Hausarzt MedizinNOAK in der Hausarztpraxis

Hausärzte müssen die Antikoagulation ihrer Patienten überwachen und das Vorgehen bei Pausen durch Operationen oder diagnostische Eingriffe festlegen. Inzwischen wird das Therapieregime immer häufiger auf nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAK) abgestimmt.

Zurzeit stehen mit dem direkten Thrombinhemmer Dabigatran und den direkten Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban vier NOAK zur Verfügung. In den Zulassungsstudien konnte mit den NOAK im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten (VKA) eine mindestens gleichwertige Effektivität bei der Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolien festgestellt werden [1].

Hinsichtlich des Blutungsrisikos sind die NOAK den Vitamin-K-Antagonisten sogar überlegen: Unter einer NOAK-Therapie traten im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten 50 Prozent weniger intrazerebrale Blutungen auf [2]. Einige Vertreter der NOAK sind derzeit jedoch aufgrund vermuteter Probleme mit Gerinnungstests in den Zulassungsstudien und wegen einer nicht ausreichenden Aufklärung über mögliche Blutungsrisiken in der Diskussion.

Lesen Sie dazu auch: Nachgefragt bei Dr. med. Hans-Otto Wagner, Autor der DEGAM-Leitlinie zu NOAK

Gründe für eine Ersteinstellung mit einem Vitamin-K-Antagonisten gibt es nach wie vor: längere klinische Erfahrung, deutlich geringere Kosten, Kontrolle der Wirksamkeit durch Bestimmung des International Normalized Ratio (INR) und eine mögliche Antagonisierung mit Vitamin K. Doch die Vitamin-K-Antagonisten verlieren angesichts der Vorteile der NOAK zunehmend an Bedeutung. Hinzu kommt, dass die Qualität der INR-Einstellung bei der VKA-Therapie oft nur gering ist [3]. Dies wiederum erhöht das Schlaganfallrisiko im Vergleich zur NOAK-Therapie deutlich. Beim Vorhandensein einer mechanischen Herzklappe, einer hochgradigen Mitralklappenstenose und bei schwerer Nieren- und Leberschwäche ist der Einsatz eines NOAK kontraindiziert und die Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten weiterhin die einzige Therapieoption.

Wann auf ein NOAK wechseln?

Bei den Fachgesellschaften besteht Einigkeit darüber, dass Patienten, die seit Jahren stabil auf einen Vitamin-K-Antagonisten eingestellt sind, nicht von einem Therapiewechsel profitieren [4–7]. Daneben gibt es jedoch auch Patienten, bei denen es unter einer VKA-Therapie immer wieder zu INR-Schwankungen kommt oder Nebenwirkungen wie beispielsweise Blutungen auftreten. Bei Patienten, bei denen weniger als 75 Prozent der INR im Zielbereich liegen, kann ein Wechsel von einem Vitamin-K-Antagonisten zu einem NOAK erwogen werden [4].

Dabei ist das Vorgehen abhängig vom aktuellen INR-Wert: Liegt dieser bei höchstens 2, kann ein Wechsel vom Vitamin-K-Antagonisten zum NOAK unmittelbar erfolgen [8]. Bei einem INR von 2 bis 2,5 kann der Wechsel entweder unmittelbar oder am nächsten Tag ohne Nachkontrolle durchgeführt werden. Nur bei einem INR ab 3 muss das weitere Absinken des INR in den Zielbereich nach Absetzen des Vitamin-K-Antagonisten abgewartet werden.

Ersteinstellung

Vor einer Ersteinstellung oder Umstellung auf ein NOAK sollte die Indikation für eine orale Antikoagulation überprüft werden. Bei der häufigsten Indikation, dem nicht valvulären Vorhofflimmern, ist die NOAKGabe indiziert, wenn das thromboembolische Risiko erhöht (CHA2DS2-VASc-Score 2 oder höher) und das Blutungsrisiko vertretbar ist (berechnet mit dem HAS BLED Score). Bei der Verordnung eines NOAK sollte zudem der aktuelle Hämoglobinwert sowie die Leber- und Nierenfunktion bekannt sein [8].

Geringe Unterschiede zwischen NOAK

Zwischen den einzelnen NOAK gibt es bezüglich Effektivität und Risiko keine wesentlichen Unterschiede [1]. Rivaroxaban und Edoxaban muss der Patient jedoch nur einmal täglich einnehmen. Dabigatran wird überwiegend über die Niere ausgeschieden und ist daher bei Patienten mit einer bekannten Niereninsuffizienz weniger geeignet.

Bei der Wahl des NOAK sollte auch die Komedikation beachtet werden. Insbesondere kardiale Medikamente wie Verapamil oder Dronedaron sowie Antibiotika wie Clarithromycin können die Wirkung einzelner NOAK um bis zu 180 Prozent erhöhen (Übersicht in der aktuellen ESC-Leitlinie [8]). Häufig können solche Interaktionen durch die gezielte Auswahl eines NOAK umgangen werden. Andernfalls muss die NOAK-Dosis angepasst werden. Außerdem sollte man die Eigenmedikation (OTC-Präparate) unbedingt in den Interaktions-Check miteinbeziehen.

NOAK bei Niereninsuffizienz

Die Niereninsuffizienz ist ein Risikofaktor für Thromboembolien und Blutungen bei Patienten mit Vorhofflimmern [9]. Daher könnten gerade diese Patienten von einer Antikoagulation profitieren. Die Dosierung der NOAK orientiert sich an der glomerulären Filtrationsrate (GFR) (Tabelle 1). Diese kann mit der Cockcroft-Gault-Methode näherungsweise berechnet werden.

