KortikoideTriple-Therapie bei COPD?

Zahlreiche Studien zeigen, dass die Triple-Therapie bei COPD Exazerbationen reduziert. Jedoch bedarf die Behandlung mit inhalierbaren Kortikoiden einiger kritischer Überlegungen.

Zahlreiche Studien der letzten Zeit bestätigen die große Potenz der Triple-Therapie (=LAMA (langwirksame Muskarin-Antagonisten) + LABA (langwirksame Beta-Agonisten) + ICS (inhalierbare Kortikoide)) zur Reduktion von Exazerbationen bei COPD.

Sie erwecken aber auch leicht den Eindruck, diese wäre das Nonplusultra der COPD-Therapie. Die Therapie mit einem ICS ganz allgemein und mit der Dreierkombination im Speziellen bedarf aber einiger kritischer Überlegungen, um einen übertriebenen Einsatz zu vermeiden.

Festzuhalten gilt auf jeden Fall, dass ICS bei der COPD nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zu häufig zum Einsatz kommen – häufiger, als es Sinn macht. Zur Erinnerung:

  • Beim Asthma finden wir eine überwiegend eosinophile Entzündung, die bekanntermaßen gut auf Kortikoide anspricht. Die Therapie mit einem ICS ist demnach semikausal und ein MUSS!
  • Bei der COPD finden wir eine überwiegend neutrophile Entzündung, die wir nicht beeinflussen können. Die Therapie ist und bleibt rein symptomatisch.

Selbstverständlich setzt eine erfolgreiche Therapie eine exakte Diagnose und Differenzialdiagnostik voraus [2].

Ziele der Therapie

Die Ziele der COPD-Therapie sind Symptomlinderung und Reduktion von Exazerbationen. Letzteres macht insofern besonderen Sinn, weil eine Exazerbation bei der COPD mit einem Herzinfarkt bei KHK zu vergleichen ist.

Selbst wenn ein Patient die Exazerbation überlebt hat, resultiert auf jeden Fall ein irreversibler Lungenfunktionsverlust, eine große Wahrscheinlichkeit für die erneute Notwendigkeit einer stationären Behandlung und eine erhöhte Sterblichkeit für eine geraume Zeit.

Glücklicherweise zählen nur etwa 25 Prozent aller COPD-Patienten zu den Exazerbierern [3,4]. Die folgenden wichtigen Überlegungen zum Einsatz von ICS betreffend demzufolge nur einen kleinen Anteil der Patienten!

Neue Erkenntnisse zu ICS

Die Eigenschaft zur Reduktion von Exazerbationen hat die ICS seit den 1990er-Jahren zu einer Art Standardsubstanz werden lassen. Inzwischen liegen viele neue Erkenntnisse vor, die die Indikation für ICS bei der COPD deutlich einschränken.

Von den drei wichtigsten Substanzen zur Therapie der COPD (LAMA, LABA und ICS)haben die ICS eindeutig das größte Nebenwirkungspotenzial (s. Tab. 2).

Diesen Nebenwirkungen steht nur eine einzige positive Wirkung gegenüber. ICS sind in der Lage, Exazerbationen bei der COPD zu reduzieren.

Die Antwort auf die Frage, ob die ICS noch weitere positive Eigenschaften besitzen, die über eine Reduktion von Exazerbationen hinausgeht, konnte noch nicht beantwortet werden. Ob die in Studien nachgewiesene Reduktion der Mortalität nur das Resultat eingesparter Exazerbationen und der damit verbundenen Sterblichkeit ist, oder ob sich die Therapie an anderer Stelle – zum Beispiel Komorbiditäten – positiv auswirkt, konnte noch nicht eindeutig geklärt werden.

In der IMPACT-Studie [5] war nur die kardiovaskuläre Mortalität in der Triple-Gruppe geringer und in der ETHOS-Studie [6] die kardiovaskuläre und pulmonale (jeweils durch Adjukationskomitees festgestellt). Die Number needed to treat für die Verhinderung eines Todesfalls war in ETHOS 80, was ungefähr im Bereich der Statinstudien liegt [7].

