"Der praktische Fall"DSGVO versus Aufbewahrungspflicht: Was ist Trumpf?

Im Praxisalltag stehen sich die Vorgaben aus Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und Berufsrecht teils gegenüber. Doch was ist maßgeblich, wenn ein Patient die Löschung der gespeicherten Daten verlangt?

Patientendaten unterliegen dem Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Für Hausärzte stellen sich oft rechtliche Fragen. Praxistipps geben Experten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes im “praktischen Fall”.

Die erhobenen Patientendaten – also personenbezogene Daten und besondere personenbezogene Daten (Gesundheitsdaten) – unterliegen dem Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Aus Artikel 17 Absatz 1 DSGVO ergibt sich grundsätzlich, dass derjenige, dessen Daten erhoben worden sind, jederzeit ein Anrecht darauf hat, diese löschen zu lassen. Insoweit kann sich Patient P. zunächst in der Tat auf seine Rechte aus der DSGVO berufen.

Allerdings haben Ärztinnen und Ärzte aufgrund berufsrechtlicher Bestimmungen die Pflicht, die erhobenen Patienten- und Behandlungsdaten aufzubewahren.

Merke: Die Pflicht zur Aufbewahrung der Patientenunterlagen beträgt im Regelfall zehn Jahre (Paragraf 630f Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB); Paragraf 10 Absatz 3 der Musterberufsordnung-Ärzte (MBO-Ä)).

Bestimmte Untersuchungs-/ Behandlungsleistungen verpflichten nach der Strahlenschutzverordnung, dem Transfusionsgesetz oder bei BG-Verfahren zu einer Aufbewahrungspflicht von bis zu 30 Jahren.

Praxistipp: Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband gibt eine kostenfreie Handreichung mit einer Übersicht über alle wichtigen Fristen (4 Seiten) an die Hand: www.hausarzt.link/WVzjV

Rechtssicherheit für Praxen

Abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung zur Aufbewahrung der Behandlungsdokumentation ist eine längerfristige Verwahrung der “Patientenakte” auch im Interesse der Ärztinnen und Ärzte.

Gerade in einem eventuellen Streitfall, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, gilt der Grundsatz: Was nicht in der “Patientenakte” dokumentiert wurde, gilt (zunächst) als nicht geschehen (Paragraf 630h Absatz 3 BGB).

Auch in Fällen eines eventuellen Honorarregresses ist es äußerst bedeutsam auf die Behandlungsdokumentation zurückgreifen zu können, um erforderlichenfalls eine ordnungsgemäße und lückenlose Behandlung entsprechend der gebührenrechtlichen Vorgaben nachweisen zu können.

Ohne eine entsprechende Dokumentation müsste auf anderem Wege der Nachweis erfolgen, was schlicht – insbesondere gerichtsfest – nur schwer bis gar nicht möglich ist.

Daher sollte – aus ärztlicher Perspektive – nicht nur von einer Verpflichtung zur Aufbewahrung, sondern auch einem Recht zur Aufbewahrung gesprochen werden. Oft führt eben diese Berechtigung dazu, dass die Unterlagen deutlich über die gesetzliche Frist hinaus aufbewahrt werden (dürfen). Getreu dem Motto: Besser Vorsicht als Nachsicht.

Hausarzt im Interessenskonflikt

Wenn Patient P. nun die Löschung seiner Daten auf Grundlage der DSGVO verlangt, besteht somit ein Interessenskonflikt: Hausarzt Dr. H. muss (und will) die Behandlungsdokumentation, jedenfalls innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraums, aufbewahren. Patient P. hingegen will seine sensiblen personenbezogenen Daten umgehend gelöscht wissen.

Zumindest auf den ersten Blick scheint Dr. H. verpflichtet zu sein, dem Verlangen von P. aufgrund der Vorgaben der DSGVO nachzukommen zu müssen.

Wichtig: Allerdings lässt sich beispielsweise Artikel 17 Absatz 3b DSGVO entnehmen, dass die Verpflichtung auf Löschung durchaus im konkreten Einzelfall eingeschränkt sein kann. Demnach ist derjenige von Löschungsverlangen befreit, der beispielsweise eine gesetzliche Pflicht zur Aufbewahrung der personenbezogenen Daten hat.

Eine ebensolche Pflicht besteht für Ärztinnen und Ärzte – wie oben aufgeführt – aufgrund verschiedener nationaler Vorschriften.

Dr. H. kann das Verlangen von P. daher mit Hinweis auf entgegenstehende (berufsrechtliche) Aufbewahrungspflichten zunächst ablehnen.

Tipp: Sperrvermerk als Kompromiss

Hausarzt Dr. H. sollte P. zunächst auf seine bestehenden Pflichten zur Aufbewahrung hinweisen und ihm die Reichweite und Bedeutung der Aufbewahrungspflicht erläutern. Möchte Patient P. seine Daten weiterhin gelöscht wissen, kann Dr. H. ihm insoweit entgegengekommen, als er die personenbezogenen Daten, sofern sie nicht mehr für “die Behandlung” benötigt werden, mit einem sogenannten Sperrvermerk versieht bzw. versehen lässt.

Diese Sperrung der Datenverarbeitung soll einen Interessenausgleich ermöglichen: Dr. H. kann die Daten weiter aufbewahren, darf diese jedoch nicht mehr verarbeiten (“nutzen”); ein Zugriff ist erforderlichenfalls jedoch noch möglich, um gesetzlichen Pflichten nachkommen oder sich (haftungsrechtlich) verteidigen zu können.

Für P. stellt die Sperrung insoweit einen Interessenausgleich dar, dass seine Daten jedenfalls – mit wenigen erforderlichen Ausnahmen – nicht mehr verarbeitet (genutzt) werden dürfen und, nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen, gelöscht werden.

Fazit: Durch den Kompromiss eines Sperrvermerks kann dem datenschutzrechtlichen Interesse von P. entgegengekommen werden, ohne dass Dr. H. im Falle einer berufsrechtlichen Nachweispflicht gänzlich schutzlos gestellt würde. Bestenfalls sollte dieses Vorgehen mit dem Patienten besprochen und – quasi als letzte aktive Datenverarbeitung vor Sperrung – in der “Patientenakte” dokumentiert werden.

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