfungen vor Therapiebeginn nachzuholen und Infektionsrisiken mit dem Patienten zu besprechen. Sonst kann es zu Komplikationen kommen wie im Fall eines 25-jährigen Patienten, über den Dr. Wolfgang Reindl, Mannheim, berichtete.

Der Patient stellte sich mit seit sechs Monaten regelmäßig auftretenden Schmerzen im rechten Unterbauch und drei bis fünf Mal täglichen nicht-blutigen Durchfällen vor. Es wurde ein Morbus Crohn diagnostiziert und eine Therapie mit dem gegen den Tumornekrosefaktor-α gerichteten Antikörper Adalimumab begonnen, die rasch zu einer Besserung führte. 18 Monate später wurde der Patient wegen schwerer respiratorischer Insuffizienz auf die Intensivstation aufgenommen.

Er hatte eine beatmungspflichtige Varizellen-Pneumonie bei Erstinfektion. Es war versäumt worden, vor Therapiebeginn nach einer früheren Varizellen-Impfung oder Varizellenerkrankung zu fragen. Dadurch wurde die Impfung nicht nachgeholt und der Betroffene nicht auf Zeichen einer solchen Erkrankung hingewiesen. Er wartete nach Auftreten der ersten Bläschen zu lange, die Therapie wurde verzögert gestartet und so kam es zur beatmungspflichtigen Pneumonie.

Sind vor Therapiebeginn Impfungen nicht vollständig dokumentiert, empfiehlt Reindl die serologische Testung auf Masern, Varizellen, Cytomegalie-Virus, Eppstein-Barr-Virus, Hepatitis-Viren und dem humanen Immundefizienzvirus. Bei längeren Aufenthalten in Ländern mit hoher Tuberkulose-Prävalenz muss auch an diese Erkrankung gedacht werden.

Die von CED Betroffenen sollten auch regelmäßig auf andere empfohlene Impfungen hingewiesen werden. Dazu gehören die Pneumokokken-Impfung, die HPV-Impfung bei Kindern und Jugendlichen und die saisonalen Impfungen gegen Influenza und SARS-CoV-2. Lebendimpfungen können unter laufender CED-Therapie mit Biologika nicht nachgeholt werden. In diesem Fall sollte zumindest das Umfeld geimpft werden.

Zöliakie belastet

Auch eine asymptomatische und damit oft erst spät erkannte Zöliakie ist ein Risiko, berichtete Privatdozentin Dr. Helga Török, München. Belegt ist ein erhöhtes Krebsrisiko, insbesondere für gastrointestinale Karzinome, Uteruskarzinome, Brustkrebs und Kopf-Hals-Tumore, aber auch ein höheres kardiovaskuläres Risiko. Spontanaborte und ein niedriges Geburtsgewicht sind mögliche Folgen einer nicht erkannten Zöliakie bei schwangeren Frauen.

Wird die Erkrankung diagnostiziert, steigt die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens, wie Prof. Dr. Bernd Bokemeyer, Minden, berichtete. Er wertete Daten von 838 gesetzlich krankenversicherten Personen aus, die zwischen 2017 und 2019 neu die Diagnose einer Zöliakie erhalten hatten. Als Kontrollgruppe dienten fünfmal so viele demografisch und in Begleiterkrankungen ähnliche Nicht-Zöliakie-Patienten.

In den zwei Jahren nach der Zöliakie-Diagnose waren die Betroffenen gegenüber Nicht-Zöliakie-Patienten 3,5-mal so häufig im Krankenhaus, hatten gut doppelt so viele Arztkontakte, mehr ambulante Medikamentenverordnungen und wurden häufiger krankgeschrieben. Das resultierte in knapp 2.200 Euro höheren Krankheitskosten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gegenüber den Kontrollpersonen.

Wurden alle Patienten mit Zöliakie-Diagnose mit den Versicherten ohne Zöliakie verglichen, betrugen die GKV-Mehrkosten bei Zöliakie mehr als 5.000 Euro über zwei Jahre. Bokemeyer sieht in diesen Zahlen einen Beleg für die Notwendigkeit der Entwicklung angemessener Behandlungsoptionen für Menschen mit Zöliakie. Bislang ist die einzige Therapie die strikte glutenfreie Diät.

Cave! Chemotherapie und Zoster

Bei viszeralen Karzinomen werden im Rahmen der Chemotherapie häufig 5-Fluorouracil (5-FU) und seine Prodrugs eingesetzt. Seit einiger Zeit wird vorab die Testung auf Varianten des abbauenden Enzyms Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) empfohlen, die den 5-FU-Wirkspiegel beeinflussen. Darüber hinaus sind Interaktionen zu beachten, betonte Dr. Jan Peveling-Oberhag, Stuttgart.

Eine 69-jährige Frau erhielt wegen eines nicht komplett resezierten intrahepatischen Cholangiokarzinoms adjuvant Capecitabin, eines der Prodrugs von 5-FU. Vier Monate lang vertrug die Patientin die Tablettentherapie gut.

Im fünften Monat musste sie wegen rasch progredienter Hautausschläge stationär aufgenommen werden und verstarb acht Stunden später an einer Sepsis. Es stellte sich heraus, dass sie wegen einer Gürtelrose Brivudin erhalten hatte. Der Wirkstoff hemmt die DPD irreversibel, es kam zur toxischen Überdosierung von 5-FU.

Reflux bei Schwangeren

Sodbrennen und saurer Reflux nehmen im Verlauf einer Schwangerschaft zu. Im dritten Trimenon ist jede zweite Schwangere davon betroffen. Ignorieren sollte man diese Beschwerden nicht. Entsteht eine peptische Ulkuserkrankung, kann das Mutter und Kind gefährden, berichtete Prof. Dr. Kerstin Schütte, Osnabrück.

Wenn Allgemeinmaßnahmen wie die Erhöhung des Kopfendes des Bettes oder die Vermeidung von Spätmahlzeiten nicht helfen, sind laut der Datenbank Embryotox die Antazida Magaldrat und Hydrotalcit auch in der Schwangerschaft einsetzbar, ebenso Sucralfat und der H2-Rezeptorantagonist Famotidin.

Gewicht weg – Muskeln weg

Etwa ein Viertel der Operierten entwickelt nach der bariatrischen Chirurgie eine zunehmende Sarkopenie, berichtete Dr. Alida Finze, Mannheim. Im Rahmen der Gewichtsabnahme verlieren die Patienten überproportional viel fettfreie Masse. Empfohlen wird eine Zufuhr von mindestens 60 g Proteinen pro Tag, nach malabsorptiven Verfahren wie dem Roux-en-Y-Bypass 80–100 mg pro Tag. Die fettfreie Masse nimmt trotzdem ab.

Zum Muskelaufbau ist die Kombination mit Sporttherapie nötig, betonte Finze. Das Problem ist die Compliance. In einer eigenen Studie schien ein Fahrradergometertraining bei bariatrischen Patienten zwar effektiv. Aber 70 Prozent der Probanden brachen die Studie schon vor Beginn des Trainings ab.

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