KrankheitsbilderDas rote Auge- Teil 1

Ein gerötetes Auge ist ein häufiger Konsultationsgrund beim Hausarzt. Wie Sie die wichtigsten und ernsthaftesten Erkrankungen in der Praxis erkennen und gegen ungefährlichere Ursachen abgrenzen können.

Nicht selten kommen Patienten wegen eines “roten Auges” in die Hausarztpraxis: In der Literatur ist von bis zu zehn Konsultationsanlässen pro Woche oder drei Prozent aller Erstvorstellungen die Rede [1], [2], [3], [4]. Wie komplex die Beurteilung des Krankheitsbildes ist, lässt sich anhand der Rate an Fehldiagnosen abschätzen, die mit 64 Prozent vergleichsweise hoch ist [5].

Das erklärt sich aber nicht nur aus dem besonderen Fachwissen zum Organ Auge, sondern vor allem aus den in einer hausärztlichen Praxis fehlenden speziellen Untersuchungsmöglichkeiten, etwa einer Spaltlampe. Eine australischen Studie beziffert den Anteil der Fehldiagnosen, die zu bleibenden Organschäden führen, mit zehn Prozent.

Zugleich weist sie aber auch darauf hin, dass es kaum systematische und auf die Anforderungen einer hausärztlichen Praxis zugeschnittenen Informationen zu dem speziellen Thema gibt [6]. Dieser Beitrag soll daher eine Systematik präsentieren, mit deren Hilfe Sie die wichtigsten und ernsthaften Erkrankungen bei einem geröteten Auge erkennen und gegen ungefährlichere Ursachen abgrenzen können.

Grundsätzliche Empfehlungen

Anamnese: Folgende Parameter deuten auf eine ernsthaftere Augenerkrankung hin und sollten ophthalmologisch abgeklärt werden:

  • akuter und einseitiger Symptombeginn
  • Sehverschlechterung
  • Lichtscheu (Photophobie)

Untersuchung: Zu den Untersuchungstechniken des roten Auges, die Sie ohne spezielle Ausrüstung durchführen können, gehören:

  • Beurteilung der Bindehaut durch Herabziehen- bzw. Hochhalten der Lider mit einem Wattetupfer, gegebenenfalls auch das Umklappen (Ektropionieren) des Oberlids
  • grobe Beurteilung der Hornhaut (klar oder getrübt)
  • manuelle Palpation des Augendrucks mit beiden Zeigefingern (normal ist ein seitengleich leicht eindellbarer Bulbus)
  • Palpation der präaurikularen und submandibularen Lymphknoten bei Verdacht auf virale Bindehautentzündung

Therapie: Topische Medikamente können Sie auch ohne augenärztliche Untersuchung verordnen. Mittlerweile sind viele Augentropfen ohne Konservierungsmittel erhältlich und sollten bevorzugt rezeptiert werden. Im Kasten oben finden Sie Medikamente, die Sie in Ihrer Praxis vorhalten können.

Vorsicht ist geboten bei kortisonhaltigen Augentropfen bzw. Augensalben. Sie sollten nicht ohne augenärztliche Untersuchung angesetzt werden, weil sie im schlimmsten Fall zu einer Hornhautulzeration oder bei mehrwöchiger Anwendung zu einem erhöhten Augeninnendruck führen können. Bei Herpesinfektionen können sie eine gefährliche Exazerbation der Erkrankung zur Folge haben.

Lidfehlstellungen

Lidfehlstellungen sind häufige, chronische und meist altersbedingte Veränderungen des Lidapparates. Sie sind meist einseitig betont. Beim Ektropium (s. Abb. 2) kippt die Lidkante nach außen, beim Entropium (s. Abb. 1) rollt sie nach innen. Die meisten Veränderungen finden sich am Unterlid.

