Von den Händen bis zum IntimbereichHautmykosen: Neue Erreger und Klassiker

Neue Keime kommen aus der ganzen Welt auch nach Deutschland und bringen so neue Erscheinungsbilder von Hautmykosen mit sich. Aber auch die einheimischen Mykosen wandeln sich.

Neuer zoophiler Dermatophyt von Meerschwinchen übertragen: T. benhamiae.

Aus aller Welt kommen neue Erreger zu uns, auch in der Mykologie. Hauptquellen sind Migration, Tierhandel und Tourismus [1], der jährlich mehr als 1,2 Mrd. Menschen um den Globus schickt [2]. Auch bei den einheimischen Mykosen ist ein Wandel erkennbar. Dies zeigt sich deutlich am Anstieg von hochentzündlichen Infektionen. Ein Paradebeispiel ist der Genital- und Windelsoor, eine im Alter die Lebensqualität besonders beeinträchtigende Infektion [3].

Zwei Arten von Mykosen

Nach dem klinischen Bild sind zwei Formen von Pilzinfektionen zu unterscheiden (Abb. 1 – alle Abbildungen im PDF):

  1.  Gering entzündliche Infektionen wie Fuß- und Nagelpilz durch Dermatophyten (echte Hautpilze) und den Hefepilz M. furfur, dem Erreger der Pityriasis versicolor.
  2. Hoch entzündliche Mykosen durch neue Dermatophyten wie T. mentagrophytes Typ VII [4] oder T. benhamiae [5] sowie die Hefepilze C. albicans und Candida africana [6].

Bisher galt die Regel: Anthropophile Dermatophyten wie Fuß- oder Nagelpilz haben eine geringe Virulenz und zeigen ein nur schwach entzündliches klinisches Bild. Zoophile Erreger wie M. canis (von Katzen übertragen), T. benhamiae oder T. mentagrophytes Typ IV (beide von Meerschweinchen übertragen), sind dagegen hoch virulent und klinisch stark (Abb. 1).

Diese Regel wird zum ersten Mal vom sogenannten “Thailand”-Pilz T. mentagrophytes Typ VII durchbrochen, der von Menschen zu Menschen übertragen wird [4]. Er verfügt über eine für einen Hautpilz bislang nie beobachtete dramatische Klinik. Wer diesen Erreger einmal in der Praxis sah, wird ihn nie vergessen.

Die beiden T. mentagrophytes-Subtypen sind derart neu, so dass über ihre Nomenklatur noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

T. mentagrophytes Typ VII

Der Erreger stammt zwar ursprünglich aus Thailand, ist aber inzwischen auch in Afrika und bei Patienten anzutreffen, die nicht im Ausland waren. Der Pilz ist somit längst endemisch. Als Gründe für das extreme Krankheitsbild werden Intimrasur bei Frauen, intensive sexuelle Kontakte und tropische Umstände genannt [7]. Dies scheint weniger relevant zu sein, wenn man bedenkt, dass der Erreger nicht vom Klima abhängig ist und sich inzwischen weltweit verbreitet. Jeder kann an jedem Ort an einer solchen Mykose erkranken, ob mit oder ohne Intimrasur, in Afrika oder einem Bordell in Berlin (s. Abb. 2). Wahrscheinlicher für das markante Krankheitsbild ist die immunologische Fremde des Erregers, wie bei vielen anderen Erregern auch. Man denke an die Masern in Australien, die von den Briten dorthin verschleppt wurden, die Pocken durch die Spanier in Lateinamerika, oder die im Gegenzug von dort mitgebrachte Syphilis, welche anfangs sogar tödlich waren.

T. mentagrophytes Typ VIII

Dieser neue Erreger breitet sich von Indien kommend aus, wo er bereits große Epidemien ausgelöst hat. Er ist von geringerer Virulenz als sein Pendant aus Thailand, anthropophil, aber ebenso nicht leicht zu behandeln. Denn beide Varietäten vereint die Resistenz gegenüber Terbinafin [8,9]. Ein Schock in der Mykologie, weil diese Substanz als die bislang wirksamste gegen Dermatophyten galt [10]. Topische Antimykotika wie Ciclopirox, Bifonazol oder Sertaconazol, ebenso das Antiseptikum Chlorhexidin, erwiesen sich nach unseren Testungen jedoch erfreulicherweise als hoch wirksam (Abb. 3). Auch die systemische Substanz Itraconazol zeigte eine hohe Wirkung.

T. benhamiae

Die Deutschen sind nicht nur Weltmeister im Verreisen. Auch in der Liebe zum Tier sind sie spitze. Derzeit blüht der weltweite Handel mit exotischen Haustieren. Auf den Wunschzetteln vieler Tierfreunde stehen Exoten wie Weißbauchigel aus Afrika oder Skinny pigs aus Japan. Solche Tiere werden durch Inzucht erzeugt, sind im Ergebnis daher besonders infektanfällig, wider der Natur. Die Folge dessen ist die Verbreitung eines weiteren neuen Pilzerregers: T. benhamiae.

