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Die Versorgung von Patienten mit funktionellen Körperbeschwerden bindet im hausärztlichen Alltag viele Ressourcen. Wie können Patienten mit unklaren Beschwerden für beide Seiten befriedigend behandelt werden?

Patienten mit funktionellen Körperbeschwerden suchen mit am häufigsten das Gespräch mit dem Hausarzt.

Olaf Reddemann, Facharzt für Allgemeinmedizin, Homöopathie und Psychotherapie in Köln sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Düsseldorf, plädiert für ein leitliniengerechtes dreistufiges Behandlungsschema. “Von Anfang an den psychosozialen Kontext ansprechen, beschwerdeunabhängige Termine vergeben und den Patienten die Zeit zwischen den Terminen nutzen lassen”, empfiehlt der Allgemeinmediziner.

Etwa zehn Prozent der Allgemeinbevölkerung und rund ein Drittel der erwachsenen Patienten klagen über funktionelle Körperbeschwerden. Diese erweisen sich als vielgestaltig, zeigen häufig einen chronischen Verlauf, können die Lebensqualität sowie Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen und sind wegen der langwierigen, schwierigen Behandlung kostenintensiv.

Hausärzte tragen mithin die Hauptverantwortung

Patienten mit funktionellen Körperbeschwerden sind die Patientengruppe, die mit am häufigsten das Gespräch mit dem Hausarzt beziehungsweise der Hausärztin sucht; Schätzungen gehen von 20 bis 50 Prozent der Patienten aus. Medizinerinnen und Mediziner der Primärversorgung tragen mithin die Hauptverantwortung und Hauptlast in der Betreuung.

Funktionelle Körperbeschwerden sind definiert als breites Spektrum an Beschwerdebildern mit unterschiedlichem Schweregrad. Die Leitlinie zählt dazu:

  • Anhaltende unspezifische Beschwerden, die zu einem Arztbesuch veranlassen, aber ohne Einordnung als Krankheit bleiben, gleichwohl aber die Funktionsfähigkeit erkennbar beeinträchtigen.
  • Definierte, über einen längeren Zeitraum bestehende Symptomcluster im Sinne funktioneller somatischer Syndrome, die meist mit relevanten Einschränkungen der Funktionsfähigkeit einhergehen.
  • Kriteriengemäß ausgeprägte (multi-)somatoforme Störungen und somatische Belastungsstörungen, die eine erhebliche Beeinträchtigung des Funktionsniveaus voraussetzen und mit psychobehaviouralen Symptomen einhergehen.

Leitlinie empfiehlt “Sowohl-als-auch-Perspektive”

Die Leitlinie empfiehlt von Beginn der Behandlung an eine “Sowohl-als-auch-Perspektive”, in der systematisch sowohl auf somatische als auch psychosoziale Beschwerdeaspekte geachtet wird und die Grenzen zwischen allgemein- und fachärztlicher Versorgung sowie zwischen Organ- und Psychosozialer Medizin relativiert werden.

“Der Hausarzt sollte sich schon beim ersten Kontakt für das interessieren, was außer den Schmerzen im Leben des Patienten sonst noch so los ist”, erläutert Reddemann. “Man muss dieses Gespräch nicht so intensiv und vertiefend wie ein Psychiater im Erstgespräch führen, aber allgemeines und aufrichtiges Interesse zeigen.” Nachfragen, Pausen machen, den Patienten ausreden lassen und die inhaltlichen Angebote des Patienten aufgreifen, darum gehe es.

Die longitudinale Behandlungsbeziehung und die gemeinsame erlebte Anamnese sind einerseits ein wichtiges Werkzeug und ein großer Schatz in der hausärztlichen Arbeit, es besteht aber Reddemann zufolge durchaus die Gefahr, eine Antwort bereits vorhersagen zu können.

“Die erlebte Anamnese entbindet nicht davon, die Patientenperspektive durch Fragen zu erkunden Der Patient möchte vielleicht gar kein Rezept oder keine Krankmeldung, sondern ein Gespräch.” Häufig kämen auch Patienten mit funktionellen Körperbeschwerden, “die von Arzt zu Arzt tingeln und die man entsprechend nicht gut kennt”.

Vergabe beschwerdeunabhängiger Termine

Zu häufig werde im Erstgespräch eine somatische Fixierung des Patienten durch eine “Entweder-Oder-Haltung” angebahnt, die seiner tatsächlichen Situation nicht entspreche, gibt Reddemann zu bedenken. “In unserer Wahrnehmung und Gesellschaft ist ein starker Dualismus verankert, dass entweder der Körper oder die Seele erkrankt ist. Dieser Dualismus ist auch in der Versorgungsstruktur sehr mächtig.” Es gebe im deutschen Gesundheitswesen kaum Angebote für schwer komplex Erkrankte.

Die zweite Stufe des Behandlungsschemas laut Leitlinie sieht die Vergabe beschwerdeunabhängiger Termine vor. “Das funktioniert natürlich nur, wenn die Praxis im Rahmen einer Terminsprechstunde organisiert ist”, sagt Reddemann. “Ohne diese kann man Patienten mit funktionellen Körperbeschwerden schwieriger leitliniengerecht behandeln.”

Die Termine müssten nicht viel länger als zehn Minuten dauern. “Es geht hier darum, einen Raum zu eröffnen für die Erfahrung, dass Beziehung heilsam ist.” Dies könne durchaus mit somatischer Diagnostik verbunden werden. “Die Besprechung der Diagnostik und die weitere Exploration des psychosozialen Kontexts sind dann innerhalb eines Folgetermins möglich.”

Den Patienten eine Aufgabe mitgeben

Von großem Wert sei die Zeit zwischen den Terminen. “Eine Behandlung findet nicht nur statt, wenn der Patient in der Praxis ist, sondern vor allem in der Zwischenzeit”, betont Reddemann. Wertvoll sei, den Patienten eine (Beobachtungs-)Aufgabe mitzugeben, über deren Ergebnis beim Folgetermin gesprochen werden könne.

Gerade Patienten, die schon viele Arztkontakte hinter sich haben “hilft man nicht, wenn man das Gleiche anbietet, was sich bislang nicht bewährt hat, sondern eher, wenn man etwas Neues ausprobiert”. Nach einem angemessenen Zeitraum könnten mit dem Patienten gemeinsam Ergebnisse dieses Behandlungsschemas bilanziert werden.

Gleichzeitig gelte es, dem Patienten von Anfang an deutlich zu vermitteln, dass bei einer somatischen Diagnostik befriedigende Erklärungen für die Beschwerden nicht immer zu erwarten seien. “Den Patienten einfach zum Psychotherapeuten zu schicken erzeugt Widerstand, denn das möchte der Patient nicht”, sagt Reddemann.

“Er möchte nicht weggeschickt werden, auch nicht zum Psychiater.” Besser sei, Vorteile einer Vergrößerung des Behandlungsteams in einer angemessenen Zeit gemeinsam zu entwickeln und zu vermitteln, dass der Therapeut mit ins Behandlungsteam genommen werde.

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