Ein Ektropium bewirkt Benetzungsstörungen mit Tränenlaufen und kann im Verlauf zu schweren Oberflächenstörungen bis hin zum Hornhautulcus führen. Benetzende Augentropfen lindern die Beschwerden kurzfristig, meist ist im Verlauf eine Lidoperation notwendig.

Beim Entropium scheuern die nach innen gerollten Wimpern auf der Bindehaut und Hornhaut, wodurch ein Epitheldefekt und eine bakterielle Superinfektion möglich sind. Deshalb sollten diese Lidfehlstellungen augenärztlich vorgestellt werden – in der Regel ist eine Lidoperation erforderlich.

Lidrandentzündungen

Beim Hordeolum (s. Abb. 3) oder Chalazion handelt es sich um eine relativ akute, einseitige und schmerzhafte Lidrandschwellung mit unterschiedlich starker Beteiligung des umgebenden Bindegewebes. Die Bindehaut ist nicht betroffen. Während beim Hordeolum eine akute Staphylokokken-Infektion der Lidranddrüsen ursächlich ist, beruht das Chalazion auf einer granulomatösen Entzündung einer chronisch gestauten Talgdrüse des Lidrandes (Meibomdrüse).

Das Hordeolum ist auf Druck schmerzhaft, beim Chalazion handelt es sich um eine schmerzlose Schwellung. Eine Behandlung des Hordeolums ist erforderlich, trockene Wärme (zum Beispiel durch Infrarotlampe/Wärmepackung 3 x 10 Minuten/Tag) kann die Rückbildung beschleunigen. Eine Augensalbe mit Antibiotikum/Kortikosteroid unterstützt die Abheilung.

Eine Inzision zur Entlastung von Eiter ist nur sehr selten erforderlich und gehört nicht zur Routinebehandlung. Ein Chalazion erfordert keine notfallmäßige Behandlung. Bei Persistenz können hier Exzision oder intraläsionale Kortikosteroidtherapie durch den Augenarzt hilfreich sein.

Die Blepharitis (s. Abb. 4) bezeichnet eine Lidrandentzündung und ist weit verbreitet. Eine Assoziation mit Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Rosazea ist bekannt. Ursache ist ein sich gegenseitig verstärkendes Wechselspiel von pathologischer Sekretbildung in den Meibom-Drüsen und der Anreicherung von Entzündungsmediatoren.

Dadurch entstehen eine meist chronische, gelegentlich exazerbierende rötliche Reizung und Schwellung der Lidränder sowie Benetzungsstörungen. Lidrandmassage nach feucht-warmen Kompressen und benetzende Augentropfen sind der erste Behandlungsschritt [7].

Die Lidphlegmone (s. Abb. 5) ist zwar deutlich seltener, kann aber für das Auge und das orbitale Gewebe bedrohlich sein. Meist ist eine Hautverletzung vorausgegangen, die rötliche Schwellung ist flächig und schmerzhaft. Wichtig ist die

Abgrenzung gegen eine Orbitaphlegmone, die visusbedrohend verlaufen kann. Deshalb sollte bei Verdacht auf eine Lidphlegmone eine augenärztliche Mitbeurteilung erfolgen. Therapeutisch ist eine Systemtherapie mit einem Breitbandantibiotikum (zum Beispiel Amoxicillin) empfehlenswert.

Glaukomanfall

Der Glaukomanfall (s. Abb. 6) ist eine seltene, aber visusbedrohende akute und einseitige Erkrankung des älteren Menschen. Ursache ist meist eine kürzere Achsenlänge des Auges (Hyperopie) und eine altersbedingt zunehmend dicker werdende Augenlinse. Der Kammerwinkel kann verlegt werden, der Augeninnendruck (Norm 11 bis 21 mmHg) steigt auf Werte zwischen 60 und 80 mmHg [13].

Der klinische Befund ist eindrücklich, die Patienten beklagen eine ausgeprägte Übelkeit und Kopfschmerzen sowie zusätzlich Schmerzen im Bereich des betroffenen Auges. Das Auge ist meist gerötet, die Pupille ist aufgrund einer Hornhauttrübung oft nur unscharf sichtbar.