Er stammt zwar ursprünglich aus Fernost, entwickelte sich jedoch binnen kurzer Zeit auch in Deutschland zum häufigsten zoophilen Dermatophyten (5). Entsprechend seiner zoophilen Herkunft ist die Virulenz des Erregers hoch und die Entzündung stark (Abb. 1).

Candida africana

Dass Migration Gesellschaften verändert, gilt auch für Candida africana, dessen Inzidenz steigt. Gefunden wurde der Erreger erstmals 1989 in Angola und 1993 bei Prostituierten auf Madagaskar [11]. Heute trifft man den nach dem Ort seiner Entdeckung benannten Erreger weltweit an [12-14]. Tourismus, sexuelle Abenteuer und Migration haben daran mitgewirkt. Das klinische Bild ist häufig akut. Die Schwere der Infektion liegt vermutlich auch hier an der immunologischen Fremde des Erregers. Der häufig sexuelle Übertragungsweg und die damit verbundene Koinzidenz bakterieller Keime erklären das außergewöhnliche Krankheitsbild sicher mit (Abb. 4).

Hoch entzündliche Mykosen durch einheimische Erreger

Der häufigste Erreger hochentzündlicher Mykosen ist C. albicans. Eine hohe Pathogenität besitzen auch C. dubliniensis, C. tropicalis und C. africana, die Keimschläuche (Pseudomyzelien) bilden und damit in die Haut eindringen können. Andere Arten wie C. parapsilosis und C. krusei sind für die Haut dagegen nur selten pathogen, da sie kaum bzw. wie C. glabrata, nie invasive Myzelien entwickeln.

Meister der Evolution

Hefen wie C. albicans sind meisterhafte Opportunisten und perfekt an den menschlichen Körper angepasst. Markant ist ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Säure. Auch mit anaeroben Keimen können sie in Symbiose leben: Im Darm, mit G. vaginalis in der Scheide oder mit Corynebakterien und Kokken auf der Haut. Ein evolutionär intelligentes Konzept, bei dem sich C. albicans, im Unterschied zu den Corona- Viren, auch dem Zugriff des Immunsystems entzieht, weshalb die Pilzinfektion immer wieder kehren kann [17]. Zur enormen Anpassungsfähigkeit gehört auch die Fähigkeit, Sporen zu bilden, die es dem Erreger erlauben, über Jahre im Gewebe zu persistieren. Sie sind von einem dicken Mantel umhüllt und sichern dem Erreger das Überleben, was ebenfalls die Hartnäckigkeit vieler Mykosen erklärt.

Erregerspezifische Langzeittherapie

Die biologische Bestimmung einer Pilz- Spore ist, auszukeimen. Sie bildet in dieser Phase Myzelien, die gegenüber den im Gewebe wirksamen systemischen Antimykotika gut empfindlich sind. Dies ist die wissenschaftliche Grundlage der seit einiger Zeit etablierten kontinuierlichen Dauer-Therapie mit Fluconazol (200 mg) oder Itraconazol (200 mg): 3 Tage täglich, danach eine Dosis (200 mg) pro Woche, über mindestens sechs Monate. Die Intelligenz dieser erregerangepassten Therapie besteht neben ihrer guten Verträglichkeit darin, dass dadurch indirekt alle Sporen beseitigt werden und es zu keinem bei den Mykosen gefürchteten Rezidiv kommt. Dies bedeutet, je länger die Therapie durchgeführt wird, desto aussichtsreicher ist es, dass jede Spore beseitigt wurde und die Infektion nicht zurückkehrt.

Problemfall Windelsoor

Der Windelsoor kommt nicht nur bei Säuglingen vor. Dessen Inzidenz liegt in Pflegeheimen bei inzwischen bis zu 50 Prozent [3]. Die Häufigkeit steigt proportional zur Anzahl der Pflegebedürftigen und deren Lebensumstände. Für 2060 sind 4,53 Millionen pflegebedürftige Menschen vorausgesagt, eine große Herausforderung für die Medizin [18]. Das klinische Bild ist charakteristisch (Abb. 5).

Therapie hochentzündlicher Mykosen

Aufgrund der Schwere der Infektion sollte die Therapie möglichst schnell wirksam und aufgrund der Koinzidenz von Pilzen und Bakterien so breit wie möglich erfolgen [19]. Das breiteste Wirkspektrum besitzt eine Kombination aus Nystatin, Chlorhexidin und Dexamethason. Es ist die einzige Verbindung aus drei verschiedenen Wirkstoffen (Nystalocal®).

