KongressberichtAktuelle Entwicklungen in der Rheumatologie

Bei rheumatoider Arthritis (RA) temporäres Fasten empfehlen? Oder Risikopatienten prophylaktisch gegen RA behandeln? Der Rheumatologie-Kongress 2023 befasste sich eingehend mit künftigen Therapieoptionen und hatte praktikable Tipps für die Hausarztpraxis parat.

Frauen sind häufiger von rheumatischen Erkrankungen betroffen, erhalten ihre Diagnose aber oft später als Männer.

Lässt sich die rheumatoide Arthritis verhindern?

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung und begleitet die Betroffenen meist lebenslang. Da sie mit Schmerzen und Gelenkveränderungen einhergeht, beeinträchtigt sie die Lebensqualität und -gestaltung erheblich – heilbar ist die RA jedoch bislang nicht.

Als “spannende Zukunftsmusik” bezeichnete Prof. Rubbert-Roth daher die Frage, ob sich die Erkrankung möglicherweise so früh diagnostizieren und behandeln lässt, dass sie nicht ausbricht.

Drei Studien untersuchten diesen Ansatz. Eine niederländische Studie, in der RA-Risikopatienten vor der Diagnose, mit der initialen Standardtherapie Methotrexat (MTX) behandelt wurden, fiel laut Rubbert-Roth “ein bisschen enttäuschend aus”. Zwar ging es den Patienten besser, aber die nachfolgende Diagnose einer RA konnte nicht verhindert werden.

Erfolgreicher waren zwei Studien, in welchen Hochrisiko-Patienten mit dem Biologikum Abatacept behandelt wurden. In der ARRIA-Studie erhielten die Patienten für sechs Monate entweder Abatacept oder Placebo und wurden anschließend für ein Jahr nachbeobachtet.

Nach sechs Monaten wurde bei signifikant weniger Patienten unter Verum eine RA-Diagnose gestellt und dieser Unterschied blieb über 18 Monate erhalten. Vergleichbar positive Daten zeigte auch die APRPPRA-Studie, in der die Patienten über ein Jahr behandelt wurden und der Unterschied zu Placebo über insgesamt zwei Jahre bestand.

“Wenn es uns gelingt, Risikopatienten zuverlässig zu diagnostizieren und zeitlich begrenzt zu behandeln, wäre das für die Betroffenen sehr attraktiv”, resümierte die Rheumatologin. (Prof. Andrea Rubbert-Roth, St. Gallen).

Elektrische Stimulation des Vagusnervs

Was tun, wenn die Antikörpertherapie bei RA-Patienten nicht gut anschlägt? Hier könnte die Stimulation des Nervus vagus zukünftig als zusätzliche Option infrage kommen. Hintergrund ist, dass im autonomen Nervensystem von Rheuma-Kranken eine Dysbalance zwischen der parasympathischen (verringert) und der sympathischen Aktivität (erhöht) besteht, die sich mittels elektrischer Reizung des Vagusnervs verbessern lässt.

Die Stimulation kann transkutan im Halsbereich erfolgen und wird bereits bei schwerer Epilepsie oder Depressionen angewandt. Wie erste Untersuchungen zeigen, hat die Methode auch bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen einen positiven Effekt: Die Krankheitsaktivität verringert sich und es sind weniger Medikamente erforderlich.

Eine baldige Einführung ist allerdings nicht in Sicht; zuvor muss sich die Methode noch in placebokontrollierten Studien bewähren. (Prof. Christoph Baerwald, Leipzig).

Therapeutische Herausforderungen bei Älteren

Die medikamentöse Behandlung älterer Rheuma-Patienten ist komplex. Das liegt an der veränderten Pharmakokinetik, die z.B. mit einer verzögerten renalen Elimination einhergeht. Zudem an Ko- bzw. Mulitmorbiditäten sowie der Polypharmazie samt sich daraus ergebenden Wechselwirkungen. Die Dosierungen sollten individuell angepasst werden.

Insbesondere ist eine zu lange und zu hoch dosierte Glukokortikoid-Gabe bei Älteren zu vermeiden, da diese das Risiko für schwerwiegende Infektionen deutlich erhöht. Dagegen sollte die Eskalation auf ein erstes Biologikum früher erfolgen, um die Chance auf einen Funktionserhalt der Patienten zu erhöhen.

Für die Sicherheit und Wirksamkeit von Biologika bei Älteren spricht die – in Studien gezeigte – vergleichbare Therapiekontinuität. Welche Wechselwirkungen und Dosierungen speziell bei Rheuma-Patienten zu beachten sind, lässt sich in einer kürzlich publizierten Veröffentlichung der Kommission Pharmakotherapie nachlesen (Fiehn C et al. Z Rheumatol 2023: 82:151-162). (Prof. Anja Strangfeld, Berlin).

Ernährungsempfehlungen bei Rheuma

Kann man eine chronische Entzündung durch die Ernährung positiv beeinflussen? Ja, allerdings nur indirekt, denn “zwischen” der Ernährung und dem Immunsystem sitzen die Darmbakterien, die den Effekt der Ernährung modulieren. Fasten scheint ein guter Tipp für Patienten mit RA zu sein.

In einer Studie verringerte mehrtägiges Fasten die Krankheitsaktivität und führte teilweise sogar zur Remission. Auch eine pflanzenbasierte, ballaststoffreiche Diät über 30 Tage verringerte den Anteil an proinflammatorischen Zytokinen.

Die Reduktion der westlichen Ernährung scheint zudem einen positiven Einfluss auf die Nebenwirkungen von Therapeutika zu haben. Zu empfehlen ist also eine pflanzenbasierte Ernährung, sowie helle Fleischsorten. Dabei sollte man vermitteln, dass das individuelle Wohlbefinden nur durch Ausprobieren gefunden werden kann. (Lisa Budzinski, Berlin)

Frauen früher diagnostizieren

Frauen sind zwar häufiger von rheumatischen Erkrankungen wie RA und Kollagenosen betroffen, doch sie erhalten ihre Diagnose oft später als männliche Rheuma-Patienten: Bei der systemischen Sklerose beispielsweise erst durchschnittlich ein Jahr später als männliche Patienten. Woran liegt das?

Nachteilig wirkt sich für die Frauen zum Beispiel aus, dass sie oft eine größere Vielfalt an Symptomen schildern, wodurch sie sich schwerer einordnen lassen. Zudem weisen sie eine höhere Krankheitslast auf, Männer hingegen zeigen einen schwereren Verlauf. Folglich zeigen sich Organschäden früher und geben eher Hinweise auf eine rheumatische Erkrankung.

Auch bilden sich – etwa bei der systemischen Sklerose – bei Männern bestimmte Marker und Antikörper im Blut früher. Diese geschlechtsspezifischen Krankheitsausprägungen sollten zukünftig noch besser verstanden und stärker berücksichtigt werden. (Dr. Uta Kiltz, Herne)

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