Eine umfangreiche Cochrane-Analyse mit mehr als 27.000 Patienten hat ergeben, dass alle drei Substanzen in der Lage sind, Exazerbationen gleich gut zu reduzieren. Für die ICS kommt einschränkend hinzu, dass sich die Fähigkeit zur Reduktion von Exazerbationen ausschließlich auf die COPD mit stark eingeschränkter Lungenfunktion (FEV1 ≤ 40 Prozent) beschränkt [8].

Auch im Vergleich mit LABA + ICS war die duale Bronchodilatation erfolgreicher bei der Reduktion von Exazerbationen [9].

Erschwerend und die Indikation weiter einschränkend kommt hinzu, dass es keine Möglichkeit gibt, die Höhe der notwendigen Dosis zu reduzieren, oder, genauer formuliert, die möglichst niedrige aber noch effektive Dosis herauszufinden.

Wann machen ICS Sinn?

Im Bemühen, Exazerbationen zu reduzieren, ist aus den genannten Gründen den langwirksamen Bronchodilatatoren eindeutig der Vorzug vor den ICS zu geben.

Daraus ergeben sich folgende Indikationen für ICS:

  • ACO (Asthma-COPD-Overlap = Asthma + COPD) = absolutes MUSS für ICS. Streng genommen therapieren wir in diesem Fall nicht die COPD, sondern das Asthma in ACO.
  • COPD-Patienten ohne Exazerbationen (75 Prozent der Patienten) = absolut keine Indikation für ICS.
  • COPD-Patienten mit Exazerbationen (25 Prozent der Patienten):
  • Therapie mit einem langwirkenden Bronchodilatator (LAMA oder LABA).
  • Bei unzureichender Symptomlinderung und anhaltend Exazerbationen = duale Bronchodilatation (LAMA + LABA).
  • Eher theoretische Ausnahme für LABA + ICS: Unverträglichkeit des LAMA (Mundtrockenheit, benigne Prostatahypertrophie). Unter dieser Bedingung dürfte diese Kombination in der Praxis des Hausarztes höchst selten vorkommen.
  • Unzureichende Reduktion von Exazerbationen unter LAMA + LABA = Triple-Therapie (LAMA + LABA + ICS).

ICS kommen unter diesen Voraussetzungen bei der reinen COPD eigentlich nur in Betracht (zusätzliche Ausnahme s.o.), wenn unter einer dualen Bronchodilatation (LAMA + LABA) trotzdem noch Exazerbationen auftreten. Aber selbst mit dieser Indikation sollte die Triple-Therapie primär als Versuch auf sechs bis zwölf Monate beschränkt bleiben und bei Erfolglosigkeit wieder beendet werden.

Erfolgswahrscheinlichkeit

Eine mögliche Erfolgswahrscheinlichkeit einer Triple-Therapie kann mit Hilfe der Zahl der Eosinophilen im Blutbild kalkuliert werden:

Bei Exazerbationen in der Anamnese und mehr als 300 Eosinophilen pro Mikroliter Blut besteht eine mögliche Erfolgswahrscheinlichtkeit und somit eine Indikation.

Bei Exazerbationen in der Anamnese und weniger als 100Eosinophilen pro Mikroliter Blut besteht keine Erfolgswahrscheinlichtkeit und eine Triple-Therapie sollte unterbleiben.

Zur Sicherheit sollte die Zahl der Eosinophilen häufiger untersucht werden, um eine korrekte Bewertung vornehmen zu können. Auch hier gilt die Einschränkung, dass sich die Zahl der Bluteosinophilen nicht zur Bemessung der ausreichend hohen und gleichzeitig möglichst niedrigen Dosis des ICS eignet.