Auch wenn Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban nach Herstellerangaben bis zu einer GFR von mindestens 15 ml/min eingesetzt werden können, gibt es keine Daten über die Effektivität und Sicherheit einer Antikoagulation bei einer schweren Niereninsuffizienz (GFR höchstens 30 ml/min). Daher empfehlen die ESC-Leitlinien, NOAK bei einer GFR von 30 ml/min oder niedriger nicht einzusetzen [8].

Regelmäßige Kontrollen

Patienten, die ein NOAK erhalten, sollten 1 Monat nach der Erstverordnung erstmals zur Kontrolle einbestellt werden. Dabei sollte die Compliance anhand der verbrauchten Tabletten überprüft und nach möglichen Nebenwirkungen wie Blutungen gefragt werden. Eine Laborkontrolle sollte mindestens alle 12 Monate durchgeführt werden. Dabei wird eine Kontrolle von Blutbild, Leber-und Nierenfunktion empfohlen. Bei älteren und/oder multimorbiden Patienten wird ein Untersuchungsintervall von mindestens 6 Monaten empfohlen. Bei bestehender Niereninsuffizienz kann der Quotient aus GFR und 10 ein Richtwert für das Untersuchungsintervall sein, also z. B. GFR von 30 ml/min – Untersuchung alle 3 Monate.

Akute Krankheiten wie Infekte sollten Anlass zu außerplanmäßigen Kontrolluntersuchungen sein.

Vorgehen bei Blutungen

Aufgrund der Halbwertzeiten der NOAK von 10 bis 12 Stunden ist je nach Nierenfunktion eine Normalisierung der Hämostase 12 bis 24 Stunden nach der letzten Dosis zu erwarten. Daher genügt bei weniger schweren Blutungen oft das Auslassen einer oder mehrerer NOAK-Dosen, um die Blutung zum Stillstand zu bringen [2].

Bei schweren Blutungen steht bisher nur für Dabigatran ein Antidot (Idarucizumab) zur Verfügung. Durch die intravenöse Gabe des monoklonalen Antikörpers kann die gerinnungshemmende Wirkung innerhalb von fünf Minuten komplett aufgehoben werden [11]. Die Zulassungsstudien zu Antidots für weitere NOAK laufen derzeit noch. Bis dahin müssen bei Blutungen unter diesen NOAK je nach klinischer Situation neben Erythrozytenkonzentraten und Thrombozyten einzelne Gerinnungsfaktoren gegeben werden.

Richtig pausieren

Eingriffe mit geringem Blutungsrisiko wie Zahnbehandlungen oder Kataraktoperationen können unter der Talkonzentration der NOAK durchgeführt werden [8]. Dazu sollte ein Abstand zwischen der letzten NOAK-Einnahme und der Behandlung von 18 bis 24 Stunden eingehalten werden. Bei einem unauffälligen Verlauf kann die NOAK-Einnahme 6 Stunden nach dem Eingriff wieder aufgenommen werden. Bei Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko wie Bauchoperationen muss ein Abstand von mindestens 48 Stunden eingehalten werden. Dieser Abstand verlängert sich bei eingeschränkter Niereninsuffizienz (Tab.e 2). Ein Bridging mit Heparin wird nur bei hohem Thromboembolierisiko, z. B. bei künstlichen Herzklappen empfohlen [12].

Was tun nach einem Herzinfarkt?

Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung benötigen im ersten Jahr nach einem Akutereignis bzw. einer Stentimplantation zusätzlich zum NOAK auch einen Thrombozytenaggregationshemmer. Dabei können die in Tabelle 3 angegebenen Behandlungszeiträume bei einem hohen Blutungsrisiko verkürzt und bei einem hohen atherothrombotischen Risiko verlängert werden [8]. Im Zweifel muss die Therapie mit den Kardiologen individuell auf den Patienten abgestimmt werden.

Fazit

Patienten mit mechanischen Herzklappen sowie schwerer Nieren- und Leberschwäche benötigen weiterhin eine Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten.

NOAK können bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz (GFR über 30 ml/min) unter regelmäßiger Laborkontrolle eingesetzt werden.

Perioperativ müssen NOAK mindestens 24 Stunden vor dem geplanten Eingriff pausiert werden; ein Bridging ist nur bei einem hohen Thromboembolierisiko indiziert.

Nach einer Koronarintervention mit Stentimplantation ist bei vertretbarem Blutungsrisiko mindestens ein Monat eine Triple-Therapie mit NOAK, ASS und Clopidogrel notwendig.

Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

Literatur

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    1. Hohnloser S. Therapiesicherheit bei Verwendung nicht Vitamin-K-abhängiger oraler Antikoagulanzien bei Patienten mit Vorhofflimmern. Herz 2016; 41: 37-41.
    1. Haas S. Darius H. Hohe Akzeptanz von NOAK. Perspektiven der Kardiologie 1/2016 | Deutsches Ärzteblatt: 26-28.
    1. Wagner HO, Liesenfeld A. Neue orale Antikoagulantien (bei nicht valvulärem Vorhofflimmern) neue S1-Handlungsempfehlungen der deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Z Allg Med 2013; 89: 496-499
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    1. Nohe B. Non-Vitamin-K-Antagonisten-Was ist in der klinischen Praxis zu beachten?. Lege artis-Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2016; 6: 242-249.
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