DiabetologieEASD-Kongress: Von dick nach dünn

Mit der Verfügbarkeit von Antidiabetika, die mit einer Gewichtsreduktion einhergehen, und dem breiteren Zugang zur metabolischen Chirurgie, hat die Diskussion um das Abnehmen als wichtige Diabetestherapie neue Fahrt aufgenommen. Einige Antidiabetika haben auch sonst noch interessante Effekte jenseits der Blutzucker- und Gewichtsreduktion.

Typ-2-Diabetes: Umdenken gefragt

40 bis 70 Prozent aller Menschen mit Typ-2-Diabetes weisen eine durch Adipositas getriggerte Insulinresistenz auf. Dieser Adipositas-assoziierte Typ-2-Diabetes sollte zukünftig gewichts- und nicht mehr glukosezentriert behandelt werden, fordert Professor Ildiko Lingvay, Dallas.

Damit ist das primäre Therapieziel für diese Patienten die Gewichtsreduktion um mindestens 10 Prozent, um einen Typ-2-Diabetes zur Remission zu bringen, um 15 Prozent und mehr.

Dieser Ansatz beugt nicht nur diabetischen Komplikationen vor, sondern behandelt auch gleich Komorbiditäten wie Fettleber, obstruktive Schlafapnoe, Arthrose, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen, ist also holistisch, meinte Lingvay.

Nach dem von ihr und ihren Kollegen vorgeschlagenen Algorithmus soll die Gewichtsreduktion bei Adipositas-assoziiertem Typ-2-Diabetes zunächst mit Lebensstilinterventionen gegebenenfalls ergänzt um Pharmaka zur Gewichtsreduktion wie Orlistat, Bupropion/Naltrexon, Liraglutide (3,0 mg) und Semaglutid (2,4 mg) angestrebt werden.

Bei nicht ausreichender Gewichtsabnahme kommt ein Wechsel der Medikation oder eine Kombination von gewichtsreduzierenden Medikamenten infrage. Als Ultima Ratio ist die bariatrische Chirurgie zu erwägen. Die gewichtszentrierte Therapie wäre laut Lingvay bei Patienten mit Adipositas-assoziiertem Diabetes Typ 2 unabhängig vom HbA1c oder Nüchternblutzucker indiziert.

Für die glykämische Kontrolle sollten bei der gewichtszentrierten Diabetestherapie vor allem die Wirkstoffe berücksichtigt werden, für die ein gewichtsreduzierender Effekt nachgewiesen ist, also Metformin, Natrium-Glukose-Kotransporter-2(SGLT2)-Inhibitoren und Glukagon-like-Peptid-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA).

Gewichtsprobleme bei Typ-1-Diabetes

Menschen mit Typ-1-Diabetes sind häufiger adipös als Gleichaltrige in der Allgemeinbevölkerung, berichtete Professor Dr. Bart van der Schueren aus Leuven, Belgien. Besonders häufig sind Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes von Adipositas betroffen.

Das könnte an der stark auf den Aspekt Blutzucker konzentrierten Therapie des Typ-1-Diabetes liegen, aber auch an der Strategie der Patienten, viele Zwischenmahlzeiten (“Snacks”) einzunehmen, um Hypoglykämien vorzubeugen.

Die Adipositas kann für Menschen mit Typ-1-Diabetes einen Teufelskreis bedeuten: Zur fehlenden Insulinproduktion gesellt sich eine Insulinresistenz, es werden immer höhere Insulinmengen benötigt und die glykämische Kontrolle verschlechtert sich.

Die Gewichtsreduktion ist in diesem Fall noch schwieriger zu erreichen als bei Menschen mit Typ-2-Diabetes: Die Kombination von Diät und körperlichem Training zur Gewichtsreduktion kann mit einem deutlichen Hypoglykämierisiko einhergehen, es muss also gut geschult werden.

Gewichtsreduzierende Medikamente sind für diese Indikation nicht zugelassen. SGLT2-Inhibitoren gehen mit einem erhöhten Risiko für Ketoazidosen einher, GLP-1-RA bedeuten zusätzliche Injektionen und der Gewichtseffekt war in Studien relativ gering.

Bei bariatrischer Chirurgie – kaum untersucht in dieser Indikation – muss ebenfalls mit Hypoglykämien und Ketoazidosen gerechnet werden. Insgesamt sollten begleitende Therapien zur Insulintherapie speziell auch im Hinblick auf die Gewichtsentwicklung erforscht werden, wünscht sich van der Schueren.