Bei der Palpation des Bulbus im Seitenvergleich ist das betroffene Auge steinhart. Der Glaukomanfall ist einer der wenigen wirklichen Notfälle in der Augenheilkunde, der Augendruck muss möglichst schnell gesenkt werden. Deshalb sollten die Patienten bereits bei Verdachtsdiagnose rasch in eine Augenklinik überwiesen werden. Bei Verdacht kann bereits eine orale oder besser intravenöse Gabe von 500 mg Acetazolamid erfolgen.

HINWEIS

In der nächsten Ausgabe (“Der Hausarzt” 8/2021) stellen wir drei weitere wichtige Differenzialdiagnosen eines roten Auges vor: Bindehautentzündung, Hornhautentzündung und Trauma.

Literatur:

  1. Cronau H, Kankanala RR, Mauger T. Diagnosis and management of red eye in primary care. Am Fam Physician 2010; 81: 137–144
  2. Teo MAL. Improving acute eye consultations in general practice: a practical approach. BMJ Qual Improv Rep 2014; 3
  3. Pflipsen M, Massaquoi M, Wolf S. Evaluation of the Painful Eye. Am Fam Physician 2016; 93: 991–998
  4. Tarff A, Behrens A. Ocular Emergencies: Red Eye. Med Clin North Am 2017; 101: 615–639
  5. Frings A, Geerling G, Schargus M. Red Eye: A Guide for Non-specialists. Dtsch Arzteblatt Int 2017; 114: 302–312
  6. O’Connor PM, Crock CT, Dhillon RS, Keeffe JE. Resources for the management of ocular emergencies in Australia. Emerg Med Australas EMA 2011; 23: 331–336
  7. Messmer EM. The pathophysiology, diagnosis, and treatment of dry eye disease. Dtsch Arzteblatt Int 2015; 112: 71–81; quiz 82
  8. Messmer EM. [Bacterial conjunctivitis–diagnosis and therapy update]. Klin Monatsbl Augenheilkd 2012; 229: 529–533
  9. Burrow MK, Patel BC. Keratoconjunctivitis. In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing, 2020
  10. Aggarwal K, Agarwal A, Jaiswal N et al. Ocular surface manifestations of coronavirus disease 2019 (COVID-19): A systematic review and meta-analysis. PloS One 2020; 15: e0241661
  11. Inomata T, Kitazawa K, Kuno T et al. Clinical and Prodromal Ocular Symptoms in Coronavirus Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis. Invest Ophthalmol Vis Sci 2020; 61: 29
  12. Lauermann P, Storch M, Weig M et al. There is no intraocular affection on a SARS-CoV-2 – Infected ocular surface. Am J Ophthalmol Case Rep 2020; 20: 100884
  13. Wright C, Tawfik MA, Waisbourd M, Katz LJ. Primary angle-closure glaucoma: an update. Acta Ophthalmol (Copenh) 2016; 94: 217–225

Die Autoren erklären, dass sie sich bei der Erstellung des Beitrags nicht von wirtschaftlichen Interessen leiten ließen. Es bestehen die folgenden potenziellen Interessenkonflikte:

Prof. Dr. Nicolas Feltgen Forschungsunterstützung: Novartis, Bayer, Roche, Chengdu Kanghong, Allergan Vortragstätigkeit: Novartis, Bayer, Roche, Allergan, Heidelberg Eng.

Prof. Dr. Elisabeth Messmer Forschungsunterstützung: Chiesi Vortragstätigkeit: Alcon, Dompé, Novartis, Pharm-Allergan, Santen, Shire, Thea, TRB-Chemedica, Ursapharm, Visufarma

PD Dr. Christian van Oterendorp Forschungsunterstützung: Zeiss, Heidelberg Eng. Vortragstätigkeit: Novartis, Bayer, Allergan

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