Nystatin

Die Substanz wurde bereits 1948 von Elizabeth Lee Hazen und Rachel Fuller Brown in New York entdeckt und nach dem Ort der Erstbeschreibung benannt: New York State Institute [20]. Obwohl es das erste und bis heute am meisten eingesetzte Antimykotikum ist, blieb eine Resistenzentwicklung aus [3]. Das Spektrum von Nystatin umfasst alle medizinisch relevanten Candida-Arten. Im Unterschied zu Clotrimazol oder Miconazol auch Keime wie C. glabrata und C. krusei, die an Glans penis und Vulva Entzündungen bzw. allergische Reaktionen (Mykide) hervorrufen können.

Chlorhexidin

Die Bedeutung von Chlorhexidin kann nicht hoch genug gewürdigt werden. Es wurde etwa zeitgleich mit Nystatin entdeckt. Aufgrund seiner hohen antibakteriellen Wirkung genießt es nicht zufällig in der an Mikroben reichen Zahnmedizin höchstes Ansehen. Dort ist Chlorhexidin Goldstandard in der Therapie bakterieller Infektionen und hat der breiten Wirkung wegen den Rang eines Antiseptikums.

Als “chemische Zahnbürste” besitzt es Kultstatus [22]. Es wirkt in der Tat nicht nur gegen Bakterien, auch gegen Hefen, Dermatophyten, Schimmelpilze und lipophile Viren. Chlorhexidin gehört weltweit auch zu den am besten untersuchten Substanzen. Wir haben eine praxisnahe Studie hinzugefügt. Geprüft wurde Chlorhexidin, Nystatin, Dexamethason gegen Cremes mit der Kombination aus Miconazol und Fluprednidin, die auch gegen MRSA von Wirkung sei [24]. Wir konnten dies nicht bestätigen. Miconazol zeigte keine antibakterielle Wirkung, im Unterschied zu der Creme mit Chlorhexidin (Abb. 6).

Therapiebeschleuniger Dexamethason

Während Monotherapien mit Nystatin oder Miconazol bei der Windeldermatitis von Senioren durchschnittlich 21 Tage dauern [3], kann die Heilung durch Einbindung eines Kortisons wesentlich verkürzt werden, was pflegerisch, ethisch und zeitlich ein großer Gewinn ist. Dexamethason ist etwa 30-mal stärker wirksam als Hydrocortison und zählt mit einer Wirkdauer von bis zu 48 Stunden zu den Depot-Kortikoiden [25]. Aufgrund der sehr geringen Resorption eignet es sich auch zur Therapie besonders sensibler Hautbereiche wie Vulva, Klitoris und Glans penis. Die in der Dreifach-Kombination enthaltene Salbengrundlage Macrogol ermöglicht eine gute Haftung ebenso auf nässender und exzematisierter Haut (Abb. 7).

Systemische Therapie

Bei chronischen Infektionen sollte neben der Lokalbehandlung auch eine sanft dosierte systemische Langzeittherapie mit Fluconazol oder Itraconazol erfolgen (Tab. 1).

Mit dem Ziel, bei hartnäckigen Mykosen nachhaltig auch im Alter die erhoffte Lebensqualität wiederherzustellen. Itraconazol besitzt von allen systemischen Präparaten das breiteste Wirkspektrum, auch gegenüber den hier vorgestellten neuen Erregern. Es wurde inzwischen in ein Polymer eingebracht (Itraisdin®) und damit galenisch entscheidend verbessert, so dass die Dosis, wie bei Fluconazol, nur noch 200 mg beträgt [27,28]. Terbinafin ist aufgrund der geschilderten Resistenzlage nicht mehr zu empfehlen. Auch aufgrund zahlreicher Nebenwirkungen, wie die Provokation von nicht infektiösen Dermatosen, verliert Terbinafin zunehmend an Bedeutung [29, 30]. Bei Kandidosen wirkt es a priori nicht.

Darmbehandlung

Der Darm ist die wichtigste Quelle für eine chronische Windeldermatitis. Eine sehr hilfreiche adjuvante Therapie ist die Sanierung des Darmes mit Bäckerhefe in Kapseln aus der Apotheke, n= 100, 1x täglich eine. Das Prinzip besteht in der biologischen Verdrängung von C. albicans durch den gesunden Keim Saccharomyces cerevisiae.

Cave: Nur Pilze verdrängen Pilze. Milchsäurebakterien erfüllen dieses Kriterium nicht und sind aufgrund der Produktion von Säure sogar pilzfreundlich [28].

Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

Wir bedanken uns sehr herzlich bei unseren klinischen Einsendern Frau Dr. Salgo, Frankfurt, Frau Dr. Zimpfer, Mannheim und Frau Dr. Lichtenstein, Aachen.

Literatur:

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  3. Studie (2016): Nicht- interventionelle Kohortenstudie zur Therapie der Candida-Intertrigo mit Zinkoxid-Antimykotika-Kombinationspräparaten (InfectoSoor Zinksalbe und Multilind Heilsalbe). Abschlussbericht.
  4. Kupsch C., Czaika VA, Deutsch C, Gräser Y (2019): Trichophyton mentagrophytes – a new genotype of zoophilic dermatophyte causes sexually transmitted infections. J Dtsch Dermatol 17: 493-501
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