ICS absetzen

Bei laufender Therapie mit einem ICS ohne Hinweise auf Exazerbationen in der Anamnese sollte das ICS abgesetzt und eine alleinige Bronchodilatation fortgesetzt werden. Ein potenzielles Risiko kann mit Hilfe der Bluteosinophilen abgeschätzt werden.

Untersuchungen haben ergeben, dass es zu einem geringgradigen Peak-Flow-Abfall kommen kann, der aber asymptomatisch verläuft. Bei Auftreten von Exazerbationen kann diese Therapie ohne Probleme wieder begonnen werden [9]. Die ERS (European Respiratory Society) hat für dieses Vorgehen inzwischen eine Leitlinie herausgegeben [10].

Mit all den genannten Erkenntnissen sind ICS bei der COPD inzwischen zum äußerst seltenen KANN geworden. Das Zahlenspiel für eine Praxis mit 1.000 Scheinen pro Quartal in Tab. 3 kann diese Aussage unterstreichen.

Wer in seiner Praxis COPD-Patienten unter LABA+ICS ohne Hinweis auf ACO oder mehr als 20 Prozent unter Triple-Therapie findet, sollte ernsthaft über die Indikation nachdenken. Immerhin “drohen” hier ernste Nebenwirkungen bei fehlendem Effekt!

Fazit

Die neueren Erkenntnisse zu den langwirkenden Bronchodilatatoren und auch zum ICS machen eine Therapie mit ICS bei COPD in jeder Form zum seltenen KANN. Bei bereits laufender Therapie mit einem ICS sollte die Indikation kritisch überprüft und bei fehlender Indikation zum Wohl der Patienten beendet werden – wegen Erfolglosigkeit, vor allem aber wegen der drohenden Gefahr von Nebenwirkungen.

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

Literatur

  1. Hausen T. Die Verordnungen bei Asthma und COPD in Deutschland für die Jahre 2007, 2010, 2013, 2015–2017. Pneumologie 2019; 73: 340–6
  2. Hausen T. Frühdiagnose der COPD in Pneumologie für die Praxis. München: Elsevier Verlag, 2018: 89 2.
  3. Worth H, Buhl R, Criée CP, Kardos P, Mailänder C, Vogelmeier C. The ,real-life‘ COPD-Patient in German: The DACCORD study. Respir Med 2016; 111: 64–71
  4. Miravitlles M, Barrecheguren M, Roman-Rodriguez M. Frequency and characteristics of different clinical phenotypes of chronic obstructive pulmonary disease. Int J Tuberc Lung Dis 2015; 19: 992–8
  5. Lipton DA, Barnhart F, Brealy N, Brooks J, Criner GJ, Day NC. Once-daily single-inhaler triple versus dual therapy in patients with COPD. N Eng J Med 2018; 378: 1671–80
  6. Rabe KF, Martinez FJ, Ferguson GT, et al. Triple inhaled therapy at two glucocorticoid doses in moderate-to-very-severe COPD. N Engl J Med 2020; 383: 35–48
  7. Martinez FJ, Rabe KF, Fergusin GT, Wedzicha JA, Singh D, Wang C. Reduced all-cause mortality in the ETHOS trial of budesonide/glycopyrrolate/formoterol for chronic obstructive pulmonary disease. A randomized, double-blind, multicenter, parallel-group study. Am J Respir Crit Care Med 2021; 203: 553–64
  8. Puhan MA, Bachmann LM, Kleijnen, ter Ried G, Kessels AG. Inhaled drugs to reduce exacerbation in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a network meta-analysis BMC 2009; 7: 2
  9. Magnussen H. Therapiesteuerung der COPD durch eosinophile Granulozyten Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 1–5
  10. Chalmers JD, Laska IF, Franssen FME, Janssens W, Pavord I, Rigau D. Withdrawal of inhaled corticosteroids in COPD: a European Respiratory Society guideline. Eur Respir J 2020; 55: 200035
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