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"Neue Volkskrankheit"Wenn sich Einsamkeit chronifiziert

Einsamkeit ist nicht mehr nur eine Frage höheren Alters, zeigen jüngste Forschungsdaten. Fühlen sich Menschen allein, können sie über eine Angebotslandkarte neue Kontakte knüpfen.

Etwa ein Drittel der Erwachsenen zwischen 18 und 53 Jahren stuft sich als (teilweise) einsam ein.

Das Gefühl von Einsamkeit kann zu einer chronischen Belastung werden und insbesondere auch junge Erwachsene treffen. Darauf deuten die aktuellen Analysen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) sowie das “Einsamkeitsbarometer 2024” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hin.

Die Forschenden warnen davor, Einsamkeit weiter zu tabuisieren und sehen darin eine neue Volkskrankheit mit gravierenden Folgen für das Gesundheitssystem.

“Hausärztinnen und Hausärzte sollten dafür sensibel sein und bei ersten Signalen von Einsamkeit die Menschen gezielt befragen, etwa nach Hobbies oder sozialen Kontakten”, empfiehlt BiB-Forschungsdirektor Prof. Martin Bujard. Seine Einrichtung wertet jährlich die Daten des familiendemografischen Panels FReDA aus, um die Prävalenz von Einsamkeit zu berechnen.

Verschiedene Arten von Einsamkeit

Demnach stufen sich etwa ein Drittel der Erwachsenen zwischen 18 und 53 Jahren als (teilweise) einsam ein, unter den 19- bis 29-Jährigen sind es sogar 44,5 Prozent.

2024 haben die Forschenden erstmals verschiedene Arten von Einsamkeit betrachtet: Als sozial einsam gelten Menschen, die mit ihrem weiteren sozialen Umfeld aus Freundschaften und Nachbarschaft unzufrieden sind, und sich darin nicht unterstützt oder verbunden fühlen.

Von emotionaler Einsamkeit können hingegen auch Personen mit einem großen sozialen Umfeld betroffen sein; hier geht es um ein gefühltes Defizit an Nähe zu engen Bezugspersonen. “Soziale Einsamkeit kommt mit 39 Prozent häufiger vor als emotionale Einsamkeit mit 29 Prozent. Frauen beklagen hingegen eher eine emotionale Einsamkeit, während Männer häufiger sozial einsam sind”, erklärt Dr. Sabine Diabaté, Mitautorin der BiB-Studie.

Weitere zentrale Risikofaktoren sind, nicht erwerbstätig zu sein, in seiner Gesundheit eingeschränkt zu sein und auch allein ohne einen weiteren Erwachsenen im Haushalt zu leben. “Kinder zu haben, schützt nicht vor Einsamkeitsgefühlen”, sagt Bujard.

Jugend schützt nicht vor Einsamkeit

Das BiB hat sich in der Auswertung auf Erwachsene zwischen 18 und 53 Jahren konzentriert. Das “Einsamkeitsbarometer 2024” nimmt auch die älteren Jahrgänge in den Blick. Der dadurch mögliche Vergleich zeigt: Junge Erwachsene zwischen 18 bis 29 Jahren waren während der Corona-Pandemie erstmals mit 31,8 Prozent stärker mit Einsamkeit belastet als Personen im Alter von über 75 Jahren (22,8 Prozent).

Während die Betroffenheit bei den Älteren wieder auf das Niveau vor der Pandemie gesunken ist (2017: 9,1 Prozent, 2021: 10,2 Prozent), bleibt es bei den jüngeren Altersgruppen auch 2021 mit 14,1 Prozent hoch. Der Anteil der Betroffenen in der Gesamtbevölkerung ist laut “Einsamkeitsbarometer 2024” von 28,2 Prozent (2020) auf 11,3 Prozent (2021) gesunken. Zudem hängen Armut, Care-Arbeit und Migration stark mit Einsamkeit zusammen: Erwerbslose, pflegende Angehörige und Zugewanderte sind deutlich häufiger von Einsamkeitsgefühlen betroffen.

Einig sind sich die Wissenschaftler darin, dass Einsamkeit gravierende gesundheitliche Folgen haben kann – vor allem, wenn das Gefühl anhält. Menschen mit einem chronifizierten Erleben von Einsamkeit haben bei- spielsweise häufiger Schlafprobleme, leiden eher an koronaren Herzerkrankungen, Schlaganfällen, Herzinfarkten sowie einer reduzierten Immunabwehr. Zudem sind sie anfällig für Suchterkrankungen und tendieren zu vorzeitigen physiologischen Alterungsprozessen.

“Mit dem Begriff ,chronische Einsamkeit‘ beschreiben wir keine Diagnose im medizinischen Sinne, sondern ein angewöhntes Verhalten”, betont Martin Bujard. Da während der Pandemie soziale Kontakte stark eingeschränkt waren, haben viele in ihrer Freizeit die digitale Welt erkundet.

Mit weitreichenden Folgen gerade für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen: “Sie konnten gar nicht lernen, wie sie persönliche Kontakte aufbauen und pflegen können. Und jetzt verfügen sie – anders als beispielsweise Mittvierziger – nicht über das Repertoire, dieses soziale Verhalten anzuwenden.”

Frühzeitiges Erkennen spart Leiden und Kosten

Der Medizinsoziologe verweist darauf, dass der jeweilige Hausarzt oder die Hausärztin für viele Betroffene wichtige und vertraute Ansprechpartner seien. Daher sollten gerade auch junge Menschen bei gesundheitlichen Beschwerden darauf angesprochen werden, wie sie ihre Freizeit gestalten und ob sie die Qualität ihrer sozialen Kontakte schätzen.

Wenn Einsamkeitsgefühle frühzeitig erkannt würden, ließen sich diese besser bewältigen als eine Depression, die sich daraus entwickeln könne. Unentdeckte Einsamkeit könne hingegen, so Bujard, beträchtliche Folgekosten im Gesundheitssystem auslösen.

In der Arztpraxis sollten zudem Infomaterialien bereitliegen, die auf entsprechende niedrigschwellige Angebote hinweisen. Hilfreich in solchen Lebenslagen können beispielsweise Angebote von Kirchengemeinden sein. Denn, so Bujard: “Wer in eine Kirche geht, braucht dort niemanden zu kennen und muss dort nichts leisten.”

Auch Vereine, die nicht auf hartes Training setzen, sondern Just-Play-Angebote machen, können gute Anlaufstellen sein. Eltern von betroffenen Kindern und Jugendlichen sollten zudem beachten, dass Schule ein wichtiger sozialer Ort ist: “Ausflüge und Klassenfahrten sind unglaublich wichtig, um Kontakte knüpfen und Freundschaften aufbauen zu können. Eltern sollten ihre Kinder bestärken, diese Angebote wahrzunehmen”, so Bujard.

Eine Übersicht über Hilfen vor Ort bietet die “Angebotslandkarte” des “Kompetenznetzes Einsamkeit” (KNE) (siehe Link-Tipp oben). Das Projekt, das seit 2021 vom BMFSFJ gefördert und vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. umgesetzt wird, hat auf seiner Webseite eine deutschlandweite Landkarte mit rund 750 Angeboten für Begegnungen und soziale Kontakte erstellt. Die interaktive Übersicht gehört ebenso wie das “Einsamkeitsbarometer 2024” zur Strategie gegen Einsamkeit, die die Bundesregierung Ende 2023 beschlossen hat.

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