Aktuell gilt: Besser frühzeitig der Gewichtszunahme begegnen, Menschen mit Typ-1-Diabetes hinsichtlich der Ernährung schulen und Insulindosierungen möglichst nah an physiologischen Spiegeln entlang titrieren.

Mittel gegen Gicht?

Im Rahmen der EMPA-REG Outcome-Studie wurde auch der Effekt von Empagliflozin auf den Harnsäurespiegel analysiert. Im Rahmen der Studie hatten 7.020 Patienten mit Typ-2-Diabetes und hohem kardiovaskulären Risiko zusätzlich zur bisherigen Therapie eine von zwei Dosierungen Empagliflozin oder Placebo erhalten.

Sechs Prozent der Patienten wendeten bereits zu Beginn der Studie harnsäuresenkende Medikamente an, berichtete Prof. Jaoa P. Ferreira, Nancy.

Während sich in der Placebogruppe der Harnsäurespiegel nach anfänglich geringem Anstieg mit der Zeit kaum mehr veränderte, fiel er mit Empagliflozin-Einnahme dauerhaft ab. Nach 52 Wochen lag der Unterschied zwischen den beiden Gruppen über alle Patienten hinweg bei 0,37 mg/dl.

Ein entsprechender Effekt zeigte sich sowohl bei Patienten mit Harnsäurespiegeln oberhalb als auch unterhalb von 6,0 mg/dl. Studienteilnehmer der Placebogruppe entwickelten signifikant häufiger neu eine Gicht oder erhielten erstmals eine Gicht-Medikation als Patienten in den Empagliflozin-Gruppen (5,2 Prozent vs. 3,6 Prozent). Der Unterschied entsprach einer 33-prozentigen Risikoreduktion.

SGLT-2-Hemmer auch für Alte?

Über 70-jährige Patienten können häufig ebenfalls mit SGLT-2-Inhibitoren behandelt werden, meinte Dr. Maria Lunati, Mailand. Sie hatte retrospektiv Krankenakten von 450 Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes analysiert, die in einem Alter über 70 Jahren eine SGLT-2-Inhibitor-Therapie neu begonnen hatten. Die Therapie führte über 6 und 12 Monate hinweg zu einer signifikanten Abnahme der Hyperglykämie und des HbA1c.

Allerdings waren urogenitale Infektionen häufig (42,3 Prozent) und 65 Patienten brachen die Therapie deswegen oder wegen einer Volumendepletion ganz ab. Die eGFR blieb insgesamt stabil und nahm nur bei 12,4 Prozent der Patienten stärker ab – vorrangig bei denjenigen mit einem hohen kardiovaskulären Risiko. Vorsicht ist laut Lunati bei der SGLT-2-Therapie von fragilen Patienten mit maximal intermediärer Lebenserwartung geboten.

Chance vertan

Frauen mit Gestationsdiabetes in der Schwangerschaft haben ein erhöhtes Risiko für eine spätere Entwicklung eines Diabetes mellitus oder einer kardiovaskulären Erkrankung. Die Auswertung von 12.991 Frauen im deutschen GestDiab-Register ergab, dass nur 38,2 Prozent der Betroffenen post partum einen oralen Glukosetoleranztests erhalten hatten, davon nur die Hälfte in dem empfohlenen Zeitraum von 6 bis 12 Wochen nach der Entbindung.

Ausgerechnet Mütter mit höherem Nüchternblutzucker bei Diagnose des Gestationsdiabetes, rauchende und übergewichtige Mütter wurden besonders selten gescreent, berichtete Ute Linnenkamp vom Deutschen Diabeteszentrum in Düsseldorf.

Risikofaktor Arzt/Ärztin?

Eine hohe Adhärenz der Primärversorger zu empfohlenen Diabetes-Kontrolluntersuchungen senkt das kardiovaskuläre Risiko ihrer Patienten mit Typ-2-Diabetes, wie eine norwegische Studie zeigt. Ausgewertet wurden die Durchführung von regelmäßigen Messungen von HbA1c, LDL-Cholesterin, Albuminurie, Blutdruck, die Untersuchung der Füße in den letzten 15 Monaten und eine Augenuntersuchung in den letzten 30 Monaten.

Patienten von Ärzten, die sich eng an diese Vorgaben hielten, hatten ein um etwa zwei Prozent verringertes 10-Jahres-Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung und eine bessere glykämische Kontrolle als Patienten von besonders wenig Leitlinien-adhärenten Ärzten, berichtete Kjersti Nøkleby, Oslo.

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